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Unbesetzte Kassenstellen, lange Wartezeiten für Facharzttermine, Gemeinden ohne Hausärzte: Für SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner sind die Probleme in der Gesundheitsversorgung virulent, Österreich steuere auf einen akuten Ärztemangel zu.

Um ihre These zu untermauern, hat sich die frühere Gesundheitsministerin Unterstützung von Experten geholt und mit ihnen ein Konzept erarbeitet, um gegenzusteuern. Denn mit der Amtsführung ihrer Nachfolgerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) ist Rendi-Wagner naturgemäß gar nicht zufrieden, dieser sei das Problem des drohenden Ärztemangels anscheinend nicht bewusst, da der Ausbau der noch von Rendi-Wagner initiierten Primärversorgungszentren ins Stocken geraten sei. Um dem Thema Nachdruck zu verleihen, beruft die SPÖ am Dienstag eine Sondersitzung des Nationalrats ein und will eine dringende Anfrage an Hartinger-Klein stellen.

18.287 niedergelassene Ärzte gibt es derzeit in Österreich, 48 Prozent davon erreichen in den nächsten zehn Jahren das Pensionsalter. Bei den 7.099 Ärzten mit Kassenvertrag sind das sogar 55 Prozent, auch jetzt sind schon 39 Prozent aller Hausärzte älter als 60 Jahre.

Zu wenige Kinderärzte

Leo Chini, Leiter des Forschungsinstituts für freie Berufe an der WU Wien, befürchtet eine Versorgungslücke und spricht von einem "extremen Mangel in der Allgemeinmedizin". Obwohl Österreich laut OECD-Statistik eine sehr hohe Ärztedichte aufweise, müsse diese Zahl in Vollzeitäquivalente umgerechnet werden – von diesen gibt es derzeit in Österreich 31.000. Bis 2030 werde man aber 30 bis 40 Prozent durch die Pensionierungswelle verlieren. Nicht nur in der Allgemeinmedizin fehle der Nachwuchs, sondern auch in der Kinderheilkunde, betont Chini.

Auch wenn sich die Zahl der Ärzte insgesamt seit den 1960ern vervierfacht habe, sei die Zahl der Hausärzte mit knapp 3.800 stabil geblieben – obwohl die Bevölkerung wachse und älter werde, betont Florian Stigler von der Med-Uni Graz. "87 Hausarztstellen sind österreichweit unbesetzt", präsentiert Stigler die aktuellen Zahlen. Erschwerend für die Nachbesetzung sei laut Experten, dass die meisten Hausärzte Einzelkämpfer seien. Genau hier will Rendi-Wagner ansetzen und die Vernetzung unter den Medizinern und Teamarbeit mit anderen Gesundheitsberufen fördern. Der Ausbau der Primärversorgungszentren dürfe nicht ins Stocken geraten. Die SPÖ-Chefin stellt sich vor, dass diese wie eine "Ambulanz ums Eck" funktionieren.

Unterstützung bei Praxisgründung

Gleichzeitig fordert die ehemalige Gesundheitsministerin eine Digitalisierungsoffensive für Ärzte, damit die Patientenverwaltung effizienter gestaltet werden kann und Ärzte auch in der Lage sind, auf Patientendaten zuzugreifen, wenn sie einen Arzt aus der Nachbargemeinde vertreten. Sie hofft darauf, dass auch der elektronische Impfpass, den sie als Ministerin auf ihrer To-do-Liste hatte, endlich umgesetzt werde.

Auch die Prävention will sie verstärken, damit die Anzahl der chronisch Kranken zurückgeht. Um den Hausarztberuf attraktiver zu machen, will die SPÖ-Chefin auch bei der Ausbildung ansetzen, um die Begeisterung für den Beruf möglichst früh zu wecken, etwa durch Lehrpraxen. Aber auch nach dem Studium sollen Jungärzte bei der Praxisgründung unterstützt werden, und es sollte Anreize geben, damit diese auch in den ländlichen Bereich ziehen.

Keine Erhöhung der Studienplätze

Ob das auch in St. Valentin helfen würde, wo aktuell zwei von fünf Hausärztestellen nicht besetzt sind? Bürgermeisterin Kerstin Suchan-Mayr (SPÖ) berichtet, dass die verbliebenen Ärzte derzeit bis zu 120 Patienten am Tag betreuen. Dass sich diese zu einer Primärversorgungseinheit zusammenschließen könnten, bezweifelt sie. Ihre Ordinationen seien in ihren Privathäusern untergebracht. Das käme wohl eher für jüngere Ärzte infrage, sagt Suchan-Mayr.

Die vorgeschlagenen Maßnahmen würden auch erst in zehn bis 15 Jahren greifen, wirft Rendi-Wagner ein, und seien nicht als kurzfristig Lösung gedacht. Eines steht für sie jedenfalls fest: Die Erhöhung der Anzahl der Studienplätze allein reiche als Maßnahme nicht. (Marie-Theres Egyed, 23.1.2019)