Der konservative Politiker und führende Brexit-Befürworter David Davis machte kurz nach dem Brexit-Referendum 2016 ein Versprechen an besorgte Bürger und Unternehmer. Großbritannien werde bis zum 29. März 2019 "eine Reihe neuer Handelsabkommen abgeschlossen haben", so Davis.

Wenn England die EU verlässt, scheidet das Land aus dem EU-Binnenmarkt aus. Auch dutzende andere Handelsabkommen, die von der EU-Kommission im Namen der Mitgliedsländer verhandelt wurden, etwa mit Kanada und Südkorea, gelten dann für London nicht mehr. Macht nichts, wir machen neue und bessere Deals, hielt Davis dagegen.

Etwas weniger als drei Jahre später steht fest, dass dieses Versprechen nichts wert war. Weniger als zehn Handelsverträge hat London für die Zeit nach dem Brexit bis heute abschließen können. Sieht man von einem Vertrag mit der Schweiz und Israel ab, sind die anderen Länder auf der Liste wirtschaftlich unbedeutend: So haben etwa sonst die Färöerinseln, Chile, die Seychellen, Mauritius und Madagaskar einen Vertrag mit London geschlossen. Wirtschaftspakte auszuhandeln ist eben langwierig.

Ob nun neue Handelsverträge oder zusätzliche Milliarden für den britischen Gesundheitsdienstleister NHS versprochen wurden: Keine der von den Brexit-Befürwortern vor dem Referendum geweckten Hoffnungen hat sich erfüllt.

In den kommenden Tagen und Wochen steht die nächste wichtige Entscheidung an. Wenn das britische Unterhaus nicht einlenkt, wird Großbritannien die EU Ende des Monats ohne Austrittsabkommen mit der EU verlassen. Ein solcher Hard oder No-Deal-Brexit könnte dabei helfen, einige nationalistische Argumente zu entzaubern.

Die Nationalisten versprechen ...

Der Aufstieg Donald Trumps zum US-Präsidenten symbolisiert am besten, wie sehr Globalisierungsgegner in den vergangenen Jahren Aufwind hatten. Trump zog mit "America First" in den Wahlkampf und versprach, gegen weitere Handelsliberalisierungen zu kämpfen. Viele der Argumente bildeten auch den Kern der Botschaft der Brexiteers.

Ihr Land könnten sie bald zurückbekommen, und dann? Viele der den Brexit-Anhängern gemachten Versprechen haben sich nicht erfüllt.
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Aber auch die FPÖ in Österreich, Matteo Salvinis Lega in Italien und Marine Le Pens Rassemblement National propagieren einen nationalistischen Kurs, der aus einem ablehnenden Mix gegenüber wirtschaftlicher Integration und Migration, also Globalisierung, besteht. "Unser Ziel ist die Zerstörung dieser EU", sagte Le Pen einst.

Bisher blieb es vor allem bei Ankündigungen. Trump hat einen noch nicht in Kraft getretenen Handelspakt mit mehreren asiatischen Ländern aufgekündigt. Er hat chinesische Produkte mit Zöllen belegt und kämpft gegen Stahlimporte. Ansonsten schreckte er vor einem Handelskrieg zurück. Mit Mexiko und Kanada verhandelte er sogar einen neuen Wirtschaftspakt. Die EU und Japan können weiterhin unbeirrt ihre Waren in die USA ausführen.

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US-Präsident Donald Trump will Handelsverträge machen, bei denen endlich die USA "gewinnen".
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Der Präsident führt seinen Kampf vor allem rhetorisch. Bei der Lega ist es ähnlich: Die Partei setzt weiterhin auf eine EU-feindliche Rhetorik, hütet sich aber davor, mit Brüssel zu brechen. Einen ähnlichen Kurs fahren andere Rechtspolitiker, zumal viele keine Regierungsverantwortung tragen. Die Nationalisten müssen nirgends Belege für ihre Thesen abliefern.

