Ein geflüchtetes Mädchen, das vom Integrationshaus betreut wird, hat einen Schal für Bundespräsident Alexander Van der Bellen angefertigt.

Foto: APA/ Hans Punz

"Endlich hamma's gschafft", frohlockte Präsidentengattin Doris Schmidauer, als sie am Donnerstag bei frühlingshaften Temperaturen mit Alexander Van der Bellen das Wiener Integrationshaus betrat. Der Besuch war seit Monaten vorgeplant und lag Van der Bellen am Herzen. Einrichtungen wie das Integrationshaus, die in stiller Betriebsamkeit die Flüchtlingsbetreuung schupfen, sollte man ruhig mehr "vor den Vorhang holen", meinte Van der Bellen.

Empfang des Bundespräsidenten und seiner Gattin vor dem Integrationshaus in Wien-Leopoldstadt.
Foto: Standard/ Urban

Er will auch dagegen auftreten, dass das Wort "Gutmensch" vielerorts als Schimpfwort gebräuchlich sei, obwohl ehrenamtliche Arbeit unschätzbar wichtig sei. Derartige Äußerungen lassen sich unschwer als Kontrapunkt zur Flüchtlingspolitik der Regierung interpretieren, die bei jeder Gelegenheit Verschärfungs- und Kürzungsvorschläge ventiliert und in Gestalt der FPÖ Attacken gegen die Arbeit humanitärer NGOs reitet.

Sicherungshaft für Asylwerber "extrem heikel"

Gleich zu Beginn äußerte der Präsident Bedenken zu den jüngsten Plänen der Koalition. ÖVP und FPÖ wollen ja Asylwerber, die nach nicht näher bezeichneten Kriterien als potenziell gefährlich gelten, in "Sicherungshaft" nehmen. Das sei "rechtlich extrem heikel", warnte Van der Bellen. Immerhin gehe es hier um Freiheitsentzug. Sofern es einen konkreten Entwurf der Regierung zu einem Gesetz gebe, werde er diesen mit seinen Rechtsexperten eingehend prüfen.

Justizminister Josef Moser (ÖVP) lehnte diese Idee des Innenministeriums zwar nicht ab, wies aber in der ZiB 2 darauf hin, dass es sich um eine "äußerst sensible" Thematik handle. Um der Menschenrechtskonvention zu genügen und Willkür zu verhindern, brauche man klare Bestimmungen und klar definierte Straftatbestände.

Unter "Grün-Verdacht"

Danach wurde er von Integrationshaus-Gründer Willi Resetarits in "unsere bescheidene Hütte" gebeten und in die Geschichte des Vereins eingeführt, der etwa 7.000 Menschen jährlich unterstützt. "Das war a bissl mei Idee", erklärte Resetarits und erinnerte in lockerem Ton daran, wie er das Integrationshaus 1994 im Zuge des Bosnienkrieges ins Leben gerufen hatte, um in Wien zur besseren Flüchtlingsbetreuung beizutragen.

Willi Resetarits (rechts mit Mikrofon) erzählt von den Anfängen des Integrationshauses. Ganz links: Integrationshaus-Geschäftsführerin Andrea Eraslan-Weninger.
Foto: Standard/ Urban

Nicht alle seien damals über die Initiative glücklich gewesen, erzählt Resetarits. Er und seine Mitstreiter seien bei Politikern und Beamten politisch unter "Grün-Verdacht" gestanden, feixt Resetarits in Richtung des langjährigen Grünen-Chefs. Van der Bellen quittiert das mit einem lauten "Pfui".

"Zynisch und rassistisch"

Tagespolitischer wird es, als Integrationshaus-Chefin Andrea Eraslan-Weninger zu Mikrofon und Wort greift. An der Reform der Mindestsicherung lässt sie kein gutes Haar. Dass subsidiär Schutzberechtigte kein Anrecht mehr auf die Mindestsicherung haben sollen und stattdessen mit 365 Euro monatlich in der Grundversorgung verbleiben müssen, widerspreche klar der Genfer Flüchtlingskonvention. Eraslan-Weninger hält es zudem für "zynisch und rassistisch", dass die Kürzung der Mindestsicherung für Großfamilien explizit auf Migrantenfamilien gemünzt sei.

Als die Rede auf Asylwerber in der Lehre kommt, wird auch Van der Bellen wütend. Die Regierungsparteien haben ja beschlossen, dass Asylwerber keine Lehre mehr beginnen dürfen und auch abgeschoben werden dürfen, wenn sie gerade in Lehrlingsausbildung sind. Das sei nicht nur inhuman, sondern auch ökonomisch daneben: "Das müsste eigentlich jeder einsehen, sogar wenn er von Empathie keine Ahnung hat" – eine recht unmissverständliche präsidentielle Spitze gegen die türkis-blaue Asylpolitik.

Sprachtest für Van der Bellen

Dann geht's für Van der Bellen und seine Gattin weiter zu einem Gespräch mit Jugendlichen des Integrationshauses. Diese empfangen das Staatsoberhaupt allerdings nicht in devoter Schüchternheit, sondern mit einem beinharten linguistischen Kompetenzcheck.

Van der Bellen muss viele Sprachen zuordnen können.
Foto: Standard/ Urban

Van der Bellen wird von den Jugendlichen in allerlei Sprachen mit der Formel "Guten Morgen, Herr Präsident" konfrontiert und soll zuordnen, um welche Sprache es sich jeweils handelt. Van der Bellen besteht den Test mehr schlecht als recht. Arabisch hält er etwa für Farsi, und Farsi selbst erkennt er dann auch nicht. Trotzdem hat er Ratschläge zur Mehrsprachigkeit parat: "Versuchen Sie dreisprachig zu sein", gibt er den Jugendlichen auf den Weg. Neben der Muttersprache seien nämlich Deutsch und Englisch unabdingbar.

Selfies mit dem Bundespräsidenten sind im Integrationshaus begehrt.
Foto: standard/urban

"Ich kann eigentlich nix"

Im Anschluss an das Quiz drängen sich den Jugendlichen einige Fragen an Van der Bellen auf. Der 20-jährige Abdul aus Syrien, er selbst möchte Lastwagenmechaniker werden, will zum Beispiel wissen: "Was muss man eigentlich können, um Präsident zu werden?" Der, der es wissen müsste, meint selbst: "Ich kann eigentlich nix." Doris Schmidauer will das so nicht stehen lassen und schränkt ein: "Im handwerklichen Bereich kann er nix." Van der Bellen sieht das nicht so eng – er zählt weitere Fähigkeitsmängel auf, etwa: "Ich kann auch nicht kochen." Abdul scheint von der Antwort kaum überzeugt und bekommt schließlich doch noch eine Erläuterung jener Kompetenzen, die man als Professor für Volkswirtschaftslehre braucht. Zum Beispiel: Mathematik und die Analyse von Texten. (Theo Anders, 21.2.2019)