Bregenz/Dornbirn – Der 34-jährige Tatverdächtige hat den 49-jährigen Leiter der Sozialabteilung der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn (BH) offenbar wegen noch nicht erfolgter Grundversorgungszahlungen erstochen. Am 18. Jänner stellte er als angeblicher Kurdenkämpfer in Thalham in Oberösterreich einen Asylantrag und reiste privat nach Vorarlberg weiter, wo sein Bruder lebt. In den Folgetagen wurde der Mann mehrfach auf der BH Dornbirn vorstellig, weil er Grundversorgung für Asylwerber erhalten wollte. Da die Unterlagen aus seiner Wohngemeinde Lustenau noch nicht eingetroffen waren, wurde er abgewiesen. Bereits bei diesen Besuchen hatte sich der 34-Jährige laut Bezirkshauptmann Helgar Wurzer "ziemlich aggressiv" verhalten. Deswegen war der 34-Jährige am 23. Jänner, am Freitag vergangener Woche und am Mittwoch vorstellig geworden.

Bericht des ORF
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Am 23. Jänner habe man dem 34-Jährigen erklärt, dass er die Grundversorgung in der Wohnortgemeinde beantragen müsse. Anschließend würden die Unterlagen an die Bezirkshauptmannschaft übermittelt. Am Freitag vergangener Woche sei der Mann erneut an der BH aufgetaucht, bereits damals war er laut Wurzer "ziemlich aggressiv" und habe gefragt: "Wo ist das Geld?"

Unterlagen fehlten

Da die Unterlagen aus Lustenau noch nicht eingetroffen waren, musste der 34-Jährige unverrichteter Dinge abziehen. Am Mittwoch schließlich sei der Mann direkt in das Büro des Sozialamtsleiters vorgedrungen und habe wieder nach dem Geld verlangt. Dabei sei dem 34-Jährigen zugesichert worden, dass die Angelegenheit noch am selben Tag – also am Mittwoch – erledigt werde.

Daraufhin verließ der wieder renitent auftretende Mann die BH, um nur eine halbe Stunde später, gegen 15.15 Uhr, mit einem Küchenmesser zurückzukommen. Dort stach er nach einer lauten Auseinandersetzung mehrfach auf den 49-Jährigen ein. Der 49-Jährige wurde bei dem Angriff so schwer verletzt, dass er noch an Ort und Stelle verstarb.

Mitarbeiterin rief Polizei

Eine Mitarbeiterin im Vorzimmer des Sozialamtsleiters, die die Schreie hörte, alarmierte unverzüglich die Polizei. Wenig später wurde der geflüchtete 34-jährige Verdächtige im Bereich der WC-Anlagen des Kulturhauses Dornbirn festgenommen. Das Messer hatte er am Tatort zurückgelassen.

In Dornbirn laufen die Ermittlungen der Polizei nach Ermordung eines Mitarbeiters der Bezirkshauptmannschaft.
Foto: APA/MAURICE SHOUROT

"Wir stehen alle unter Schock", sagte dazu Wurzer. Das tragische Ereignis beschäftige alle Mitarbeiter der BH Dornbirn, speziell natürlich jene, die den 49-Jährigen gut kannten bzw. jene, die die Tat in unmittelbarer Nähe miterlebten. "Wir sind sehr froh, dass Polizei, Notarzt und Rettung sofort da waren", bedankte sich Wurzer. Das Kriseninterventionsteam stand und steht allen BH-Mitarbeitern zur Verfügung, außerdem bot das Land zusätzliche psychologische Betreuung an. "Uns geht es schlecht", so Wurzer, der noch am Mittwochabend die Lebensgefährtin des 49-Jährigen besuchte.

Opfer hatte Aufenthaltsverbot verhängt

Bei dem 49-jährigen Opfer handelt es sich um den Leiter des Sozialamts. Die Vorarlberger Polizei bestätigte Donnerstag entsprechende Medienberichte. Laut "Vorarlberger Nachrichten" handle es sich bei dem Mordopfer um jenen Beamte, der vor zehn Jahren das Aufenthaltsverbot des illegal zurückgekehrten mutmaßlichen Täters unterschrieben hatte.

