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Für Kathleen Richardson sind Sexbots sehr problematisch.

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In einer Zeit, in der Sexroboter bei der Consumer Electronics Show (CES), der größten Elektronikmesse der Welt, vorgestellt werden und in der Sprachassistenten wie Alexa, Siri und Konsorten immer anspruchsvoller werden, erscheint eine Realität, in der Sexroboter den zwischenmenschlichen Kontakt ersetzen, nicht weit entfernt. Für die britische Ethik- und Robotikforscherin Kathleen Richardson von der De Montfort University gleicht eine solche Zukunft jedoch eher einer Dystopie, die verhindert werden muss.

STANDARD: Sie sind dafür bekannt, sich der Entwicklung von Sexrobotern zu widersetzen. Warum eigentlich?

Richardson: Weil Produkte, selbst wenn sie in Form einer KI kommen, nicht mit Frauen austauschbar sind. Es gibt eine Bewegung, die menschliche Entfremdung und Einsamkeit normalisiert. Dazu kommt die sexuelle Ausbeutung von Frauen, was zu Gewalt gegen sie führt. Diese Probleme zeigen, dass Sexbots ein Zeichen des kontinuierlichen Hasses gegen Frauen und Mädchen sind.

STANDARD: Inwiefern unterscheiden sich Sexbots von Sexspielzeug? Wären sie aus Ihrer Sicht weniger problematisch, wenn sie als "reguläres" Masturbationsobjekt verkauft werden?

Richardson: Das ist ein gängiger Vergleich, aber es ist nicht dasselbe. Frauen, die Vibratoren kaufen, werden nicht dazu veranlasst, sie als Freund oder Ehepartner zu sehen. Oder Online-Profile zu erstellen, in denen sie Geschichten darüber erzählen, wie sie ihren Vibrator gekleidet haben.

STANDARD: Wieso ist das so?

Richardson: Aufgrund des Patriarchats werden Frauen als Objekte gesehen. Ihr sexuelles Vergnügen wird als nebensächlich oder irrelevant betrachtet. In einer Kultur, wo Gegenseitigkeit fehlt, entstehen Märkte, die auf egozentrische Sexpraktiken fokussiert sind. Ein Vibrator ist hingegen ein Objekt, das man gegen den Körper reibt.

STANDARD: Sie warnen, dass Sex durch Sexbots zurückgehen wird, und nennen Japan als Fallbeispiel. Was ist aus Ihrer Sicht dort das Problem?

Richardson: Japan durchläuft eine Krise der menschlichen Bindung. Die Entwicklung ist besorgniserregend. Dort gibt es eine große Sexindustrie, die von der fehlenden Fähigkeit der Männer lebt, eine Beziehung mit Frauen zu führen. Nur wenn eine Frau zum Objekt stilisiert wird, kann sich eine bedeutende Zahl an Männern mit ihr identifizieren.

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STANDARD: Durch Internetpornografie geht der Beischlaf ja bereits zurück. Was ist anders?

Richardson: Männer, die Sexbots besitzen, schauen genauso Pornos. Viele besuchen Prostituierte. Diese Puppen existieren nicht nur außerhalb des regulären Markts. Kunden kaufen Puppen und positionieren sie so, wie sie es in Pornos gesehen haben. So entsteht eine Kultur, in der Personen mit Eigentum in der Form von Robotern mit künstlicher Intelligenz (KI) gleichgesetzt werden. Meine Arbeit basiert auf einer Ethik gegen Sklaverei und dagegen, dass Menschen als Eigentum gesehen werden.

STANDARD: Der Markt ist aktuell sehr männerdominiert. Wird das Interesse von Frauen in Zukunft steigen?

Richardson: Das glaube ich nicht. Sie würden dazu motiviert werden müssen, tausende Dollar auszugeben und auf die Fähigkeit zur Empathie zu verzichten.

STANDARD: Ist fehlende Empathie aus Ihrer Sicht ein männliches Problem? Und: Werden Roboter mit der Entwicklung von künstlicher Intelligenz nicht irgendwann anspruchsvoll genug sein, um Empathie auszulösen?

