Sorgt mit einer vielschichtigen Frauenfigur für Aufsehen: Valerie Pachner als Unternehmensberaterin in Marie Kreutzers neuem Film.

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Diese Lola rennt nicht, sondern sie läuft wie geschmiert. In Meetings findet sie stets die richtigen Worte, von Gefühlen lässt sie sich nicht aus dem Konzept bringen. Die junge Frau aus Österreich ist eine zielorientierte Unternehmensberaterin. Für eine deutsche Firma, die darauf spezialisiert ist, andere Unternehmen fit zu machen. Wenn andere Leute ihre Jobs verlieren, geht das auch auf ihre analytischen Fähigkeiten zurück. Da sieht man lieber geradeaus als zur Seite.

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Sex und kleine Eskapaden

Ertüchtigung und Effizienz sind deswegen in Lolas Leben unabdingbar. Regisseurin Marie Kreutzer zeigt Lola in Der Boden unter den Füßen immer wieder beim Training, ob im Gym oder joggend auf der Straße. Für Privatleben bleibt keine Zeit, sieht man einmal von der Affäre Lolas mit ihrer Vorgesetzten Elise (Mavie Hörbiger) ab, die sich hauptsächlich auf Sex und kleine Eskapaden in Hotelzimmern beschränkt.

Gerade weil sie so funktionieren muss, ist Lola ein herausfordernder Part. Gespielt wird sie von der Oberösterreicherin Valerie Pachner, deren "Probierfräulein" Wally für viele das Beste am Künstlerfilm Egon Schiele: Tod und Mädchen war. Die 31-Jährige wurde dafür mit dem Österreichischen Filmpreis ausgezeichnet. Mit Kreutzers Film ist sie nun in den Wettbewerb der am Donnerstag beginnenden Berlinale geladen, und so viel lässt sich jetzt schon sagen: Pachner wird mit dieser Frauenfigur, die auch gegen sich selber kämpft, mit Sicherheit von sich reden machen.

Für die Schauspielerin, die bis 2017 am Residenztheater von Martin Kušej wirkte, war die Welt von Unternehmen unbekanntes Terrain: "Man kann da ja nicht als Maus hineinspazieren", erzählt sie im Gespräch. Sie hat dann aber gleich eine ungewöhnliche Inspirationsquelle parat: "Mein erster Kontakt geschah lustigerweise beim Urlaub in Thailand, als ich schon wusste, dass ich diese Rolle spielen werde. In einem recht abgefuckten Backpackerhotel hab ich viele Unternehmensberater kennengelernt. Die waren in meinem Alter und sind alle ausgestiegen. Sich mit ihnen zu unterhalten, das war eigentlich am hilfreichsten."

Selbstoptimierung

Diese hätten ihr vermittelt, dass sich selbst Insider keine Illusionen über ihren Beruf machen. Man weiß Bescheid, spielt einfach mit. Kapitalistisches Denken würde so rigoros durchexerziert, dass es von einem zur Gänze Besitz ergreift. Dass Frauen in diesem Milieu noch stärker gefordert werden, liegt nahe. Doch der Genderaspekt scheint für Pachner so selbstverständlich, dass sie sich gar nicht lang damit aufhält.

Klar, sagt sie, vor 20 Jahren wäre diese Rolle noch die eines Mannes gewesen. Dass dies nun anders sei, entspreche eben der veränderten Realität. Und was die lesbische Beziehung anbelangt? "Das war für das Psychogramm der Figur interessant. Dadurch kommt dieses Prinzip des Ich-will-so-sein-wie-du stärker zur Geltung. Diese Spiegelkonstruktion wird verstärkt." Die Frage von Selbstoptimierung und Selbstverlust behandelt Der Boden unter den Füßen noch in einem weiteren Sinn. Denn Lola ereilt der Hilferuf ihrer depressiven Schwester Conny (Pia Hierzegger), was in ihrem präzis getakteten Dasein Irritationen erzeugt.

Die harte Schale des Arbeitstiers erhält Sprünge. "Ich hatte mit Marie schnell ein Einverständnis darüber, wie die Figur sein soll", erzählt Pachner. "Obwohl man eine gewisse Abneigung gegen diese Figur haben kann – ich zumindest hatte sie –, erlaubt sie auch Mitgefühl und Verständnis." Nach Filmen Was hat dich bloß so ruiniert? und Gruber geht mit deren Fokus auf Bobo-Lebensentwürfe will sich Kreutzer nun als Autorenfilmemacherin profilieren.

Alte Liebe rostet nicht

Für Pachner wird die Berlinale-Premiere am kommenden Samstag aller Voraussicht nach nicht der einzige Festivalauftritt in diesem Jahr bleiben. Bereits länger abgedreht ist der neue Film von Terrence Malick (The Tree of Life), in dem sie die Frau des österreichischen Kriegsdienstverweigerers und Widerstandshelden Franz Jägerstätter verkörpert.

"Eine wundervolle Erfahrung", so Pachner über die Arbeit mit dem US-Regisseur, dessen improvisationsbetonter Arbeitsstil ihr entgegenkommt. Diesmal hat es sogar ein Drehbuch gegeben – gehalten hat sich Malick nicht unbedingt daran: "Man konnte sich recht unbelastet durch diese Welt bewegen."

Liebe zum Theater

Für Pachner wird es ein Filmjahr – demnächst dreht sie ein Kingsman-Sequel an der Seite von Ralph Fiennes -, doch vom Theater will sie sich deshalb nicht loslösen. "Diese Liebe wird nicht aufhören", da ist sich die Schauspielerin sicher.

Als Elisabeth ist sie zurzeit noch in Glaube, Liebe, Hoffnung am Residenztheater zu sehen. Ob es bald auch einmal das Burgtheater unter Kušej sein wird? Eine Versuchung sei dies allemal, es habe auch schon Gespräche gegeben. "Nur dieses Jahr", sagt Pachner, "geht sich das nicht aus. Hint' und vorn nicht." (Dominik Kamalzadeh aus Berlin, 7.2.2019)