Herbert Kickl will EU-Recht für die Präventivhaft nutzen.

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Wien – Herbert Kickl will neue Räume des Rechts betreten. "Ich denke, dass es unverantwortlich wäre, wenn die Tür offen ist und wir das nicht nutzen", sagte der Innenminister (FPÖ) am Montag. Die Tür, die ist eine EU-Richtlinie, die es laut Kickl erlaube, Asylwerber präventiv in Haft zu nehmen. Das soll passieren, wenn Gefahr für die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung besteht – oder, wie es Kickl ausdrückt, jemand "im Geiste schon den Sprengstoffgürtel angeschnallt hat".

Abseits von markigen Sprüchen bleiben aber wenig Anhaltspunkte, was zur umstrittenen Haft auf Verdacht führen soll. Wenn jemand "Ungläubige" auf Facebook vor einer IS-Fahne mit dem Tod bedroht, dann werde ihn die Präventivhaft wohl betreffen, schätzt Peter Webinger, Gruppenleiter im Innenministerium. Es könne ohnehin "keine abschließende Definition geben, welche Delikte für eine Sicherungshaft in Frage kommen", heißt es auf STANDARD-Nachfrage aus Kickls Ministerium – es komme immer auf den Einzelfall an.

Innenminister Kickl plant eine Präventivhaft.
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Eine klare Vorstellung hat der Innenminister dagegen davon, wer die Asylwerber einsperren lassen soll: Im Quartier führen Beamte des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eine Gefahrenanalyse durch – und entscheiden dann darüber, ob der Asylwerber in Haft genommen wird oder nicht. Ein Gericht prüft die Maßnahme erst danach. Kickl kann sich vorstellen, die Antragsteller bis zum Abschluss ihres Verfahrens einzusperren.

Viele offene Fragen

Für das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) bleiben bis zum Vorliegen eines Gesetzesentwurfs vor allem zwei Fragen offen, erklärt eine Sprecherin: Erstens gehe man davon aus, dass eine Bedrohung der nationalen Sicherheit "nur in krassen Einzelfällen" zutrifft – und was könnte da zutreffen, das nicht ohnehin vom Strafrecht erfasst wird? Zweitens sei fraglich, wie die Haft nur für Asylwerber nicht diskriminierend sein kann.

In Wirklichkeit könnte Kickl die Tür ohnehin viel weiter aufstoßen, als er jetzt bekanntgibt: Denn die neuen Haftgründe ("nationale Sicherheit", "öffentliche Ordnung") muss der Innenminister in der Verfassung verankern, die Einschränkung auf Asylwerber werde dann einfachgesetzlich ergänzt. Und könnte am gleichen Weg auch ausgeweitet werden.

"Beispiellose Grenzüberschreitung"

Alexia Stuefer, Vizepräsidentin der Vereinigung der StrafverteidigerInnen, sieht die Pläne des Innenministeriums als "eine beispiellose Grenzüberschreitung". Kickl stelle damit "die Menschenrechtskultur der Nachkriegszeit" infrage.

Die SPÖ zeigt sich allerdings gesprächsbereit – mit Einschränkungen. Nach dem Burgenländer Hans Peter Doskozil hat sich am Montag auch der Wiener Landeschef Michael Ludwig dafür ausgesprochen, eine Sicherheitshaft zu diskutieren, aber dann auch für Österreicher. Parteichefin Pamela Rendi-Wagner will das Thema nicht anhand von Überschriften diskutieren – sondern erst darüber reden, wenn eine Taskforce die Tötung des Sozialamtsleiters in Dornbirn aufgeklärt hat.

Schon ab Freitag verfügt Kickl übrigens eine nächtliche Ausgangssperre für Asylwerber: Der sollen sie "freiwillig" zustimmen. Allerdings: Tun sie das nicht, werden sie in ein Quartier "abseits der Ballungsräume" verlegt, wo man sich in der Nacht auch weniger gut "die Zeit vertreiben" kann, wie Kickl sagt.

Strache sieht Neos und SPÖ in der Pflicht

Vizekanzler Heinz-Christian Strache griff am Dienstag die Opposition direkt an. Während die Regierung gegen kriminelle Ausländer vorgehe, würden sich die Oppositionsparteien den Kopf darüber zerbrechen, wie man Abschiebungen von straffällig gewordenen Ausländern verhindere, so der FPÖ-Chef. Eine Sicherungshaft nicht nur für Asylwerber, sondern auch für Österreicher, wie das der designierte burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) vorgeschlagen hatte, lehnt er allerdings ab. Strache kann sich aber eine Verfassungsänderung vorstellen, denn er sieht in dieser Frage die Neos und die SPÖ, die eine Verfassungsmehrheit im Parlament sichern könnten, in der Pflicht. Pinke und Rote müssten sich überlegen, ob sie wirklich wollen, dass solche Menschen weiter in Österreich bleiben dürfen. Strache: "Wir wollen solche Straftäter abschieben, wir wollen sie nicht in unserem Land haben." (Sebastian Fellner, red 26.2.2019)