Der ehemalige NYTimes-Wissenschaftsjournalist Andrew Revkin in unmittelbarer Nähe des Nordpols. Wo der genau liegt, ist mit einem Kompass vor Ort nicht zu bestimmen: Das liegt auch daran, dass der magnetische Nordpol sich bewegt – so wie das Eis über dem geografischen Nordpol.

Andrew Revkin

Ganz im Norden unseres Planeten tun sich seltsame Dinge: Seit Mitte der 1990er-Jahre bewegt sich der magnetische Nordpol – wissenschaftlich exakter: der arktische Magnetpol – viel schneller als in den Jahrzehnten zuvor. Die letzten zwei Jahrzehnte war er mit rund 50 Kilometern pro Jahr, also immerhin mehr als 100 Meter pro Tag, von Kanada in Richtung Sibirien unterwegs. Im Moment dürfte er sich eher zufällig gerade im arktischen Meer in nächster Nähe zum geografischen Nordpol befinden.

Die Bewegungen des arktischen Magnetpols seit 1590.
Grafik: Cavit

Wohin und wie schnell sich der arktische Magnetpol weiterbewegt, ist aber unklar. Aus diesem Grund gibt es geringe Abweichungen bei Navigationsgeräten, was sich vor allem in hohen Breitengraden auswirken kann. Aber auch Navigationshilfen auf vielen Smartphones inklusive Google Maps dürften aus diesem Grund nicht mehr exakt stimmen, denn sie basieren vielfach auf dem sogenannten World Magnetic Model (WMM), das 2015 zum bisher letzten Mal erstellt wurde.

Dessen nächste Auflage war eigentlich erst für 2020 vorgesehen. Doch aufgrund der unvorhersehbaren Bewegungen des arktischen Magnetpols und des Erdmagnetfelds ganz generell hatten sich die Experten der Nationalen Ozean- und Atmosphärenbehörde (NOAA) der USA schon Anfang 2018 dazu entschlossen, bereits Anfang 2019 für eine aktualisierte Version des WMM zu sorgen.

Die Abweichungen des Erdmagnetfelds laut der letzten Analyse 2015.
Grafik: British Geological Survey

Diese Präsentation war bereits für vergangene Woche geplant, aber auch den Forschern kam Unvorhergesehenes dazwischen: der von US-Präsident Trump verursachte Shutdown der US-Bundesbehörden, von dem auch die NOAA betroffen ist.

Semistabiler Erdmagnetismus

Der Erdmagnetismus unseres Planeten wird hauptsächlich von Strömen flüssigen Eisens unterhalb der Erdkruste verursacht, die sich im Laufe der Zeit verändern. Das magnetische Feld ist einigermaßen stabil, dennoch kommt es immer wieder zu Umpolungen, sogenannten "Polsprüngen".

Bratislav Metulskie

Das dürfte in jüngerer Zeit im Mittel etwa alle 250.000 Jahre geschehen sein: Die letzte Polumkehr ist aber schon wieder einige Jahre her. Das war die sogenannte Brunhes-Matuyama-Umkehr vor 780.000 Jahren. Untersuchungen deuten darauf hin, dass die damalige Polumkehr sich innerhalb von nur rund 100 Jahren vollzog.

Ob wir uns womöglich wieder auf so eine Polumkehr hinbewegen, wurde in den vergangenen Jahren immer wieder diskutiert. Tatsache ist, dass es kurz nach der letzten Neukartierung im Jahr 2015 zu einem geomagnetischen Ausschlag unter Südamerika kam, der nicht von Modellrechnungen vorhergesagt, aber von Esa-Satelliten entdeckt wurde.

Gründe für die Wanderungen

Auch die Frage, warum sich der arktische Magnetpol zuletzt so schnell bewegte, ist unklar.

Das Tempo der Wanderungen des magnetischen Nordpols in den letzten gut 100 Jahren.
Cavit

Wissenschafter vermuten, dass hinter den dramatischen Veränderungen der vergangenen Jahre zum einen sogenannte "hydromagnetische Wellen" stecken könnten, die aus dem Inneren der Erde nach außen schwappen. Die schnelle Bewegung des arktischen Magnetpols könnte zudem mit einer besonders schnellen Strömung flüssigen Eisens tief unter Kanada zu tun haben. Aber deuten sie auch auf einen Polsprung hin?

Es gibt aber auch noch andere Spekulationen: Der Geophysiker Phil Livermore (Universität Leeds) vermutet hinter dem Phänomen des wandernden Pols zwei Magnetfeldflecken, von denen sich einer unter Sibirien und einer unter Kanada befindet. Auf diese Weise würde es eine Art "Tauziehen" geben – mit einem absehbaren Sieger: "Der sibirische Fleck gewinnt den Wettbewerb", sagte Livermore im Dezember auf einer Tagung der Amerikanischen Geophysikalischen Gesellschaft, wie das Wissenschaftsmagazin "Nature" berichtete.

Relativ geringe Abweichungen

Die Navigation ist durch dieses doppelte Tauziehen – einerseits zwischen den beiden Flecken und andererseits zwischen Trump und den Demokraten – vor allem rund um den Nordpol stark beeinträchtigt. In bewohnten Gebieten im hohen Norden hingegen liegen die Abweichungen bei unter einem Grad, sind also recht gering.

In Rohform liegen die neuen Daten übrigens schon vor, bereitgestellt vom British Geological Survey. Doch die Software, die eine Anwendung im Alltag erleichtert, wird von den US-Kollegen geliefert – was sich wegen der Regierungspause verspätet. Wenn es nach der NOAA geht, nur bis zum 30. Jänner. (Klaus Taschwer, 22.1.2019)