Rekonstruktion der Neandertaler-Wirbelsäule aus La Chapelle-aux-Saints im Körper eines modernen Menschen.

Illustration: Martin Häusler

Zürich – Neandertaler bewegten sich wahrscheinlich ebenso aufrecht wie moderne Menschen und besaßen eine ähnlich geschwungene Wirbelsäule. Das schließen Forscher aus Zürich und den USA aus der computergestützten Rekonstruktion eines sehr gut erhaltenen Skeletts.

Frühere Rekonstruktionen zeigen den Neandertaler mit flachem Rücken und gekrümmter Körperhaltung. Die ausgestorbenen Verwandten unserer Vorfahren waren diesen aber wohl viel ähnlicher in ihrer Anatomie als oftmals angenommen. Das berichten Wissenschafter um Martin Häusler von der Universität Zürich und Erik Trinkaus von der Washington University in St. Louis im Fachblatt "PNAS".

Gekrümmte Wirbelsäule

Sie rekonstruierten virtuell das Becken und die Wirbelsäule eines sehr gut erhaltenen Neandertaler-Skeletts, das in La Chapelle-aux-Saints in Frankreich gefunden wurde. Das Kreuzbein des alten Neandertaler-Mannes hatte demnach die gleich Ausrichtung, die man auch beim modernen Menschen findet. Auch Abnützungsspuren an den Lenden- und Halswirbeln sowie im Hüftgelenk lassen auf eine gekrümmte Wirbelsäule und eine vergleichbare Körperhaltung wie beim modernen Menschen schließen.

Dieser Befund werde auch durch andere Neandertaler-Skelette mit ausreichend erhaltenen Wirbel- und Beckenresten ergänzt und bestätigt, so Häusler. "Es gibt insgesamt kaum etwas, das auf eine prinzipiell andere Anatomie hinweist."

Zwar legen zahlreiche Studien der vergangenen Jahrzehnte dar, wie ähnlich Neandertaler den modernen Menschen sowohl stammesgeschichtlich als auch in ihrer Verhaltensweise waren. Seit einigen Jahren rückten jedoch Unterschiede wieder stärker in den Fokus, so Häusler. Einige neuere Studien leiteten beispielsweise von der Form einzelner Wirbel ab, dass Neandertaler noch keine gut entwickelte, doppelte S-Wirbelsäule wie moderne Menschen besaßen. Mit ihrer virtuellen Rekonstruktion des Skeletts aus La Chapelle-aux-Saints lieferten die Forscher nun den Gegenbeweis. (red, APA, 25.2.2019)