Michael Heinisch wacht über mehr als 8000 Mitarbeiter.

Foto: Regine Hendrich

Michael Heinisch leitet seit 18 Jahren die Vinzenz-Gruppe, in deren Spitälern und Pflegeheimen mehr als 8000 Mitarbeiter beschäftigt sind. Trotz der Optimierung der Abläufe haben christliche Werte und Ethikfragen einen großen Stellenwert. Bei den Strukturen öffentlicher Spitäler sieht Heinisch Potenzial. Zu einem Zwischenfall vor dem Göttlichen Heiland, der Schlagzeilen produzierte, äußert er sich differenziert.

STANDARD: Was unterscheidet eine Gruppe von Ordensspitälern von einem öffentlichen Krankenhaus?

Heinisch: Wir sind ein Exot im Gesundheitssektor, weil wir wie ein Konzern aufgebaut sind. Der Eigentümer ist eine gemeinnützige private Stiftung, die 2010 von den Barmherzigen Schwestern gegründet wurde. Der Krankenhausbetrieb wurde einfach zu komplex. Die Vinzenz-Gruppe ist die Muttergesellschaft der einzelnen Krankenhausgesellschaften. Das ist sehr unüblich. Meistens sind die Krankenhäuser keine selbstständigen Unternehmen, sondern Standorte.

STANDARD: Was bringt diese Struktur?

Heinisch: Wir gewährleisten, dass die Entscheidungen immer vor Ort und damit dezentral getroffen werden, wo auch die Verantwortung liegt. Dadurch sind wir sehr schnell, manche sagen zu schnell. Vor Ort kann immer der Geschäftsführer des Krankenhauses entscheiden. Natürlich gibt es Genehmigungsgrenzen. Aber wesentliche Fragen wie die Besetzung von Primarärzten trifft das lokale Team. Dadurch sind wir sehr effizient und können uns die hohen Investitionen leisten.

STANDARD: Eine Fehlplanung wie beim Krankenhaus Nord wäre bei Ihnen nicht denkbar?

Heinisch: Jeder hat seine eigenen Rahmenbedingungen – daher will ich das nicht bewerten. Wir geben die Projektleitung nach außen und gewährleisten mit einer davon unabhängigen Projektkontrolle die planmäßige Ausführung. Dadurch haben wir einen doppelten Sicherheitsgurt um den Bauch.

STANDARD: Sie reden von modernen Managementtools und Effizienz, sind aber Teil einer christlich geprägten Organisation. Ist das leicht vereinbar?

Heinisch: Absolut. Es gibt nichts Unethischeres als Vergeudung. Die knappen Ressourcen müssen so eingesetzt werden, dass sie möglichst vielen Menschen zugutekommen.

STANDARD: Ja, aber wird der Bogen mit dem Effizienzdenken und Cost-Cutting nicht irgendwann überspannt, insbesondere wenn wir über den sensiblen Gesundheitssektor reden?

Heinisch: Cost-Cutting ist ein Wort, mit dem wir bei uns nicht arbeiten. Unsere Budgets sind in den vergangenen 18 Jahren immer gestiegen. Die Mitarbeiterzahl steigt von Jahr zu Jahr, weil der Patientenstrom wächst. Wir sind da, um Leben zu erhalten und Menschen gesund zu machen. Das ist keine Schraubenproduktion.

Setzt auf einen Ethikbeirat, um komplexe Fragen zu beantworten: Michael Heinisch.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Wird der Ordensgedanke noch gelebt?

Heinisch: Es gibt noch ein paar Ordensschwestern, die im Krankenhaus operativ mitarbeiten – aber das wird sich aufhören. Was bleibt, sind die christlichen Prinzipien, die sich in der Ethikarbeit niederschlagen. Wir stoßen in einem Krankenhaus schnell an Grenzen, an denen man umsichtig entscheiden muss. Wenn ein Patient beispielsweise sterbenskrank ist, stellt sich die Frage, welche Therapien man ihm noch zumuten kann. Das kann ein einzelner Mensch nicht allein entscheiden. Im Ethikbeirat werden die heikelsten Fälle reflektiert.

STANDARD: Teilen Sie die Kritik, dass zu viele Menschen ins Spital anstatt zum niedergelassenen Arzt gehen?

