Von Schönheit träumen viele, vor allem davon, wie man sie machen kann. Zumindest lässt das die kilometerlange Schlange vor der Halle D im Wiener Messezentrum vermuten. Als "coolste Location Wiens" haben die Veranstalter die Hallen bei der U-Bahn-Station Krieau angepriesen. Am Samstag war es dann doch sehr kalt, grau und trist. "Wir stehen schon seit zwei Stunden hier an", sagt eine Mutter, die mit ihren drei Töchtern extra aus Innsbruck angereist ist. Sie haben eine Gold-Karte um 50 Euro gekauft und sind schon ein wenig ungeduldig. Die Platin-Besucherinnen durften nämlich schon rein. Der Erfinder dieser Veranstaltung – die Shine Convention GmbH in Berlin – weiß, wie man das Publikum in verschiedenen Kategorien einteilt, als Platin-Member fühlt man sich richtig gut.

Lisa-Marie Schiffner, eine der erfolgreichsten Influencerinnen: "Ich nehme die Zuschauer mit in meinen Alltag."
DER STANDARD

"4.000 Karten waren innerhalb von wenigen Stunden weg", sagt Jakob Hirsch vom Veranstalter DM Drogeriemarkt, dem Hauptsponsor der Veranstaltung in Wien. Die Glow, sagt er, gibt es seit 2016 und wird dort von DM Deutschland unterstützt. Wo sie eine derart erfolgreiche Veranstaltung wurde, dass DM sie nun auch nach Österreich geholt hat. Was das Tolle ist: Die Beauty-Stars von Youtube und Instagram, also die mit den meisten Followerinnen, sind live vor Ort. Und ganz offensichtlich ist das ein Publikumsmagnet.

Geduldige Schlangen

Drinnen in den Hallen sieht es erst einmal aus wie in einem großen Drogeriemarkt. Statt in Regalen sind die Produkte der großen Kosmetikmarken auf Messeständen inszeniert. Die Musik ist ohrenbetäubend, es riecht nach Pizza, Popcorn und Frittenfett – und was sofort auffällt: Überall stehen Schlangen von jungen Mädchen an, "weil ihr hier etwas erleben könnt", wie ein Moderator gerade ins Mikrofon schreit.

Selfie, Selfie, Selfie! Das Handy ist aber auch ein Spiegel.
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Die Besucherinnen, zu 98 Prozent Mädchen, wollen Gewinnerinnen sein. Auf fast jedem Stand steht ein Glücksrad, an dem für ein paar Produktproben gedreht werden kann. Und da stehen die ab Zehnjährigen dann geduldig, mit oder ohne Mamas, und warten, dass sie drankommen. Wie die meisten hier aussehen: lange, frisch gewaschene Haare, zerfetzte Jeans und auffällige Turnschuhe. "Es ist Wahnsinn, ich wusste nicht, wofür sich meine beiden Töchter so interessieren", sagt Otto. Er ist da, weil die beiden noch zu jung sind, um alleine kommen zu dürfen. Nicht nur Eltern, auch die Marketingexperten anderer Marken sind gekommen und staunen, dass man hier die Zielgruppe ab zehn Jahren erreichen kann.

Es sind drei Dinge, die die Mädels hier auf der Glow attraktiv finden. Zum einen kann man sich gratis verschönern lassen: Auf den Ständen werden Nägel lackiert, Haare wellig gemacht oder Make-ups aufgetragen. Damit verbunden sind stets Produktempfehlungen, die von den Mädchen durstig eingesaugt werden.

Überall Goodies

Noch toller als die Tipps ist jedoch die Tatsache, dass es überall Geschenke gibt. Die Angst, bei den Glücksrädern leer auszugehen, ist unbegründet – zumindest eine Probe springt immer heraus. Schnell werden sie in die Rucksäcke gesteckt. "Es zahlt sich von den Produkten her, die man kriegt, echt aus", sagt die 16-Jährige Tanja, die bereits mit drei vollen Sackerln zur Haupttribüne unterwegs ist.

Geschenke heißen Goodies. Und die gab es auf der Glow massenweise.
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"GlowStage" heißt diese Zone, die der dritte große Anziehungspunkt auf der Messe ist. Dort üben die Mädchen mit einem Einpeitscher gerade das Applaudieren. "Könnt ihr auch richtig laut schreien?", fragt er. "Wenn ihr noch lauter schreit, bekommt ihr Goodies. Wer will welche?", ruft er und geht mit einem Korb voller Wimperntuschen, Rasierapparate und Lidschatten los. Unzählige Hände recken sich aus der vordersten Reihe vor der Bühne, und plötzlich klappt das auch mit dem Schreien ganz gut. Es hagelt Goodies – und die elfjährige Madonna aus Meidling darf auf die Bühne und dort sagen, dass sie gerne in Wien lebt und "die Glow toll findet".

Influencerinnen in Realität

Doch dann kommen die Hauptacts. Candy Crash aus Berlin und Kim Lianne aus Wien zum Beispiel. Sie sind die Moderatorinnen und stellen die österreichischen Influencerinnen vor. Es sind jene Mädchen um die 20 Jahre, die einen Kanal auf Youtube betreiben und ihren Instagram-Account so gut gefüttert haben, dass sie mit Werbung dort ihr Leben verdienen können. Die meisten filmen aus ihren Kinderzimmern – und die, die im Publikum sind, wissen alles über ihre Stars auf der Bühne. "Es ist super, dass wir die Leute in echt hier alle treffen können", sagt Kim Lianne, und dann wird ein bisschen über den Wiener Dialekt ("Oida ist ein cooles Wort") geredet und darüber, wie höflich alle sind.

