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Srinagar im indischen teil Kaschmirs ist stark bewacht, am Freitag herrschte eine Ausgangssperre.

Foto: AP/Dar Yasin

Kommt es durch die Pilotenübergabe zu einem Ende der Spannungen zwischen Indien und Pakistan?

Dass Pakistan sich am Donnerstag dazu entschlossen hat, den festgenommen indischen Piloten Abhinandan Varthaman an Indien zu übergeben, trägt in jedem Fall zur Entspannung im Konflikt bei. Es ist eine politische Goodwill-Geste Islamabads, zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht weiter zu eskalieren. Premier Imran Khan hatte von Anfang an recht moderate Töne anklingen lassen, etwa "Dialogbereitschaft" signalisiert. Im Gegensatz dazu hat sich Indiens Premier Narendra Modi eher kampflustig gezeigt und vom "Feind" Pakistan gesprochen. Pakistans Vorgehensweise entspringt aber nicht Idealismus. Vielmehr übten die USA und vor allem Saudi-Arabien im Hintergrund Druck aus.

Was ist eigentlich im Luftraum zwischen Indien und Pakistan passiert?

Am Dienstag hat Indien Luftangriffe auf ein angebliches Terrorcamp der Jaish-e-Mohammed in Balakot geflogen. Es war nicht sofort klar, ob es sich um das Balakot im pakistanischen Teil Kaschmirs – der von Indien beansprucht wird – oder jenes in Pakistan selbst handelt. Es stellte sich heraus, dass es Letzteres war – und somit der erste indische Luftangriff auf Pakistan seit 1971. Dabei wurden nach indischen Angaben mehrere hundert Terroristen getötet.

Am Mittwoch flog dann Pakistan Vergeltungsangriffe auf das – aus seiner Sicht – "indisch besetzte Kaschmir", wobei mindestens ein indisches Flugzeug abgeschossen und ein indischer Pilot, nämlich Varatham, gefangen genommen wurde. Nach indischer Darstellung hatte die pakistanische Luftwaffe militärische Einrichtungen auf indischem Gebiet angegriffen.

Warum ist Indien überhaupt den Angriff geflogen? Was hat die Eskalation ausgelöst?

Weil Indien eine verheerende Terrorattacke im indischen Teil Kaschmirs vom 14. Februar vergelten wollte. Die Jaish-e-Mohammed bekannte sich zu dem Anschlag; der Selbstmordattentäter war aber ein 22-jähriger Kaschmiri. Der schlimmste Anschlag in der Region seit 30 Jahren galt einem indischen Militärkonvoi mit 2.000 Soldaten, etwa 40 von ihnen starben.

War Indiens Reaktion trotzdem nicht überzogen?

Die heftige Reaktion Indiens erklärt sich einerseits aus Modis Pakistan-Politik: In den vergangenen Jahrzehnten kam es immer wieder zu Anschlägen islamistischer Terroristen im indischen Teil Kaschmirs. Indien beschuldigt Pakistan, diese Terroristen zu unterstützen. Sie müssen kaum Vergeltung fürchten, weil Pakistan Atomwaffen besitzt. Ohne diese wäre Pakistan Indien militärisch weit unterlegen. Modi versucht diese Situation zu verändern. Bereits 2016 ließ er "gezielte" Angriffe auf den pakistanischen Teil Kaschmirs fliegen. Und auch die Angriffe vom Dienstag passen in diese Strategie. Pakistans Gegenangriffe wiederum zeigen, dass das Land sich das nicht gefallen lassen will.

Welche Rolle spielen die Wahlen in Indien bei alldem?

Indien wählt von Mitte April bis Mitte Mai ein neues Parlament. Modi steht unter Druck, den starken Mann zu mimen. Seine Umfragewerte waren bisher nicht so rosig, wie er das gerne hätte, im Dezember verlor seine hindunationalistische BJP sogar bei diversen Regionalwahlen. Bauernproteste und Arbeitslosigkeit waren bisher die dominanten Wahlkampfthemen. Nun überschattet der Kaschmir-Konflikte die Berichte– was Modi nur recht sein kann. Mit "Patriotismus"- und "Zusammenhalt"-Parolen kann er punkten.

Wie gehen Medien mit den Ereignissen um?

Indische Medien unterstützen weitgehend Modis nationalistische Rhetorik. Der Pilot wird am Freitag von vielen Portalen als Held gefeiert. Imran Khan lässt sich von Pakistans Medien unterdessen als "großer Staatsmann" feiern, der betont, dass er den Piloten als Geste des Friedens freilässt. Khan muss sich aber auch Kritik gefallen lassen: Er sei vor Indien eingeknickt, man habe für die Freilassung keine Gegenleistung erhalten.

Für Modi ist es leichter, die Situation als Gewinn zu verbuchen. Er hat es geschafft, den Piloten zurückzubekommen, ohne dabei – so wie es momentan aussieht – in einen offenen Krieg zu geraten. Gleichzeitig muss er aber auch erklären, warum der Pilot überhaupt gefangen genommen werden konnte und ob vielleicht auch ein Versagen der Geheimdienste Schuld an dem Anschlag in Pulwama hatte.

Und wie sieht es in Kaschmir aus?

Im indischen Teil Kaschmirs selbst ist die Lage weiter angespannt. Während die Spitzenpolitiker vorerst eine offene Eskalation abwenden konnten, gehen die lokalen Behörden und Sicherheitskräfte weiter hart vor. Am Donnerstag wurde die Partei Jamaat-e-Islamai verboten – ihr werden subversive Tätigkeiten vorgeworfen –, ihr Anführer wurde bereits vergangenen Woche festgenommen.

In ganz Indien fühlen sich Muslime unter Modis hindunationalistischer Politik verstärkt marginalisiert – ein Konflikt, der seit der indischen Unabhängigkeit 1947 schwelt und in Kaschmir besonders brennt. Etwa 15 Prozent der indischen Bevölkerung sind muslimisch, im Bundesstaat Jammu und Kaschmir sind es aber fast 70 Prozent.

Und was ist mit Hindus in Pakistan?

Umgekehrt müssen Hindus in Pakistan mit Diskriminierung und Verfolgung kämpfen. Etwa zwei Prozent der Bevölkerung sind in der islamischen Republik Hindus. Die meisten von ihnen leben im Süden des Landes. Immer wieder kommt es zu Zwangskonversionen.

Haben sich die Luftraumprobleme über Pakistan auch auf den Flugverkehr ausgewirkt?

Ja, es gab Behinderungen im Flugverkehr von und nach Bangkok. Flightstats berichtet von 400 Flügen täglich, die betroffen sind. Am Donnerstag ließ der Flughafen Wien von rund 30 Flüge wissen, die gestrichen wurden.

Die Auswirkungen auf die Verbindungen nach Wien hielten sich aber bis Donnerstag laut Flughafensprecher Peter Kleemann in Grenzen. Thai Airways sagte einen Flug ab, der um 7 Uhr in Wien hätte ankommen sollen. Damit fiel auch der Retourflug aus. Die täglichen AUA-Flüge von Wien nach Bangkok beziehungsweise retour wurden durchgeführt, laut AUA mit Verspätungen von unter einer Stunde.

Laut Augenzeugen hatten am Donnerstagabend hunderte Personen, auch Österreicher, auf ihre Heimreise gewartet, manche seit mehr als 24 Stunden. Am Freitag wird der pakistanische Luftraum wieder teilweise, am Montag ganz geöffnet. (Anna Sawerthal, 1.3.2019)