Libyens Regierungschef al-Serraj zu Besuch bei Bundeskanzler Kurz. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen traf er.

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Wien – Der libysche Regierungschef Fayez al-Serraj machte bei seinem Besuch in Wien am Montag deutlich, dass seine größte Hoffnung in der wiedererstarkenden wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Europa liegt.

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Der Chef der international anerkannten "Regierung der nationalen Einheit", der im zerrütteten Libyen nur einen Bruchteil des Landes unter seiner Kontrolle hat, bittet die europäischen Unternehmen, in das ölreiche Libyen zurückzukehren. In Österreich meint er damit konkret die OMV, die sich temporär aus dem unstabilen Land zurückgezogen hat. In Wien gab es aber auch Gespräche mit dem Gesundheitsdienstleister Vamed oder dem Fruchtsafthersteller Rauch.

Aus österreichischer wie europäischer Sicht ist Libyen vor allem als Haupttransitland der "Mittelmeerroute" von Afrika nach Europa relevant. Die Zusammenarbeit zu diesem Thema gestaltet sich aber für die Europäische Union schwierig, was an der unklaren politischen Situation im Land liegt. Um die Macht im Land kämpfen neben zahlreichen Rebellengruppen und Jihadisten zwei rivalisierende Regierungen. Der abtrünnige General Khalifa Haftar und seine Gegenregierung kontrollieren den Osten des Landes. Eine von der Uno vorbereitete "Nationale Konferenz" soll nun einen Dialog zur politischen Zukunft Libyens initiieren. Es ist ein neuerlicher Versuch, das historisch zerrissene Land zu stabilisieren, der auf lange ausständige Wahlen hinausführen soll.

Menschenrechtsverletzungen

Die Menschenrechtslage im Land gilt als äußerst problematisch. Die deutsche NGO Sea Watch berichtete erst am Wochenende wieder von Folteropfern unter den aus Libyen kommenden Migranten. In den libyschen Flüchtlingslagern, in die am Mittelmeer aufgegriffene Migranten automatisch zurückgebracht werden, passieren noch immer zahlreiche schwere Menschenrechtsverletzungen wie Vergewaltigungen oder Versklavungen.

Angesichts der derzeitigen Umstände in den Lagern sollten Flüchtlinge nach seiner Ansicht "nicht dorthin zurückgeschickt werden", machte Bundespräsident Alexander Van der Bellen nach seinem Arbeitsgespräch mit Serraj klar. Er sei sich darüber mit dem Libyer einig, dass die Lage "möglichst rasch verbessert" werden müsse. Trotzdem wies Serraj Kritik an den Zuständen als "unangebracht" und "inakzeptabel" zurück. "Jene Länder, die sich um die Migranten in den Internierungslagern sorgen, rufen wir auf, direkt zu helfen – sie in ihre Länder zu holen oder bei den Rückführungen zu helfen", betonte der 58-Jährige gegenüber der APA.

Bundeskanzler Kurz sicherte der Regierung von Serraj zumindest Unterstützung beim Ausbau der Küstenwache zu, sowohl im Rahmen des europäischen Grenzschutzes als auch auf bilateralem Weg. Aus österreichischer Sicht könnte man zur technischen Ausstattung und Ausbildung der Küstenwache beitragen. Insbesondere von der verbesserten Arbeit der Küstenwache profitiere ganz Europa "unmittelbar". Ansonsten solle man die libysche Küstenwache ihre Arbeit machen lassen. (mhe, 28.1.2019)