Raffas Plasticlife und Candy Crash: Ob Mann oder Frau – Hauptsache glamourös.
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Dann aber holen sie die größten österreichischen Influencerinnen auf die Bühne. Lisa-Marie Schiffner aus die Tirol zum Beispiel oder Doina Barbaneagra, Chany Dakota oder Tina Neumann. Alle sagen, wie sehr sie sich freuen, hier auf der Glow zu sein, dass sie Influencerinnen sind, weil sie es echt gerne machen, "weil sie Lust drauf haben und immer das Beste geben". Dann geht das Mikrofon ins Publikum. "Schminkt ihr euch jeden Tag?", "Was ist euer Lieblingsprodukt?", "Tragt ihr lieber hohe oder flache Schuhe?", fragen kleine Mädchen und sind offensichtlich sehr aufgeregt.

Selfie-Welt

Die Influencerinnen, die da oben auf der Bühne sitzen, sind ja ihre Freundinnen, sie treffen sie jeden Tag auf Youtube oder Instagram und kennen jedes Detail aus dem Leben ihrer Ikonen. "Tina, ich liebe dich", sagt eine vielleicht Zehnjährige fast weinend zu Tina Neumann, die mit Zopf und Sweatshirt eine eher burschikose Erscheinung abgibt. Doch auch sie will so erfolgreich wie die 17-jährige Lisa-Marie Schiffner werden mit einer Million Follower auf Youtube, einem Manager und auch schon Starallüren. "Ich bin Creatorin, wenn ich ein Selfie mache, dann kann es Stunden dauern, bis es perfekt ist", sagt sie. Apropos Selfie: Auf der Glow gibt es überall Photo Opportunities: meistens romantische Schaukeln oder Blumenkränze, vor denen man sich ablichten kann. Und ja, in die ganz exklusive Zone, also dorthin, wo man ein Selfie mit seinem persönlichen Star machen kann, kommt man nur auf Einladung – die musste man sich im Vorfeld organisieren.

Ein Foto von der Lieblingsinfluencerin: Die Mädchen treffen sie jeden Tag online, auf der Glow erstmals in Wirklichkeit.
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"Wie lange brauchst du für deine Haare?", fragt ein Mädchen im Publikum die schöne Lisa-Marie Schiffner. "Nicht lange, ich habe da meine Routine", sagt sie und wirft sich ihre nahezu hüftlange gewellte Mähne über die Schulter. Sie wird demnächst mit ihrem Freund Moritz von Tirol nach Köln übersiedeln – und ist "megaaufgeregt".

Sich selbst produzieren

Worüber alle Influencerinnen gerne reden, ist Technik. Bilder bearbeiten mit Facetune, um "auch mal einen Pickel wegzubekommen". Für Youtube und Instagram brauche man auch unterschiedliche Strategien ("Beauty-Tipps eher auf Youtube und Style eher Instagram"), und die meisten wollen schon bald eigene Produkte auf den Markt bringen ("Ich liebe deine Lidschattenpalette", ruft Candy Crash auf der Bühne der Social-Media-Queen Kisu), und ob Insta-TV wirklich eine Konkurrenz für Youtube werden wird, wollen alle erst mal abwarten. Als Influencerin muss man sein Fach beherrschen, und alle wollen es machen, "solange es eben geht", aber nur, wenn sie "Bock darauf haben" oder "sich danach fühlen".

Vor dem Red Carpet: Auf der Bühne sind die Stars.
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Mit diesem Grundsatz ist auch Raffas Plasticlife in den sozialen Medien unterwegs. "Ich mag es urdramatisch, sage einfach Sachen, die provozieren", sagt sie und hat damit ihre Followerzahl massiv gesteigert. Oder der Deutsche Tobias Wolf, der zusammen mit seiner Frau Maren Beauty und Autos in seinem Youtube-Kanal verbindet und da auch eine Verantwortung sieht, "gegen Alkohol am Steuer", sagt er, das mache er oft zum Thema.

"Mit welcher technischen Ausstattung arbeitet ihr?", kommt eine Frage aus dem Publikum. "Eigentlich nur mit dem Handy", sagen die Influencerinnen unisono. Mehr brauche man nicht. Apropos Handy: Ohne war kein einziges Mädchen auf der Glow unterwegs. Filmen, Selfies machen, Termine abfragen, die Freundin suchen – Smartphones ersetzen auch den Spiegel.

Geschenke sammeln: Der Beauty-Rollkofer war einer der Hauptgewinne. "Den will ich auch haben", rief Moderatorin Candy Crash von der Bühne.
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"Wer ist die Schönste im ganzen Land?" Irgendwann haben dann fast alle Locken, Glitzer in den Haaren und ein professionelles Make-up. In der Nachbarhalle der coolsten Location Wiens findet übrigens die Hochzeitsmesse "Trau dich" statt. Dort war der Andrang wesentlich geringer. (Karin Pollack, 28.1.2019)