Nuno Mauilde wurde zum österreichischen Wissenschafter des Jahres gekürt. Die Auszeichnung wurde zum 25. Mal verliehen, zum ersten Mal ging sie an einen Chemiker.

Uni Wien

Als Nuno Maulide erfuhr, dass er zu Österreichs Wissenschafter des Jahres gewählt wurde, war der Chemiker zuerst einmal "überrascht, und zwar gleich mehrfach". Mit der Auszeichnung ehrt der Klub österreichischer Wissenschaftsjournalisten seit 25 Jahren jene Forscher, die sich in besonderer Weise um die Vermittlung ihrer Arbeit verdient gemacht haben. Maulide selbst hingegen hält sich für "keinen besonders guten Wissenschaftsvermittler". Das liege auch daran, dass sein Deutsch noch nicht besonders gut gewesen sei, als er 2013 nach Wien kam, wie er im Gespräch mit dem STANDARD sagt.

Das ist natürlich alles etwas tiefgestapelt. Wer den 39-jährigen Portugiesen je live erlebt hat, wurde vom Enthusiasmus und der Leidenschaft des charismatischen Wissenschafters unweigerlich angesteckt. Und sein Deutsch ist längst ziemlich perfekt – nur fünf Jahre nachdem der organische Chemiker mit nur 34 Jahren eine Professur an der Universität Wien angetreten hat.

Erstmals wird Chemiker Wissenschafter des Jahres

Maulide war aber auch überrascht darüber, dass die Auszeichnung, die am Montagvormittag zum mittlerweile 25. Mal vergeben wurde, noch nie zuvor an einen Chemiker gegangen ist. Umso mehr sieht er die Ehrung auch als Auftrag und Herausforderung, sich noch mehr im Bereich der Wissenschaftsvermittlung zu engagieren – womöglich auch jenseits seiner bisherigen Auftritte etwa im Rahmen der Kinderuni oder beim March for Science im Frühjahr 2017, als er auf offener Bühne als Pianist brillierte.

Nuno Maulide als Konzertpianist bei einem Auftritt an der Universität Wien.
Foto: Universität Wien

"Solche Aktivitäten machen zwar viel Spaß, aber sie erreichen vor allem Leute, die sich ohnehin schon für Wissenschaft interessieren", sagt Maulide. "Wir sollten aber versuchen, auch jene Personen für Wissenschaft zu begeistern, die damit noch nicht viel anfangen können." Außerdem bekomme er immer wieder zu hören, dass er die Zeit, die solche Vermittlungsaktivitäten kosten, doch besser für die Forschung verwenden solle. Auch diese Einstellung sollte sich ändern.

Musikalisch-wissenschaftliche Doppelbegabung

Dass der Sohn eines Ärztepaars Wissenschafter werden würde, war nach seinem Schulabschluss in Lissabon alles andere als klar: Maulide begann gegen den Rat seiner Eltern mit einem Klavierstudium, inskribierte daneben parallel auch Chemie. Und trotz seiner erfolgreichen Ausbildung zum Konzertpianisten entschied sich der mehrfach Begabte dennoch für die Chemie. Das Klavierspiel betreibt er – zumindest dem Können nach – weiter semiprofessionell, tägliches Üben inklusive.

Universität Wien

Maulides wissenschaftliche Ausbildung führte ihn in kurzer Zeit an die besten Adressen: zunächst für das Masterstudium an die École Polytechnique in Paris und an die Katholische Universität Leuven in Belgien, wo er dissertierte. Danach folgten unter anderem Aufenthalte an der Universität Stanford in Kalifornien und ab 2013 am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim.

Verbesserung chemischer Synthesen

Mit zehn seiner dortigen Mitarbeiter und einem prestigeträchtigen Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) übersiedelte der Kosmopolit vor gut fünf Jahren nach Wien, wo sich Maulide mit seinem Team seitdem auf neue Synthesewege zur Herstellung organischer Moleküle konzentriert. Im Rahmen des jüngsten ERC-Projekts – 2016 erhielt Maulide einen ERC Consolidator Grant – forschen er und sein Team daran, chemische Reaktionen effizienter und umweltfreundlicher zu machen.

In diesem Zusammenhang sollen neue chemische Reaktionen entwickelt werden, bei denen keine Abfallprodukte anfallen: "Chemie ohne Verschwendung", wie es Maulide selbst formuliert. 2018 kam dann noch ein "Proof of Concept" des ERC dazu, mit dem konkret die chemische Synthese von Menthol verbessert werden soll. Dafür braucht man im Moment noch Metalle, die man sich womöglich ersparen kann.

Zudem arbeitet er unter anderem bereits seit 2011 an der Verbesserung der Chinin-Herstellung, wo es immer wieder knapp vor dem Ziel Rückschläge gegeben hat. "Aber auch das gehört dazu, auch wenn es mitunter frustrierend ist, so nah vor dem Ziel noch einmal von vorn anzufangen." In den letzten zwei Jahren hat Maulide – neben etlichen Veröffentlichungen in Top-Fachzeitschriften – freilich auch erste kommerzielle Erfolge in Form von zwei Patenten gelandet, eines für ein Verfahren, das die Herstellung von Fluoreszenzfarbstoffen erleichtert.

Diversität und Kreativität

Anregend seien dafür auch die Kooperationsmöglichkeiten mit Instituten der Medizinischen Universität Wien, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft seiner eigenen Fakultät in der Währinger Straße befinden. "Aber auch hier gilt, dass auch die Chemie zwischen den Personen stimmen muss", sagt Maulide, der selbst ein Team von 28 Forschern aus zwölf Ländern leitet. "Diversität ist mir sehr wichtig, denn das ist auch die Grundlage für Kreativität."

Dabei sei er in den letzten fünf Jahren in Österreich aber immer wieder an bestimmte bürokratische Grenzen gestoßen. Vor allem Talente aus Nicht-EU-Ländern hätten mit unnötigen Schikanen zu kämpfen. "Kürzlich hat eine Doktorandin aus China abgesagt, weil ihr der Aufwand zu groß war." Selbst bei Vierjahresverträgen mit der Uni Wien müssten die Forscher jedes Jahr ihr Visum verlängern. "Das ist hier sehr viel aufwendiger als in Deutschland."

Ideen zur Förderung von Forschung(svermittlung)

In Sachen Forschungsförderung der vielfach ausgezeichnete Forscher, der auch Fachreferent und damit Kuratoriumsmitglied beim Wissenschaftsfonds FWF ist, vor allem für eine dringende Aufstockung des FWF-Budgets. "Wir müssen nicht selten Projekte ablehnen, die als 'exzellent' begutachtet wurden", so Maulide. "Das ist für alle Beteiligten – die Gutachter, den FWF und die Projektantragsteller – einfach nur peinlich." Umgekehrt sieht er, dass deutsche oder schweizerische Projekte von den dortigen Fonds gefördert werden, die er selbst als Gutachter als nicht so exzellent einstufte. "Hier braucht es dringend einen Entwicklungsplan für die nächsten Jahre."

Einen gewissen Aufholbedarf sieht der frischgebackene Wissenschafter des Jahres aber auch bei der Wissenschaftsvermittlung. "Ein Problem dabei ist, dass man solche Vermittlungsaktivitäten und ihre Erfolge im Gegensatz zu Impakt-Faktoren, Zitationen oder auch eingeworbenen Drittmitteln schlecht messen kann." Womöglich brauche es auch dafür eine ganz neue Initiative, egal, ob die nun von oben kommt oder von den Wissenschaftern selbst. (Klaus Taschwer, 7.1.2019)