Kerzen und Blumen erinnern an den Leiter der Sozialabteilung der BH Dornbirn, der im Amt erstochen wurde. Tatverdächtig ist ein Asylwerber.

Foto: APA/STIPLOVSEK DIETMAR

Mittwochnachmittag in der BH Dornbirn. Ein junger Mann geht in die Sozialabteilung, fordert vehement Geld aus der Grundversorgung ein. Zum dritten Mal ist er bereits da, glaubt als Asylwerber, Recht auf das Geld zu haben. Es kommt zu einer lautstarken Auseinandersetzung mit dem Abteilungsleiter. Der Mann wird hinauskomplimentiert. Wenig später kommt er zurück. Dieses Mal laut Polizei mit einem langen Küchenmesser.

Die Waffe bleibt unbemerkt, es gibt keine Zugangskontrollen. Erneut kommt es zu einer lautstarken Auseinandersetzung. Für den BH-Beamten endet diese tödlich.

Bereits 2009 ausgewiesen

Das tragische Geschehen ist mehr als ein Kriminalfall. Er wirft Fragen über Asylgesetz, Fremdenrecht und Vollzug auf. Denn bei dem mutmaßlichen Täter, über den nun wegen Mordverdachts Untersuchungshaft verhängt wurde, handelt es sich um einen türkischen Staatsbürger, der bereits 2009 wegen zahlreicher strafrechtlicher Delikte ausgewiesen wurde. Das Aufenthaltsverbot für den gesamten Schengenraum war unbefristet. Denn der heute 34-Jährige stellte eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar. Er geriet bereits als Jugendlicher mit dem Gesetz in Konflikt, wurde wegen Eigentums- und Gewaltdelikten, wegen unerlaubten Waffen- und Drogenbesitzes verurteilt und verbüßte in Vorarlberg Haftstrafen.

Anfang des Jahres reiste der Mann, der in Lustenau (Bezirk Dornbirn) aufgewachsen ist, trotz Einreiseverbots wieder nach Österreich und suchte in der Erstaufnahmestelle Thalham um Asyl an. Als Asylgrund gab er an, in der Türkei um sein Leben fürchten zu müssen, weil er als Kurde türkische Soldaten umgebracht habe.

Weil der Mann Verwandte in Vorarlberg hat, wurden die Vorarlberger Behörden ersucht, ihn dort in einem Grundversorgungsquartier unterzubringen. Die Vorarlberger lehnten dies mit Hinweis auf die kriminelle Vergangenheit und Aufenthaltsverbot ab. Er kam dennoch zurück nach Lustenau. Weil er um Asyl ansuchte, konnte er nicht erneut abgeschoben werden, argumentiert das Innenministerium. "Das ist geltendes Asylrecht, das ist EMRK", sagt Ministeriumssprecher Christoph Pölzl – also die europäische Menschenrechtskonvention.

Landeshauptmann Markus Wallner (VP) reagierte am Donnerstag mit "Ärger und Unverständnis". Keiner verstehe das, auch er nicht, warum kein Schnellverfahren eingeleitet wurde und warum der Mann auf freiem Fuß war. "In solchen Fällen muss es eine Möglichkeit geben, Menschen während der Dauer des Verfahrens festzuhalten." Er habe Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) in einem Telefonat um eine genaue Prüfung des Falls gebeten.

Asylrecht geht vor

Am Donnerstagnachmittag antwortete das Innenministerium mit einer "rechtlichen Klarstellung": Schubhaft sei nicht argumentierbar gewesen, da der Asylwerber eine aufrechte Meldeadresse hatte und bei einer Familie privat gewohnt habe. Ein Asylantragsteller habe aufgrund europarechtlicher Vorgaben ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht und einen faktischen Abschiebeschutz.

Polizei geht bei Dornbirn-Attacke von kaltblütigem Mord aus
APA

Zudem gebe es das unbefristete Aufenthaltsverbot nicht mehr. Laut Europäischem Gerichtshof sind Aufenthaltsverbote mittlerweile zeitlich befristet. Auch bei negativem Ausgang des Asylverfahrenes hätte man den Mann nicht abschieben können, vermutet das Ministerium. Er habe angegeben, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe zu sein, eine Abschiebung sei nicht mit Artikel 3 der EMRK vereinbar. Das gelte auch, wenn Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen.

Der kurdische Hintergrund ist der Vorarlberger Polizei, die den Mann ja gut kennt, neu, sagt Ermittler Norbert Schwendinger. Die Polizei ermittelt wegen Mordverdachts. Es wird auch untersucht, ob die Tat von langer Hand geplant war. Denn beim Opfer handelt es sich um jenen Beamten, der 2009, damals noch bei der Fremdenpolizei tätig, für Aufenthaltsverbot und Abschiebung verantwortlich zeichnete. (Jutta Berger, 7.2.2019)