Gesenktes Armutsrisiko für Familien: Der Familienbonus wurde von der EU-Kommission gelobt.

Foto: APA/ZB/Ralf Hirschberger

Wien/Brüssel – Der aktuelle Länderbericht der EU-Kommission empfiehlt der Regierung die Umverteilung der Steuerlast hin zu Vermögens- und Umweltsteuern. Im Mittwoch veröffentlichten Bericht zum "Europäischen Semester" wird das Potenzial einer Vermögenssteuer in Österreich mit zumindest 2,7 Milliarden Euro beziffert. Zur Sicherung des Pensionssystems pocht die Kommission weiter auf die Anhebung des Antrittsalters. Der Umgang der Bundesregierung seit ihrem Amtsantritt 2017 mit den Sozialpartnern wird gleich mehrfach gerügt.

Die Kommission kritisiert, dass die Sozialpartner bei der Umsetzung von Reformen zu wenig einbezogen wurden . Das "etablierte System des sozialen Dialogs" sei dadurch auf die Probe gestellt worden. Christoph Klein, Direktor der Arbeiterkammer Wien, fordert deshalb die Bundesregierung auf, diese Kritik ernst zu nehmen und in einen konstruktiven Dialog mit der Gewerkschaft zu treten. Er verweist auf die Auseinandersetzungen um das 12-Stundentags-Gesetz, den Karfreitag und die Eingriffe bei den Sozialversicherungen. Hier sei Potential der Sozialpartnerschaft verschenkt worden, so Klein.

Lob für Familienbonus

Der Länderbericht der EU-Kommission empfiehlt Österreich schon länger die Senkung der Steuerlast auf Arbeit und lobt daher grundsätzlich auch den neuen Familienbonus, der die Steuern für Familien mit Kindern senkt. Er bringt eine Steuergutschrift von bis zu 1.500 Euro pro Kind und Jahr. Laut Berechnungen der EU-Kommission bewirkt er sowohl einen Beschäftigungsanreiz für Frauen als auch eine leichte Steigerung des Wachstums. Auch das Armutsrisiko für Familien werde damit gesenkt – und zwar von 13,1 auf 12,5 Prozent.

Letzteres gilt allerdings lediglich für Familien mit beiden Elternteilen. Für Alleinerzieher rechnet die Kommission nicht mit einer signifikanten Senkung der Armutsgefährdung. Dies deshalb, weil sie den Familienbonus häufig nicht voll ausschöpfen können. Wer wenig verdient und daher geringe oder keine Lohnsteuern zahlt, hat anstelle des 1.500 Euro Steuerbonus nämlich nur Anspruch auf den reduzierten "Kindermehrbetrag" von 250 Euro jährlich pro Kind.

Potential von Vermögens- und Erbschaftssteuer

Für künftige Steuerreformen empfiehlt die Kommission eine Umverteilung der Steuerlast – weg von den lohnbezogenen Abgaben hin zu "wachstumsfreundlicheren Einnahmequellen". Angesichts der hohen Vermögensungleichheit in Österreich würden etwa eine höhere Grundsteuer oder die Wiedereinführung der Erbschafts- und Vermögenssteuer Umschichtungspotenzial bieten, heißt es im Bericht. Außerdem könne eine Vermögenssteuer in Österreich 2,7 bis 6,3 Milliarden Euro bringen. Und während die Regierung die Körperschaftsteuer senken will, verweist der Länderbericht darauf, dass Steuern auf Unternehmensgewinne in Österreich vergleichsweise wenig Geld einbringen.

Weniger Arbeitslosigkeit

Auf dem Arbeitsmarkt verzeichnet die Kommission Verbesserungen in der Beschäftigungsquote von älteren Erwerbstätigen und Frauen. Mit einem Anteil von 47,9 Prozent weist Österreich jedoch die zweithöchste Teilzeitbeschäftigungsquote von Frauen im EU-Vergleich nach den Niederlanden auf. Das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen ist weiterhin sehr ausgeprägt.

Der Trend der sinkenden Arbeitslosigkeit setzte sich auch 2018 fort. Gleichzeitig stieg die Nachfrage nach Arbeitskräften. Hier sieht das EU-Gremium Anzeichen für einen Arbeitskräftemangel. Das Potential von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund, sollte nach Kommissionsmeinung noch besser ausgeschöpft werden.

Das "Europäische Semester" und die entsprechenden Länderberichte sind Teil der wirtschaftspolitischen Koordinierung der EU. Den Defizitabbau der letzten Jahre und das anstehende Nulldefizit führt die Kommission vor allem auf unerwartet hohe Steuereinnahmen und die gute Beschäftigung zurück. Eine langfristige Herausforderung für die Staatsfinanzen in Österreich sieht der Bericht in den Kosten des Pensions-, Gesundheits- und Pflegewesens. Gefordert wird daher einmal mehr die Anhebung des Pensionsantrittsalters. Ebenfalls empfohlen werden Investitionen in erneuerbare Energien, Weiterbildung und Kinderbetreuung sowie Maßnahmen gegen die hohe Teilzeitbeschäftigung. (red, APA, 28.02.2019)