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Juan Guaidó bei Anti-Maduro-Protesten vor einem Krankenhaus in Venezuelas Hauptstadt Caracas.

Foto: REUTERS/Carlos Garcia Rawlins

Nicolás Maduros Venezuela wird, früher oder später, fallen; dann kommt Daniel Ortegas Nicaragua dran; schließlich müsste auch das sozialistische Kuba, oder was davon übrig ist, aufgeben. Somit Sieg für ein einheitlich liberalistisches Lateinamerika, das mit den USA Arm in Arm marschieren will.

Davon hat Marco Rubio jahrelang geträumt. Nicht heimlich, sondern immer wieder es bekennend in seinen täglichen Twitter-Kommentaren. Jetzt könnte sein Grand Design für ein reformiertes, mit den USA kooperierendes Lateinamerika aufgehen.

Offene Flanke

Marco Rubio, Sohn exilkubanischer Eltern, katholisch, bürgerlich verheiratet, mit zwei Töchtern und zwei Söhnen, Anwalt. "An American Son" betitelt er eine seiner Selbstbeschreibungen. Derzeit agiert er als republikanischer Senator von Florida, der sich 2016 auch schon einmal um die US-Präsidentschaft beworben hat. Zu früh für ihn, aber er nützt seine Miami-Position, um Präsident Donald Trump in Sachen Lateinamerika derart exklusiv zu beraten, dass die "New York Times" ihn als heimlichen Außenminister für die Amerikas einstuft.

Trump zeigt an Lateinamerika kaum Interesse. Deswegen kann Rubio als Ohrenbläser diese offene Flanke für eigene Vorstellungen nützen. Seine Position: den Subkontinent von den unbotmäßigen Staaten – Venezuela, Nicaragua, Kuba – befreien, und zwar ohne direkte Intervention seitens der Vereinigten Staaten! Deswegen stieg der junge Juan Guaidó, im Hintergrund mit Senator Rubio in Kontakt, die Aufwertung vom Vorsitzenden der Konstituante zum selbsternannten Interimspräsidenten wagend, zum idealen Partner in diesem Spiel auf.

Wie allgemein bekannt, verdiente der Erdölstaat Venezuela ursprünglich massiv Geld, welches Hugo Chávez immerhin für interessante Sozialprojekte nützte, während anschließend sein tollpatschiger Nachfolger Maduro den Reichtum in Korruption, Vetternwirtschaft und Hilfszahlungen an Kuba und Nicaragua vergeudete. Im Tausch erhielt Maduros Venezuela Anerkennung seitens der revolutionären Welt, und Kuba schickte tausende Ärzte und noch mehr militärische Sicherheitsberater. Letztere garantieren in Venezuela wie auch in Nicaragua den inzwischen despotisch agierenden Präsidenten das Überleben.

Scheidet Venezuela mit Maduros Rücktritt aus dieser Dreierliaison aus, fallen die Erdölsubventionen weg, intensiviert sich in Nicaragua der Verschleiß, während Kuba auf die Notsituation der 1990er zurückfallen würde. Bei gleichzeitigem politisch-diplomatischem Druck aus Lateinamerika und bei Verschärfung der Sanktionen aus den USA – seit ein paar Tagen den venezolanischen Erdölkonzern PDVSA lähmend – könnte mit Maduros Rücktritt der erste Springer auf dem Schachbrett fallen. Nicaragua würde früher oder später folgen. Kuba wäre wieder traumatisch isoliert und könnte, 60 Jahre nach Beginn der Revolution, daran zerbrechen.

Diplomatischer Todeskuss

Frühere Versuche der bürgerlichen Opposition gegen Chávez/ Maduro setzten immer auf direkte Unterstützung seitens der USA, was ein Scheitern automatisch nach sich zog. Ein gewiefter Rubio in Miami weiß, dass eine grobe diplomatische Initiative oder gar eine militärische Drohung seitens Washingtons (5000 US-Soldaten nach Kolumbien) erneut den Todeskuss brächte. Maduro würde nicht zurücktreten, sondern sich eingraben. In Caracas könnte Blut fließen, und es würde einmal mehr der antiimperialistische Nationalismus der Latinos explodieren.

Nach dieser Logik müssten die beiden potenten Freunde Venezuelas, Russland und China, reagieren. 1914 mit seiner Bündnisautomatik lässt grüßen. Über Nacht hätten wir eine bösartige internationale Krise in der Karibik. (Gerhard Drekonja-Kornat, 1.2.2019)