Richardson: Roboter und KI sind nicht und werden nie so sein wie Menschen. Es wird möglich sein, ausgeklügelte Puppen zu entwickeln. Aber selbst ausgeklügelte Puppen sind nicht mit Menschen austauschbar. Empathie ist ein moderner Weg, um achtsam für Gegenseitigkeit zu sein. Wenn man Egozentrismus normalisiert, wie es in einer männlichen Kultur getan wird, entstehen egoistische Männer. Es geht um politische Macht in einer Gesellschaft, also ist es ein kulturelles, politisches und juristisches Problem, aber kein biologisches. Es wäre besser für uns alle, wenn wir in einer Kultur leben würden, die den Körper eines Menschen nicht zu einer sexuellen Ware macht.

STANDARD: Ihre "Kampagne gegen Sexroboter" spricht sich klar gegen die Entwicklung von Sexrobotern in Gestalt von Kindern aus. Unterstützer einer derartigen Idee argumentieren jedoch, dass damit sichergestellt werden könne, dass Kinderpornografie zurückgeht und Pädophile keinen echten Menschen mehr wehtun. Wie sehen Sie das?

Richardson: Dieses Argument wurde von Männern und "ethischen" Robotergruppen entwickelt, die überhaupt keine Verbindungen zu Organisationen gegen sexuellen Missbrauch von Kindern haben. Sämtliche derartige Einrichtungen sprechen sich dagegen aus. Da stellt sich die Frage, warum Akademiker sich dagegenstellen. Außerdem steht dieses Argument diametral zur UN-Kinderrechtskonvention.

STANDARD: Aus Ihrer Sicht also eine schlechte Idee.

Richardson: Der beste Weg, um erwachsene Männer davon abzuhalten, Kinder zu missbrauchen, ist, männliche Privilegien und den kommerziellen Sexhandel abzuschaffen und die Normen rund um Sex und Beziehungen zu ändern. Außerdem müssten die Rechte von Kindern, nicht jene von Erwachsenen, gefördert werden.

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STANDARD: Ein weiteres Argument für Sexroboter ist, dass sie Prostitution eindämmen könnten – in dem Sinne, dass keine echten, sondern nur mehr künstliche Frauen zu Objekten gemacht werden.

Richardson: Auch das ist Unsinn. Es gibt nun einen Markt für "Sexpuppen", die in Bordellen populär gemacht wurden. Prostitution und sexueller Missbrauch basieren auf Beziehungen zwischen Menschen. Es geht um Macht und um Grenzen – anders als bei Beziehungen zwischen Menschen und Objekten in ihrer Umwelt. Und die Beziehung zwischen Menschen ist etwas, was durch Politik und Gesetz angepasst werden muss, wenn die Gesellschaft sich verändern soll. Haben Sie sich nie gewundert, warum diese Akademiker nie sagen, dass wir Rassismus abschaffen können, indem wir Rassisten Roboter geben?

STANDARD: Was ist Ihrer Meinung nach die ideale Lösung? Würden Sie die Roboter komplett verbieten oder ihre Nutzung einschränken?

Richardson: Ich denke, wir sollten diese Kultur zur Verantwortung ziehen. Erstens sollte der kommerzielle Sexhandel abgeschaffen werden. Komplett. Stattdessen muss eine Beziehung der Gegenseitigkeit entstehen, die nicht auf illegaler oder kommerzieller Macht basiert. Zweitens sollten menschliche Qualitäten verbessert werden, indem das Narrativ, dass Menschen und Maschine gleich sind, abgelehnt wird. Meine Arbeit konzentriert sich auf beides.

STANDARD: Sie haben in der Vergangenheit davon gesprochen, dass Sie im Netz für Ihre Ansichten als "Feminazi" beschimpft werden. Wie erklären Sie sich das?

Richardson: Kritische Diskussion ist in einer Gesellschaft sehr wichtig. Personen nutzen abgekürzte Bezeichnungen für viele Dinge. Jene Menschen, die diesen Begriff gegen Feministen verwenden, verstehen die Politik der Nazis nicht. Beschimpfungen sind ein Weg für Menschen, die keine politischen Ideen haben, um den Standpunkt anderer zu unterdrücken oder herabzusetzen. Trotzdem: Ich bin für jede Art von Kommunikation, auch unangenehme, weil ich zwischen Sprache und Handlungen radikal unterscheide. Es sei denn, Sprache wird genutzt, um Schaden durch Gewalt zu verursachen. (Muzayen Al-Youssef, 23.1.2019)