Eine Waffe zu bekommen und einen Schuss abzugeben ist erstaunlich einfach. Zu treffen nicht.

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Seltsam fühlt sich der Hinterschaft eines Gewehrs an, wenn man seine Wange daran legt, um durch den Sucher zu blicken. Warm und glatt. Nur ein Griff reicht, damit das Projektil vom Magazin in den Lauf geladen wird. Und nur eine kleine Bewegung mit dem Finger lässt es mit über 350 Metern pro Sekunde aus dem Lauf schießen. Fast zu einfach geht das.

Über 50 Millionen Euro wurden im letzten Jahr durch Waffenverkäufe umgesetzt – der Verkauf neuer Waffen ist rückläufig, der gebrauchter steigt. Doch mit 1. Jänner traten neue Regeln die gut 300.000 Waffenbesitzer in Österreich in Kraft. In ihren Händen sind derzeit gut eine Million Waffen – fast ein Drittel davon in Niederösterreich.

Die Umsetzung einer EU-Richtlinie brachte etwa eine Verschärfung der erlaubten Magazingrößen: Große Magazine, also jene mit mehr als 20 Schuss für Pistolen und mehr als zehn Schuss für halbautomatische Gewehre, werden verboten, der Altbestand muss binnen zwei Jahren gemeldet werden.

"Nur eine Frage der Zeit, bis jemand Blödsinn macht"

Waffenhändler Markus Schwaiger hält eine Glock in der Hand, schlicht ist sie, ohne Schnickschnack. Fast wie ein Spielzeug sieht sie aus. "Ob jetzt 17 oder 30 Schuss im Magazin sind", sagt Schwaiger, "da seh' ich nicht, wo der Sicherheitsgewinn sein soll." Den Waffenhändler stört vielmehr, dass Waffen der Kategorie C und D, Flinten und Büchsen, die vor jedem Schuss händisch geladen werden, so einfach verfügbar sind. "Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis jemand Blödsinn macht. Und dann kommt eine massive Verschärfung des Waffengesetzes", sagt er.

Denn die sogenannte Waffenbesitzkarte – sie bekommt man als EWR-Bürger, wenn man über 21 ist und den Waffenführerschein und ein psychologisches Gutachten hat – braucht man nur für den Kauf von Waffen der Kategorie B: Faustfeuerwaffen, Repitierflinten und viele halbautomatische Waffen. Kategorie A umfasst Kriegsmaterial und Waffen wie Totschläger oder Pumpguns, sie sind grundsätzlich verboten.

"Die hier", sagt Markus Schwaiger und zeigt mit einem kleinen Dolch auf ein dunkelgrünes Gewehr – martialisch sieht es aus, mit dem Ledergurt um den Schaft, in dem goldene Patronen stecken, und einer Lampe, die auf den Lauf montiert ist – "die hier kann jeder kaufen, wenn er das Geld dazu hat, EWR-Bürger und 18 ist." Zumindest nach einer dreitägigen Abkühlphase, in der der Waffenhändler überprüft, ob der potentiellen Kunde ein Waffenverbot hat.

75.000 Menschen haben einen Waffenpass

Doch eine Waffe zu besitzen heißt nicht, sie führen zu dürfen. Dafür ist ein Waffenpass nötig, wer den will, muss neben den Anforderungen für die Waffenbesitzkarte zusätzlich nachweisen, dass er einen Bedarf hat, eine Waffe bei sich zu tragen. Knapp 75.000 Österreicher haben offenbar diesen Bedarf. Nur Polizisten mussten bisher keinen Bedarf begründen, wenn sie einen Waffenpass beantragten. Seit 1. Jänner steht das auch Justizwachebeamten und Militärpolizisten zu, auch sie dürfen jetzt eine Waffe in ihrer Freizeit führen.

Die Liste Jetzt, ehemals Liste Pilz, stimmte als einzige Partei im Nationalrat gegen die Novelle des Waffengesetzes. "Ich strebe eine waffenfreie Gesellschaft an und widersetze mich daher entschieden gegen jegliche Ausweitung des Waffentragens", sagte Jetzt-Abgeordnete Alma Zadić.

Keine Messer mehr für Drittstaatsangehörige

In der FPÖ begrüßt man vor allem einen Aspekt der Novelle: Asylwerber und Drittstaatsangehörige dürfen von nun an keinerlei Waffen mehr führen, bisher galt dies nur für Schusswaffen. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) begründete das mit einem "einem eklatanten Anstieg von Verbrechen gegen Leib und Leben durch Stichwaffen". Mit dem Vorwurf der Diskriminierung könne er gut leben, wenn dafür die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung erhöht werde.

Tatsächlich stieg die Zahl der Gewaltdelikte, in denen Stichwaffen eingesetzt wurden: von 201 im Jahr 2008 auf 701 im Jahr 2017, wie Zahlen des Bundeskriminalamts (BK) zeigen. "Gewaltdelikte an sich sind rückläufig", sagt ein BK-Sprecher zum STANDARD, "doch die Qualität der Gewalt steigt", also der Einsatz von Waffen – auch der von Schusswaffen, egal ob in legalem oder illegalem Besitz.

Das BK erfasst noch eine Zahl, mit der für das Waffenverbot für Asylwerber argumentiert wird: Die Zahl fremder Tatverdächtiger bei Gewaltdelikten mit Hieb- und Stichwaffen. 635 Asylwerber und Drittstaatsangehörige standen letztes Jahr 516 tatverdächtigen Inländern gegenüber. Wie sich dies Zahle entwickelte und wie viele der Tatverdächtigen verurteilt wurden, zeigt die Statistik nicht.

Schalldämpfer und Pistolen für Jäger

Noch einer Berufsgruppe wurden Waffen einfacher zugänglich gemacht: Den Jägern. Sie dürfen seit der Novelle auch mit Pistolen und Revolvern jagen. Und: Von nun an sind ihnen Schalldämpfer erlaubt, wenn sie schießen, ihrem und dem Gehör ihrer Hunde zuliebe.

Schalldämpfer, die eigentlich Schallmodulatoren heißen, unterdrücken den Explosionsknall bei einem Schuss. Das Projektil, das mit gut 1.000 Kilometern pro Stunde aus dem Gewehrlauf abgefeuert wird, kann man dennoch hören. Aber es klingt vielmehr, wie eine Tür, die zufällt. Oder ein Glas, das fest auf den Tisch abgestellt wird. Nicht wie eine Patrone, die eine Zielscheibe aus Karton durchbricht und nicht einmal einen Augenblick später auf der Beton-Rückwand des Schießkellers aufprallt. (Gabriele Scherndl, 7.1.2019)

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