Carmen Thornton ist selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Ihre Kanzlei ist spezialisiert auf Trennungen und Scheidungen sowie Obsorge- und Unterhaltsverfahren. Auf derStandard.at/Familie beantwortet sie rechtliche Fragen bezüglich des Familienlebens.

Foto: Jana Madzigon

Die Weihnachtszeit sollte eigentlich eine ruhige und besinnliche Zeit sein, die man im Kreise seiner Familie verbringt. Vor allem Kinder freuen sich schon auf den Weihnachtsbaum und die Geschenke. Aber diese Vorfreude findet leider manchmal ein jähes Ende, wenn es zu Gewaltvorfällen in der Familie kommt. Gerade während der Weihnachtsfeiertage häuft sich häusliche Gewalt in besonderer Weise.

Wie man sich wehren kann – Betretungsverbot

Wenn man selbst oder die Kinder Opfer von Gewalt geworden ist oder auch nur bedroht wurde, sollte man sofort die Polizei verständigen. Diese kann den Täter aus der Wohnung wegweisen und ein Betretungsverbot aussprechen. Durch ein Betretungsverbot sind alle in der Wohnung lebenden Personen geschützt, und zwar selbst dann, wenn sie mit dem Täter nicht verwandt sind.

Entgegen einer weit verbreiteten Meinung kann ein Betretungsverbot auch dann ausgesprochen werden, wenn man selbst nicht Mieter oder Eigentümer der Wohnung ist. Selbiges gilt, wenn man mit dem Täter nicht mehr zusammenlebt (z. B. wenn es bei der Ausübung des Kontaktrechts zu Übergriffen kommt oder wenn man von einem eifersüchtigen Ex-Partner bedroht wird).

Ausweitung und Befristung

Bei einer Gefährdung minderjähriger Kinder kann das Betretungsverbot auch auf Schulen, Kindergärten und sonstige Betreuungseinrichtungen ausgeweitet werden. Das Betretungsverbot ist grundsätzlich auf zwei Wochen befristet. Wenn man innerhalb dieser Frist bei Gericht eine einstweilige Verfügung beantragt, verlängert sich das Betretungsverbot automatisch auf bis zu vier Wochen. Mit einer einstweiligen Verfügung kann das Gericht dem Täter auch für einen längeren Zeitraum verbieten, in die Wohnung zurückzukehren oder sich an bestimmten Orten (z. B. dem Arbeitsplatz, der Schule oder dem Kindergarten) aufzuhalten, um mit den Gefährdeten Kontakt aufzunehmen.

Missachtet der Täter das Betretungsverbot oder die einstweilige Verfügung, sollte man sofort die Polizei rufen. Die Einhaltung des Betretungsverbots ist von der Polizei aber auch eigenständig zu überprüfen.

Die "g'sunde Watschn" ist verboten

Nicht nur zu Weihnachten gilt: Kinder haben ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Das Gesetz sagt unmissverständlich, dass die Anwendung jeglicher Gewalt und die Zufügung körperlichen oder seelischen Leids bei der Kindererziehung unzulässig sind. Der Gesetzgeber verfolgt hier also (völlig zu Recht) eine "Null-Toleranz-Politik".

Die leider immer noch recht weit verbreitete "g'sunde Watschn" ist keine Erziehungsmethode, sondern ein rechtswidriger Eingriff in die Rechte des Kindes und daher schlicht und ergreifend verboten. Einem Elternteil darf auch nicht "die Hand auskommen", selbst wenn einen die Kinder manchmal zur Weißglut treiben können.

Kinder sind zu schützen

Bei häuslicher Gewalt gegen Kinder ist es daher auch Aufgabe des anderen Elternteils, unverzüglich einzugreifen und die Kinder zu schützen. Aber auch Stiefeltern, die mit dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt leben, sind zum Handeln verpflichtet, wenn das Kind gefährdet ist. Wer aus Angst davor, dass die Beziehung sonst in die Brüche geht, tatenlos zusieht, macht sich selbst zum Mittäter.

Das Wichtigste ist daher, dass man schon beim ersten Gewaltvorfall sofort handelt. In Österreich gibt es genügend Anlaufstellen, an die man sich bei Gewaltvorfällen wenden kann und die Opfern nicht nur Schutz und eine vorübergehende Wohnmöglichkeit, sondern auch kostenlose psychologische, sozialarbeiterische und rechtliche Unterstützung anbieten.

Hier die Checkliste für den Notfall:

1. Was können Sie im akuten Notfall machen?

Rufen Sie die Polizei: Notrufnummer 133 oder 112 (Euro-Notruf). Die Polizei ist verpflichtet, in jedem Fall von Gewalt einzuschreiten. Bitten Sie die Polizei, ein Betretungsverbot auszusprechen.

2. Was können Sie machen, wenn Sie von zu Hause flüchten müssen?

Rufen Sie die Notrufnummer des nächstgelegenen Frauenhauses (z. B. Verein Wiener Frauenhäuser, Amerlingstraße 1, 1060 Wien, E-Mail: verein@frauenhaeuser-wien.at, Telefon: 01/485 30 30)

Österreichweite Frauenhäuser: Zusammenschluss Österreichischer Frauenhäuser (ZÖF)

Frauenhäuser im Burgenland, OÖ, NÖ, Salzburg, Tirol, Vorarlberg: Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser – AÖF

Egal aus welchem Land Sie kommen, welche Religion Sie haben oder ob Sie ein Einkommen haben oder nicht – wenn Sie von häuslicher Gewalt betroffen sind, finden Sie (auch mit Ihren Kindern) im Frauenhaus Unterstützung. Die Frauenhäuser sind rund um die Uhr für Sie erreichbar!

3. Wo können Sie sich beraten lassen?

Kostenlose Beratung und Hilfe bietet österreichweit die Frauenhelpline gegen Gewalt unter 0800/222 555 sowie mit Schwerpunkt Wien der 24-Stunden Frauennotruf unter 01/71 71 9 oder via Mail: frauennotruf@wien.at. Die Beratung ist kostenlos, vertraulich und auf Wunsch anonym. Es wird psychologische, sozialarbeiterische und rechtliche Beratung geboten, ebenso die Begleitung zur Polizei, zum Gericht oder ins Krankenhaus. Hilfe wird in verschiedenen Sprachen angeboten. (Carmen Thornton, 23.12.2018)