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Juan Guaidó erklärte sich zum Interimspräsidenten Venezuelas.

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Zahlreiche Menschen demonstrierten in Venezuela gegen Nicolás Maduro.

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Bis vor kurzem war Juan Guaidó den meisten Venezolanern unbekannt. Heute ist der ehemalige Studentenführer selbsterklärter Interimspräsident des südamerikanischen Erdölstaates und damit der prominenteste Oppositionelle, der Präsident Nicolás Maduro die Stirn bietet. Am 5. Jänner wurde er zum Parlamentspräsidenten gewählt, nachdem alle anderen Führungsfiguren der bürgerlichen Rechten verschlissen oder inhaftiert worden waren. Maduro glaubte, mit dem 35-jährigen "naiven Jüngling" ein leichtes Spiel zu haben. Doch am Mittwoch dürfte er ziemlich überrascht worden sein: Da stand nämlich ein ruhiger, selbstbewusster Guaidó in Jeans, Hemd und dunkelblauem Sakko in Caracas auf der Tribüne und ließ sich vor Zehntausenden als Interimspräsident "vereidigen".

Ein gewagter Schachzug, augenscheinlich abgestimmt mit den rechten Regierungen des Kontinents (USA, Kolumbien, Brasilien und andere), die ihn sofort anerkannten. Aber trotzdem riskant: Das Oberste Gericht hatte kurz zuvor die Staatsanwaltschaft angewiesen, Usurpatoren mit voller Härte des Gesetzes zu verfolgen. Und Guaidó weiß, was das bedeutet: Exil oder Haft. Nach der Proklamation tauchte er erst einmal unter, schickte aber weiterhin Tweets.

Studentenbewegung

Im Gegensatz zu vielen anderen Führungsfiguren der Opposition, die der wirtschaftlichen Elite des Landes angehörten, ist Guaidó Sprössling einer Mittelschichtsfamilie aus der Küstenprovinz Vargas. Einer seiner Großväter war Offizier. Er ist das älteste von sechs Geschwistern. Politisch aktiv wurde er während seines Studiums der Ingenieurswissenschaften an der Katholischen Universität Andrés Bello. Dort schloss er sich der Studentenbewegung an, die 2007 mit weiß bemalten Handflächen gegen die Schließung des TV-Senders RCTV demonstrierte.

In der Studentenbewegung ließ er charismatischeren Figuren den Vortritt. Er selbst denkt eher pragmatisch und formuliert trocken, ein Volkstribun ist er nicht. Trotzdem kämpfte er für seine Überzeugungen – auch bei den Protesten gegen eine Verfassungsänderung, die die unbegrenzte Wiederwahl von Präsident Hugo Chávez ermöglichen sollte. Es war die einzige Niederlage von Chávez bei einer Abstimmung. Die Studenten zogen damals durch die chavistischen Armenviertel und suchten den Dialog mit Regierungsanhängern. In Washington studierte Guaidó Verwaltungswissenschaften.

Guaidó, der mit einer Kommunikationswissenschafterin verheiratet ist und eine kleine Tochter hat, gehört zu den Mitbegründern der konservativen Partei Voluntad Popular unter Führung des mittlerweile unter Hausarrest stehenden Oppositionschefs Leopoldo López. 2015 wurde er zum Abgeordneten gewählt. Guaidó fuhr in Vargas – bis dahin eine Hochburg der Regierung – einen klaren Sieg ein. Es war sein erster politischer Posten. Im Haushaltsausschuss befasste er sich vor allem mit Korruptionsuntersuchungen gegen Regierungsmitglieder. Privat hört er gerne Salsa und ist ein großer Baseballfan, dessen Fachvokabular er gerne für politische Metaphern heranzieht. (Sandra Weiss, 24.1.2019)