... aber der Wahrheitsbeweis fehlt

Mit dem Hard Brexit würde sich das ändern. Der zollfreie Warenverkehr wäre zu Ende: Großbritannien und die EU müssten auf Basis der Regeln der Welthandelsorganisation WTO Handel treiben. Auch die WTO-Regeln schreiben zwar über alle Waren hinweg betrachtet nur moderate Zölle vor. Doch es gibt Ausnahmen. Auf Pkws würde ein Zoll von zehn Prozent anfallen. Bei vielen Agrarprodukten, etwa Rindfleisch, wären es sogar 70 Prozent und mehr. Ohne Binnenmarkt endet der freie Güterverkehr, Kontrollen an den Häfen wären die Folge.

Während Ökonomen sonst immer unterschiedlicher Meinung sind, herrscht hier Einigkeit: Wirtschaftlich wäre der Prozess für die Briten schmerzhaft. Der Hard Brexit würde zu einem spürbaren Wohlstandsverlust für Großbritannien führen, sagt der Ökonom Harald Oberhofer, der am Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) und an der Wirtschaftsuni Wien arbeitet.

Wenn die Rezession kommt

Der Internationale Währungsfonds hat vorhergesagt, dass die britische Wirtschaft heuer um 1,5 Prozent zulegen wird, wenn es gelingt, einen Hard Brexit zu vermeiden. Sollte der harte Exit kommen, wird die britische Wirtschaft stattdessen in eine Rezession stürzen und um 1,5 Prozent schrumpfen, schätzt Oberhofer.

Britische Unternehmen würden sich schwerer tun, Waren auszuführen, wenn Zölle fällig werden. Der Autobauer Honda hat bereits angekündigt, ein Werk in Großbritannien schließen zu wollen. 3500 Jobs gehen verloren. Die Zölle verteuern aber auch Importe.

Manche Anbieter aus Europa werden nur noch so teuer anbieten können, dass sie sich ganz von der Insel zurückziehen müssen, sagt Oberhofer. Wenn Kunden weniger Auswahl haben, sinkt der Wettbewerb. Die Preise steigen. Für Konsumenten kommt das teuer. Lokale Unternehmen, die dabei gewinnen, müssen Mehreinnahmen nicht in neue Fabriken reinvestieren, weil Wettbewerber ja weggefallen sind.

Experiment De-Globalisierung

Der Ökonom Gabriel Felbermayr, der das Institut für Weltwirtschaft in Kiel leitet, erwartet zwar keinen so drastischen Effekt. Die Briten hätten keinen Grund auf Importe, die ihnen wichtig sind, Zölle einzuheben. Autos oder Rindfleisch könnten die Engländer weiterhin zollfrei ins Land lassen. Zudem steht es den Briten frei, Grenzkontrollen bei Einfuhren zu unterlassen und nur stichprobenartig zu prüfen. Das würde den Effekt eines Hard Brexit dämpfen.

Ökonomen gehen davon aus, dass ein Hard-Brexit die britische Volkswirtschaft hart treffen wird.

Doch auch Felbermayr geht von einer Wachstumsdelle aus. Er und Oberhofer sagen, dass ein Hard Brexit ein spannendes Experiment wäre. Seit 1945 werden Handelsverflechtungen nur enger. Wie das Gegenteil aussieht, können Ökonomen nur theoretisch vorhersagen. "Bei einem Hard Brexit ließe sich die Desintegration von Märkten beobachten", so Oberhofer.

Felbermayr glaubt sogar, dass die negativen Erfahrungen eines Brexits kurzfristig Globalisierungsfeinde bremsen würden. Langfristig warnt er aber vor diesem Effekt: "Die EU sollte Länder anziehen, die von der Mitgliedschaft profitieren wollen, und nicht Staaten halten, die sich nicht austreten trauen." Würde in Europa so ein Klima der Angst entstehen, dürfte damit das Ansehen der EU sogar sinken, so der Ökonom.

Bisher war der Effekt ein anderer. In den Eurobarometer-Umfragen ist die Zustimmung zur EU europaweit zuletzt auf den höchsten Wert seit 25 Jahren gestiegen. Laut Meinungsforschern hat das Wirrwarr um den Brexit dazu beigetragen. (András Szigetvari, 11.3.2019)