Gut zehn Jahre ist die Finanzkrise nun vorbei und auf den Finanzmärkten hat sich seither einiges geändert. Nicht nur strengere regulatorische Vorgaben und damit einhergehende Bürokratie machten den Banken anfangs zu schaffen, auch völlig neue Konkurrenz-Konstellationen haben sich über die letzten Jahre entwickelt.

Die großen Player der in Österreich aktiven Banken haben sich nach der Krise solide stabilisiert. Die Volksbank etwa hat weitreichende Zusammenlegungen vollzogen. Die Erste Bank/Sparkasse hat sich mit dem Online-Banking-System "George" vor allem online weiterentwickelt. "George" soll Sparkassen-Kunden vor allem eine übersichtlichere Kontodarstellung ermöglichen. Raiffeisen zog mit "Mein ELBA" nach, das auch eine individuelle Nutzeroberfläche im Online-Banking ermöglicht.

Raiffeisen

Doch reicht einfach ein neuer Anstrich oder eine nette Benutzeroberfläche aus? Niedrige Zinsen und geringere Margen, auch Finanzierungen machen den Banken zu schaffen, doch zumindest oberflächlich scheint sich wieder eine gewisse Zufriedenheit mit dem Status quo einzustellen, um nicht sogar von österreichischer Gemütlichkeit zu sprechen. Stresstests werden überstanden und im Großen und Ganzen läuft alles ganz okay. Nur: sind das Zeichen einer Entspannung, einer Stabilisierung in einem schwierigen Umfeld oder ist es einfach nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm?

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

David gegen Goliath im Finanzsektor

Wer einen Ausblick, weg von der bequemen Ist-Situation, Richtung Zukunft des Bankings versucht, stößt auf einige Punkte, die heimische Großbanken zumindest nachdenklich und achtsam stimmen sollten. Die Digitalisierung ist nicht nur ein Schlagwort, sondern gehen gerade im Bankensektor mit ganz konkreten möglichen Veränderungen einher. Einige Folgen des digitalen Wandels sind jetzt schon ersichtlich, wobei die Fortschritte in diesem Bereich einerseits bei klassischen Fintechs und andererseits bei Banken, die in Österreich vergleichsweise noch kleinere Marktanteile halten.

Fintechs in der Veranlagung und im Lending-Segment

Das Berliner Start-Up N26, das Kontoführung am Smartphone anbietet, kann auf über 1,5 Millionen Kundinnen und Kunden verweisen. Erst im Jänner stieg das Unternehmen zum Einhorn auf; also Unternehmen mit einem Marktwert von über 100 Millionen Euro. Damit ist N26 als reine Online-Bank längst ähnlich beliebt wie manch etablierte Bank und macht diesen durch niedrige oder erst gar keine Kosten in der Kundengunst zu schaffen. Andere junge Unternehmen decken auch an das klassische Banking angrenzende Themen ab, wie beispielsweise Wikifolio für Investments und die stärker werdenden Immobilien-Crowdinvestmentplattformen wie beispielsweise Dagobertinvest, an dessen Spitze ein ehemaliger Bankenvorstand steht.

Wer nicht Kapital veranlagen, sondern ausleihen möchte, wird ebenfalls von Fintechs bedient. Mikrokredite und Peer-To-Peer-Lending sind hier die Schlagworte der Stunde. Kleinkredite werden in Österreich online beispielsweise über Cashpresso und Cashper vergeben. Diese Kredit-Startups, von denen Cashpresso erst Mitte 2018 3,5 Millionen Euro in Wagniskapital einsammelte, werden von einigen als deutliche Konkurrenz zu en traditionellen Banken betrachtet, aufgrund dynamischerer Quoten und als weniger konservativ betrachteter Kreditmodelle.

Alle Fintechs verbindet der Kampf gegen die großen, alteingesessenen Player am Markt und auch die Tatsache, dass der eigene Erfolg schlichtweg vom Erreichen einer gewissen kritischen Masse am Markt abhängig ist. Erst dann werden Margen interessanter, Geschäftsmodelle tragfähig und nachhaltige Gewinne erreichbar. Wachstum um jeden Preis scheint einerseits riskant und führt anderseits potentiell dazu, dass bei geringer Profitabilität und hohen Kosten für die Neukundenakquise irgendwann nur noch ein Unternehmensverkauf als gewinnbringende Option vorhanden ist.