Heinisch: Ein Krankenhaus muss sich vor allem um Akutfälle und um Patienten mit sehr komplexen Krankheiten kümmern, bei denen Experten verschiedener Fachdisziplinen gefragt sind. Für Patienten mit leichteren Erkrankungen ist das Krankenhaus nicht der richtige Ort. In Zukunft wird uns die Digitalisierung helfen. Ein Beispiel: Rund zehn Prozent der Bevölkerung hat Diabetes. Viele befinden sich deshalb im Krankenhaus. In Zukunft könnten diese Patienten mehr zu Hause sein und über Schnittstellen am Körper Daten an das Krankenhaus oder an niedergelassene Ärzte liefern. So kann ein Monitoring stattfinden, ohne dass der Patient laufend stationär behandelt wird.

STANDARD: Neben öffentlichen und Ordensspitälern gibt es auch die privaten Häuser. Wie beurteilen Sie diese Mischung?

Heinisch: Der wesentlichste Unterschied für uns ist die Gemeinnützigkeit. Es gibt keine Gewinnausschüttung. International betrachtet sind viele der privaten Anbieter börsennotiert. Die haben Umsatzrentabilitäten von zehn Prozent aufwärts. Das ist für Pensionsfonds ein Hit.

STANDARD: Gewinne ziehen Kapital an, das ermöglicht wiederum Investitionen. Sind die Privaten da nicht im Vorteil?

Heinisch: Einerseits ja. Andererseits müssen wir keine Dividende ausschütten, weil wir öffentlich finanziert sind. Jeder Euro bleibt in unseren Krankenhäusern. Dadurch können wir viel aus eigener Kraft investieren.

STANDARD: Teilen Sie die Kritik, dass die Spitäler zu wenig aufeinander abgestimmt sind?

Heinisch: Da gibt es noch Potenzial. Vor allem in der Stadt müssen die Krankenhäuser Schwerpunkte setzen. Nicht jedes Krankenhaus soll alles abdecken. Das ist nicht effizient, und es geht zulasten der Expertise.

STANDARD: Hat Weihnachten in einem Ordensspital eine besondere Bedeutung?

Heinisch: Bei uns gehen Geschäftsführer, Pflegedirektor und andere Personen am 24. Dezember durch die Stationen, wünschen Glück und singen oder lesen den Patienten etwas vor. In Ordenshäusern gibt es Feste und Bräuche. Das spürt man auch. Die Schwestern beten jeden Tag für die Patienten.

Das orthopädische Spital Speising gehört auch zur Vinzenz-Gruppe.
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STANDARD: Sind Sie religiös?

Heinisch: Ja, ich bin ein gläubiger Mensch. Das hat etwas mit dem Menschenbild zu tun. Ich glaube, wir haben die Verantwortung, für unsere Nächsten zu sorgen. Die gesunden Menschen sind selbstbestimmt. Wer krank ist und zu uns kommt, verliert in der Sekunde seine Autonomie – da können wir noch so viel vom aufgeklärten Patienten reden. Daher sind Respekt und der Umgang auf Augenhöhe mit den Kranken so wichtig. Daran glaube ich.

STANDARD: Der Vorfall beim Göttlichen Heiland, als ein Patient vor dem Spital von der Rettung in ein anderes Krankenhaus gebracht wurde und dort verstarb, hat hohe Wellen geschlagen. War die Vorgangsweise ethisch?

Heinisch: Der Portier hat zuerst schlecht reagiert, dann aber den diensthabenden Internisten verständigt. Der Arzt hat dann notfallmedizinisch richtig versorgt.

STANDARD: Aber warum wurde der Notfall nicht einfach direkt im Spital behandelt?

Heinisch: Der diensthabende Arzt ist zu dem Patienten auf die Straße gelaufen und hat reanimiert, bis die Rettung kam. Die Rettung muss dann in das nächste Spital, in dem sich ein Herzkatheter befindet, damit eine optimale Versorgung möglich ist.

ZUR PERSON

Michael Heinisch (51) ist seit 18 Jahren Geschäftsführer der Vinzenz-Gruppe. Der geschiedene Vater zweier Töchter hat an der Wirtschaftsuniversität studiert und arbeitete im Management-Zentrum St. Gallen und bei der VA Tech. Der gebürtige Tiroler ist Sänger und Gitarrist der Hobby-Rockband Excuse My French.

ZUM UNTERNEHMEN

Zur Vinzenz-Gruppe zählen mehrere Spitäler wie der Göttliche Heiland, das St.-Josef- und das Herz-Jesu-Krankenhaus, das Orthopädische Spital Speising in Wien sowie das Ordensklinikum Linz und die Krankenhäuser der Barmherzigen Schwestern. Letztere haben die Einrichtungen in eine gemeinnützige Stiftung eingebracht. In Summe kommt die Gruppe auf rund 750 Millionen Euro Umsatz und beschäftigt 8000 Personen. 2017 wurden 435.643 Patienten ambulant und 193.171 stationär behandelt. (23.12.2018)