Herbert Kickl schreitet munter aus. Wohin er marschiert, das ist umstritten. Die ÖVP jedenfalls bekommt ihn nicht in den Griff.

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Sie kennen das: Erstens kommt es anders, zweitens anders, als man denkt. Als es Wolfgang Schüssel im Jahr 2000 nach verlorener Wahl doch noch bis zum Bundeskanzler brachte, war die verbreitete Meinung, er werde Jörg Haider nicht gewachsen sein, zumal Schüssel als Politiker bis dahin kaum imponiert hatte. Haider werde mit Schüssel Schlitten fahren, hieß es. Aber es kam anders.

Die Haider-Partei war dem überlegenen Taktiker Schüssel nicht gewachsen und mehr als einige besonders unfähige Ministerfiguren, die vielen Korruptionsgeschichten und die Spaltung der Partei ist von der FPÖ damals nicht in Erinnerung geblieben.

Und heute? Als Sebastian Kurz der FPÖ das Ausländerthema stahl, damit den mehrjährigen Umfragekaiser Heinz-Christian Strache samt den Seinen vom Thron stieß und mit beträchtlichem Vorsprung die Wahl gewann, konnte man annehmen, dieser intelligente jungen Mann mit seiner unglaublichen Popularität werde den alternden Disco-Strache, den allzeit im Umfragetief grundelnden Innenminister Herbert Kickl und wie sie alle heißen mühelos im Zaum halten und einigermaßen solide konservative Politik machen.

Kurz' Prätorianergarde

Wieder falsch. Und das, obwohl Kurz durchaus effektiv wirkt. Die eigene Regierungshälfte hat er mit seiner Prätorianergarde fest im Griff. Auf Gernot Blümel und Elisabeth Köstinger kann er sich blind verlassen. Frau Bogner-Strauß sagt und tut, was man ihr anschafft, und Herr Faßmann, der offensichtlich schon längst nicht mehr will und sich bemüht, seine Würde zu wahren, spricht zwar vom Aufhören, aber erst am Ende der Legislaturperiode.

Was Kurz und sein Team stört, versuchen sie, wo es möglich ist, in den Griff zu bekommen. Jetzt zum Beispiel ist die Statistik Austria dran, sie soll erweiterter Message-Control unterworfen werden – unterstützt von einer fünften Kolonne im Inneren des Unternehmens. Gelingt das Vorhaben, woran kaum zu zweifeln ist, soll in Zukunft möglichst jenes statistische Material der Öffentlichkeit bekannt werden, das der Regierung genehm ist. Dafür hat ein neues Führungsteam zu sorgen.

Eine der Grenzen für die Macht des Kanzlers – das wird auch gar nicht verheimlicht – sind die Interessen der Wirtschaft. Das war beim Zwölfstundentag so und ist so bei diesem lächerlichen Karfreitagspfusch, mit dem die Vertreter der Wirtschaft erst nicht zufrieden waren, weswegen – und nur deswegen! – weitergepfuscht werden musste. Jetzt ist die Wirtschaftskammer zufrieden und die Frage lautet, ob diese Regierung imstande ist, auch gegen deklarierte Interessen der Wirtschaft etwas durchzusetzen. Schaut nicht so aus, wenn wir an das jämmerliche Einknicken von Verkehrsminister Norbert Hofer gegenüber der Frächterlobby denken.

Dennoch: Die Außenwirkung der Regierung ist immer noch ausgezeichnet. Dafür ist der Kanzler zuständig – rhetorisch stark bei seinen Auftritten im Fernsehen, nicht nur im österreichischen. Es ist nicht zu übersehen, dass ihn das deutsche Fernsehen liebt. Doch welche Partei steht hinter dieser Personalityshow? Die Schwarzen? Gibt's die noch? Die Türkisen? Ist das eine neue Partei oder die alte umgefärbt? Und falls es die ÖVP noch gibt: Fällt ihr bei den menschenfeindlichen Umtrieben des Regierungspartners etwas auf? Die FPÖ will gerade die Menschenrechte in Österreich "anpassen". Stört das jemanden in der ÖVP? Bitte melden!

Hetze vergiftet die Gesellschaft

Zuletzt zählte Herr Vilimsky bei Armin Wolf ohne Scheu seine Verbündeten auf: Salvini, Orbán, Le Pen, die AfD. Man wolle in Europa durchsetzen, was man gerade dabei sei, in Österreich durchzusetzen. Es sieht aber nicht so aus, als wollte oder könnte der Kanzler die FPÖ bremsen. Er ist schwächer, als wir dachten.

Die FPÖ geht aufs Ganze. Hier rächt sich die Maxime: Nur nicht streiten! So kann die FPÖ weiter hetzen. Die Hetze hilft dem, der hetzt. Sie kann ihn, je nach Charakter, sogar glücklich machen. Den Verhetzten aber und dessen Feindbild – den, gegen den sich die Hetze richtet – macht sie unglücklich.

Aber letztlich richtet sich diese Hetze gegen uns alle. Sie vergiftet die Gesellschaft, untergräbt den inneren Frieden, fördert Gewalt und bedroht uns. So wie diese geplante "Sicherungshaft" in Wirklichkeit uns alle bedroht. Dabei wissen wir seit langem, dass die Menschenrechte unteilbar sind. Eine Gesellschaft, die zulässt, dass Menschen, die mit uns leben, schlechter und schlechter behandelt werden, erinnert an jene Ahnungslosen, die – wie in Brechts Gedicht – begeistert am Ast sägen, auf dem sie sitzen.

Seit Jahren ständig neue Schikanen für Menschen, die nach Österreich geflüchtet sind. Jetzt soll Traiskirchen nicht mehr Aufnahmezentrum für Asylwerber sein, sondern nur mehr "Ausreisezentrum". Dazu ergänzend Kickls Forderung, es dürfe überhaupt kein Asylsuchender mehr ins Land kommen. Aus all dem spricht Hass – unter dem Deckmantel der Liebe zu Einheimischen. Doch das ist Täuschung. Wir sind auf dem Weg in ein anderes Österreich. Dieses Österreich wird voll sein von Hetze und Menschenfeindschaft – wenn wir es nicht in einem breiten, über Parteigrenzen reichenden Bündnis gemeinsam verhindern. (Peter Huemer, 27.2.2019)