Es könnte von einem gewissen Wahn zeugen, wenn jemand überall Gendersternchen sieht.

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Eigentlich will man nicht mehr darüber reden. Seit rund vierzig Jahren wird das Thema geschlechtergerechte Sprache debattiert, in dieser Zeit erweiterten zahllose neue Begriffe und Formulierung unseren Sprachgebrauch (ohne, dass es irgendjemanden gekratzt hätte). Deshalb wollen wir uns nicht in der Debatte verstricken, welchen Sprachwandel wir brauchen und welcher angeblich unnötig ist. Das ist nicht vorrangig eine linguistische Frage, sondern eine der politischen Haltung. Fakt ist jedoch, dass es früher nicht nur an Signifikaten für Signifikanten wie "Apps" und "Elektroscooter" fehlte, sondern auch an Respekt gegenüber Frauen, gegenüber Minderheiten.

Früher war eben nicht alles besser und schöner. Auch nicht die Sprache. Doch es gibt Fortschritt, es gibt Entwicklung, das ist dem Engagement vieler Menschen zu verdanken. Doch manche Statements halten sich seit Jahrzehnten: Warum es in diesem und jenem Fall schlicht un-mög-lich sei, Frauen sprachlich zu berücksichtigen, warum wir auf das "N-Wort" auf keinen Fall verzichten können und das Sternsternchen ja ach so deppert sei.

Realitätsverzerrung

Ja, eh. Sie ist nicht überall "durchzuhalten", die geschlechtergerechte Sprache. Aber das ist auch nicht der Punkt. Von "überall" soll keine Rede sein. Doch als Patientin auf einer Geburtenstation konsequent auf jedem Schild als Patient angesprochen zu werden muss nicht sein, oder? Im Jahr 2019.

Keine verlangt, dass jetzt endlich von Christinnentum gesprochen wird, wie die AutorInnen eines "Kommentars der anderen" kürzlich andeuteten. Damit verzerren sie die Realität völlig, die alles andere als übertrieben genderneutral ist. In Zeitungen, Ansprachen, Romanen, in sämtlichen Gesprächen – geschlechtergerechte und diskriminierungsfreie Sprache ist die Ausnahme. Wer das anders sieht, verkehrt offenbar in einer radikalfeministischen Blase, die er oder sie gerne jederzeit wieder in Richtung Mehrheitsgesellschaft verlassen kann. In deren Diskursen hängen die als Belästigung empfundenen Gendersternchen, Binnen-Is oder Unterstriche beileibe nicht in jedem Satz rum.

Und nein, man muss uns Feministinnen nicht die "Salzstreuerin" reichen. Derlei halblustige Versuche, das Thema lächerlich zu machen, sind einfach schon zu alt, zu öd. Und es verkehrt einen entscheidenden Faktor: Tatsächlich wird es immer mehr Leuten wichtig, sprachlich halbwegs geschlechterneutral und frei von diskriminierenden Begriffen zu agieren. Eine Gesellschaft will sich schließlich weiterentwickeln.

Da war doch was mit der Verfassung

Wer das auf sprachlicher und somit auch auf gesellschaftspolitischer Ebene nicht will, der oder die soll um Himmels willen beim Maskulinum bleiben. Aber anderen bitteschön nicht vorschreiben, dass sie ebenfalls so zu handeln haben. Auch Institutionen, die der Verfassung verpflichtet sind, kann man nicht anschaffen, wieder das generische Maskulinum einzuführen. Zur Erinnerung: Es gibt verfassungsrechtliche Grundlagen für Gleichbehandlung, damit bekennen sich Bund, Länder und Gemeinden zu Maßnahmen für eine faktische Gleichstellung. Die sprachliche Berücksichtigung von Frauen gehört dazu. Aber keine Sorge, geniale AutorInnen und Sprachbewahrer*innen: Sie müssen das eh nicht tun. Bleiben Sie nur beim Maskulinum für alle. Es ist zwar an vielen Stellen schlicht Unsinn, aber was soll's. Nur reden müssen wir über diesen Maskulinum-Wahn hoffentlich bald nicht mehr. (Beate Hausbichler, 13.3.2019)