Die Ermittler im Fall der Tötung des Sozialamtsleiters der BH Dornbirn gehen von "kaltblütigem Mord" aus. Der Tatverdächtige habe in seiner ersten Einvernahme "keinerlei Reue" gezeigt, erklärte Norbert Schwendinger vom Landeskriminalamt. Der 34-Jährige habe sich bei seiner Attacke auch selbst an der Hand verletzt und sei noch am Mittwochabend operiert worden. Über ihn wird Untersuchungshaft verhängt werden.

Türkischer Staatsbürger

Bei dem 34-jährigen Asylwerber handelt es sich um einen in Dornbirn, Vorarlberg, geborenen Mann. Weil seine Eltern beide die türkische Staatsbürgerschaft hatten, erhielt der Verdächtige diese ebenfalls. Schon mit 14 Jahren soll der Beschuldigte seine erste Anzeige erhalten haben. Gegen den Mann wurde nach zahlreichen Delikten 2009 ein Aufenthaltsverbot erlassen.

In seinem Strafregister sollen laut eines Berichts des "Kuriers" auch Anzeigen wegen Einbruchs, Diebstahls und Suchtmittelhandels, Widerstands gegen die Staatsgewalt und schwerer Körperverletzung zu finden sein. Zwischen 1999 und 2008 soll er sich mehrmals in Haft befunden haben. 2010 reiste der Mann schließlich aus, heuer kam er illegal zurück, offenbar per Lkw mit einem Schlepper. Er stellte am 7. Jänner in Thalham einen Asylantrag und reiste privat nach Vorarlberg.

Nach Rückkehr bei Familie untergekommen

Die Vorarlberger Behörden lehnten aufgrund des aufrechten Aufenthaltsverbots eine Übernahme in die Grundversorgung ab. Er kam jedoch privat innerhalb seiner Familie, die in Vorarlberg lebt, unter. Der Bruder des Mannes lebe mit seiner Familie im Land.

Auf die Frage, warum der Mann trotz aufrechten Aufenthaltsverbots nicht, wie in solchen Fällen üblich, an Ort und Stelle in Schubhaft genommen und in die Türkei zurückgebracht worden sei, verwiesen die Vorarlberger Ermittler auf das Innenministerium und das Bundesamt für Asyl- und Fremdenwesen.

Der 49-Jährige wurde so schwer verletzt, dass er noch an Ort und Stelle starb.
Foto: APA/MAURICE SHOUROT

In seinem Asylverfahren soll der 34-Jährige angegeben haben, als Kämpfer auf kurdischer Seite gegen türkische Soldaten gekämpft zu haben.

Ausgebildeter Polizist

Der Getötete stammt aus Lustenau und war ausgebildeter Polizist, bevor er zur Bezirkshauptmannschaft wechselte. Er hinterlässt zwei Söhne im jungen Erwachsenenalter.

Die Ermittlungen der Polizei wurden am Donnerstag fortgesetzt. Die Ermittler seien derzeit vor allem mit Einvernahmen beschäftigt, sagte Polizeisprecher Rainer Fitz. Zum einen werde der 34-jährige Tatverdächtige neuerlich vernommen, zum anderen führe man Einvernahmen von Zeugen und im Umfeld durch. Die Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft wurden vom Kriseninterventionsteam (KIT) betreut.

Kickl "entsetzt"

"Entsetzt über den tragischen Vorfall in Vorarlberg" zeigte sich am Donnerstag Innenminister Herbert Kickl (FPÖ): "Leider zeigt auch dieses schreckliche Ereignis Unzulänglichkeiten im bestehenden internationalen Asylsystem, das wir genau analysieren werden", sagte der Minister. Jetzt sei nicht der Zeitpunkt für allfällige rechtliche Schlussfolgerungen. Das erfordere eine sorgfältige Betrachtung des Vorfalls und der relevanten rechtlichen Bestimmungen im europäischen und internationalen Kontext.

Die Türkische Kulturgemeinde in Österreich (TKG) sprach der Familie des Opfers und dessen Arbeitskolleginnen und -kollegen ihr Mitgefühl aus. "Diese schreckliche Gewalttat in Worte zu fassen fällt uns schwer. In diesen schmerzvollen Stunden sind unsere Gedanken bei den Hinterbliebenen", hieß es in einer Aussendung.

In Absprache mit Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) blieb die BH Dornbirn am Donnerstag geschlossen. "Wir müssen nun einen Schritt nach dem anderen machen und sehen, wie wir mit der Situation umgehen", sagte Wurzer. (APA, red, 7.2.2019)