Alles eine Frage der Dosis: Das gilt auch für das HDL-Cholesterin.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Diese Worte des Arztes haben viele gehört: "Der LDL-Spiegel sollte möglichst niedrig sein, der HDL-Spiegel möglichst hoch." Das ist wohl nur teilweise zutreffend. Zwar ist es richtig, dass niedrige HDL-Cholesterin-Werte (weniger als 40 Milligramm pro Deziliter) das Risiko für Herzgefäßerkrankungen erhöhen. Das hatten die Ergebnisse epidemiologischer Studien schon seit geraumer Zeit angedeutet.

Zutreffend ist auch, dass dieses Risiko mit steigenden HDL-Cholesterin-Werten zunächst abnimmt. Als "gut" gelten die Werte künftig aber nur noch in einem eingeschränkten Bereich. In den letzten Jahren gab es epidemiologische Studien mit sehr großen, herzgesunden Populationen. Sie zeigen, dass das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Herzinfarkt abhängig vom Land und ethnischer Zugehörigkeit ab einer bestimmten HDL-Cholesterin-Konzentration dann wieder ansteigt.

Wann Schutzwirkung abnimmt

Denselben u-förmigen Zusammenhang zwischen HDL-Cholesterin und Herzrisiko zeigte auch eine kürzlich vorgestellte US-Studie, die eine Korrelation zwischen HDL-Cholesterin-Werten und dem Herzinfarkt- und Sterblichkeitsrisiko untersuchte. Sie basiert auf der Emory Cardiovascular Biobank und schließt fast 6.000 zumeist herzkranke Patienten (65 Prozent Männer) im mittleren Alter von 63 Jahren ein. Während einer durchschnittlich vier Jahre langen Nachbeobachtung erlitten 769 Teilnehmer (13 Prozent) einen Herzinfarkt oder starben aufgrund einer Herz-Kreislauf-Krankheit. All jene (herzkranken) Probanden mit Werten unter 41 Milligramm pro Deziliter und über 60 Milligramm pro Deziliter hatten ein erhöhtes und zunehmendes Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Krankheit zu sterben oder einen Herzinfarkt zu erleiden.

Zwischen 41 Milligramm pro Deziliter und 60 Milligramm pro Deziliter war das Risiko am geringsten. Studienteilnehmer mit HDL-Cholesterin-Werten über 60 Milligramm pro Deziliter hatten ein um fast 50 Prozent erhöhtes Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden oder an einer Herz-Kreislauf-Krankheit zu versterben, als Teilnehmer mit Werten zwischen 41 und 60.

"Die Studienergebnisse sind bedeutsam, weil sie vorliegende Daten erhärten, dass sehr hohe HDL-Cholesterin-Werte eventuell keine Schutzwirkung haben. Außerdem wurde diese Studie anders als die meisten verfügbaren Daten in erster Linie mit Patienten mit bestehenden Herzkrankheiten durchgeführt", sagte der Erstautor der Studie, Mark Allard-Rick von der Emory University School of Medicine in Atlanta, beim diesjährigen Europäischen Kardiologiekongress in München.

Was Cholesterin macht

Fettähnliche Substanzen wie das Cholesterin müssen im menschlichen Körper von A nach B gelangen. Das bewerkstelligen winzig kleine Fetttröpfchen im Blutplasma, die aus Proteinen und Fett bestehen und deshalb als Lipoproteine bezeichnet werden. Diese Transportvehikel gibt es in unterschiedlichen Dichten. Haben die Lipoproteine eine hohe Dichte, heißen sie HDL (High Density Lipoproteins) und im Verbund mit Cholesterin als Frachtgut HDL-Cholesterin.

Bei LDL-Cholesterin handelt es sich dagegen um Lipoproteine niedriger Dichte, beladen mit Cholesterin. Sind die Körperzellen mit Cholesterin gesättigt, gibt LDL (Low Density Lipoprotein) seine Fracht direkt ins Blut ab. Das Cholesterin kann sich dann an der inneren Gefäßwand ablagern und in die Wand einwandern. Es wird von Fresszellen des Immunsystems als Entsorgungsmaßnahme gefressen. Die Fresszellen werden in der Folge zu sogenannten Schaumzellen und Bestandteil arteriosklerotischer Plaques. So fördert LDL-Cholesterin die Arteriosklerose. HDL dagegen transportiert überschüssiges Cholesterin aus den Gefäßen zur Leber, damit sie es ausscheiden kann. Daraus resultierte die Annahme, dass hohe HDL-Cholesterin-Werte vor Arteriosklerose schützen.

Warum zu viel HDL nicht gut ist

Wie ist dieser U-förmige Zusammenhang zwischen HDL-Cholesterin-Wert und dem Risiko für Herzerkrankungen zu erklären? Derzeit sind hierzu nur Spekulationen möglich. Eine ziemlich plausibel klingender Ansatz ist jener, dass hohe HDL-Cholesterin-Werte einen Stau beim Transport des Cholesterins zur Leber anzeigen. Möglicherweise gibt es nicht genug Rezeptoren auf den Leberzellen. Verbleiben HDL-Partikel aber zu lange im Blut, werden sie dort durch Oxidation und Enzyme verändert. Diese "gealterten" HDL-Partikel sind dann möglicherweise funktionsunfähig und fördern Entzündungen, so die These von Mark Allard-Ratick. Nicht auszuschließen ist aber auch, dass hohe HDL-Cholesterin-Werte einfach nur ein Biomarker für ein bislang unbekanntes Stoffwechselproblem sind.

Doch was tun, wenn die nächste Blutuntersuchung zu hohe HDL-Werte ergibt? Derzeit ist es wichtig, andere Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Krankheiten zu minimieren. Im Klartext heißt das: möglichst niedrige LDL-Cholesterin-Werte anstreben, Blutdruck und Blutzuckerwerte normalisieren, Rauchverzicht, regelmäßig Sport treiben oder zumindest mehr Bewegung im Alltag und eine gesunde und ausgewogene Ernährung. (Gerlinde Felix, 3.1.2019)