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Vergleichsweise unbekannte Banken als Vorreiter

Bei kleineren Banken oder Banken, die zumindest in Österreich eher auf Nischen fokussiert sind, finden sich ebenso spannende Marktteilnehmer. Ein Beispiel in diesem Bereich ist die Renault Bank, die bei Zinsvergleichen immer wieder mit höheren Sparzinsen auftrumpft und hier klassischen Banken wohl den ein oder anderen Kunden durch geringfügig bessere Konditionen abnimmt.

Es zeigt sich auch, dass diese Institute beim digitalen Wandel teils die Nase gegenüber Großbanken doch weit vorne haben. Die Santander Consumer Bank bietet etwa die Möglichkeit, einen Kredit direkt online zu beantragen – mit der Unterstützung eines Bankberaters, der per Telefon und Screen-Sharing zugeschalten ist. Der gesamte Antragsprozess wurde hier also bereits erfolgreich digitalisiert, ein Besuch (oder gar mehrere Termine) bei einem Berater vor Ort ist nicht nötig.

Digitalisierung: Chance oder Bedrohung?

Der Vorsprung, den Start-Ups und einzelne Banken gegenüber den Großbanken in Österreich haben, kann nun auf unterschiedliche Weise gedeutet werden. Jene, die im digitalen Umfeld den Takt vorgeben, zeigen was alles bereits möglich wäre, obwohl sie vergleichsweise weniger Kapital zur Verfügung haben.

Dieser Vorsprung kann entweder als Bedrohung wahrgenommen werden, oder als Ansporn. Wenn traditioneller ausgerichtete Banken von digitalem Wandel sprechen, denken sie meist an Online-Banking, aber Dinge wie Online-Beratung in Echtzeit, Machine-Learning für Investmentstrategien oder schlichtweg vollständig digitalisierte Prozesse, die Bankbesuche ersetzen können, klingen hier noch wie Zukunftsmusik. Machen Sie den Selbsttest und probieren Sie aus, ob und mit wie vielen Klicks Sie Ihren Kontostand von vor drei Jahren herausfinden können. 

Digitalen Wandel aktiv gestalten

Digitalisierung scheint für manche Bank eher wie eine Bedrohung zu wirken, durch die Filialen geschlossen und Teammitglieder gekündigt werden könnten. Doch wer angsterfüllt in die Zukunft blickt, wird sie nicht proaktiv gestalten können.

Vielleicht ist dieser Vorsprung all jener, die sich der Digitalisierung verschrieben haben, ein Weckruf, der den heimischen Großbanken zeigt, dass nicht die Digitalisierung eine Gefahr ist, sondern die nach der Krise neu etablierte Gemütlichkeit das eigentliche Risiko für ihre zukünftige Entwicklung darstellt. Augen zu und durch funktioniert vielleicht in einer schlechten Konjunkturphase, vielleicht auch noch in einer echten Krise, aber sicher nicht bei einer Veränderung, die so nachhaltig ist, dass sie die gesamte Branche dauerhaft in neue Bahnen lenken wird.

Klar ist, dass die Digitalisierung – und dabei ist bitte nicht einfach nur an Online-Banking zu denken – nicht aufzuhalten ist. Maschinen werden Investmentstrategien emotionslos besser entwickeln als es Menschen heute tun, Gespräche mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werden per Chat erledigt, Kreditanträge online eingereicht und auch die Schwarmintelligenz kann durchaus eine Rolle spielen.

Gemeinsames Leid von Banken und Pharma-Konzernen

Das naheliegende Fazit ist, dass sich Geschäftsmodelle in der Finanzbranche nachhaltig verändern werden. Die gesamte Wertschöpfungskette von Banken kann in einigen Jahren anders aussehen als heute und solange etablierte Institute den digitalen Fortschritt nicht ausreichend selbst in die Hand nehmen, werden laufend neue Start-Ups heranwachsen, die früher oder später so erfolgreich sein werden, dass alteingesessenen Banken kaum eine andere Möglichkeit bleiben wird, als diese zu übernehmen.

Ein teurer Weg, Innovationen extern zuzukaufen, nachdem man sie selbst verschlafen hat. Gewissermaßen ist die Situation dadurch mit der Pharmabranche vergleichbar, in der klassische Pharma-Unternehmen regelmäßig kleinere Biotech-Unternehmen aufkaufen, um an innovative Forschungsergebnisse zu kommen. Doch noch ist es nicht zu spät, dass klassische Banken diese Parallelen erkennen, den digitalen Wandel endlich als Tatsache akzeptieren und selbst voranschreiten, um dieses neue Zeitalter des Bankings aktiv mitzugestalten. (Christian Allner, 28.2.2019) 

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