Werner Kogler will die Grünen wieder zurück ins österreichische Parlament bringen. Auf dem Weg dorthin muss aber erst die Hürde Europawahl genommen werden.

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Referent, Abgeordneter, stellvertretender Parteichef, Parteichef und jetzt EU-Spitzenkandidat in der großen grünen Schicksalswahl – Werner Kogler hat bei den Grünen nichts ausgelassen. Die zahlreichen Ämter sind aber weniger dem großen Ego geschuldet als vielmehr dem Bestreben, seiner Partei, die in den vergangenen Jahrzehnten sein Leben bestimmt hat, zum Erfolg zu verhelfen. Früher zumindest. Jetzt geht es darum, das Überleben zu sichern. Dabei sei er "eine klassische und brauchbare Nummer zwei und eher nicht geeignet für die ganz allererste Reihe", bekannte Kogler einmal ehrlich. Aus der zweiten Reihe heraus hat er für seine Partei durchaus erfolgreich Politik gemacht: etwa als Aufdecker im Hypo-Bankskandal.

Kein Notnagel

Die Krise der Grünen nötigte zum Rollenwechsel. Die Frage, ob Kogler mit ihnen zurück ins heimische Parlament finden wird, bleibt noch unbeantwortet. Ob er als Frontmann bei der EU-Wahl punkten kann? "Als Notnagel sehe ich mich nicht. Ich will schließlich – wie bisher – vieles umsetzen", sagt er auf derartige Fragen. Er sei "bei wichtigen Projekten immer voll in der Spur. Das ist mir wichtiger, als in irgendeine Führungsfunktion zu drängen." Teams seien ihm wichtig, er wolle nicht "den Alleinunterhalter spielen". Muss er aber mehr oder weniger unfreiwillig, denn der Parteiapparat besteht nach dem Rauswurf aus den Nationalrat aus gerade einmal drei Mitarbeitern – für die EU-Wahl wird aufgestockt.

Ehemalige Mitstreiter loben ihn als freundlich. Er sei aber auch chaotisch. Oft wird auf seine rhetorischen Fähigkeiten hingewiesen. Bekannt geworden ist seine fast dreizehnstündige Protestrede im Budgetausschuss, die er mit dem Satz "Das ist eigentlich schon alles, was ich sagen wollte – das soll's gewesen sein" abschloss. Kogler sei der Mittler gewesen, wenn sich im Parlamentsklub Gruppen gebildet hätten, habe vermittelt, aber dann die Entscheidungen der Führung mitgetragen.

Rebell, Fußballer, Partymacher

Die Rolle des parteiinternen Mediators muss der Steirer über die Jahre entwickelt haben. In der Jugend war er anders: "Ich war grundsätzlich rebellisch, Politik hat mich nicht so interessiert, eigentlich drehte sich alles um Fußball und Partys", erinnert sich der Grünen-Politiker. Gekickt hat er beim heimatlichen Dorfverein, als 19-, 20-Jähriger durfte er bei der U21 von SK Sturm Graz mittrainieren: "Aber da bin ich nur mitgaloppiert. Es gab keinen Einsatz." Geblieben sind die Liebe zum Verein und kaputte Knie, die ihn heute noch schmerzvoll an diese Zeit erinnern.

Kogler, 1961 geboren, kommt aus St. Johann in der Haide, einem kleinen Vorort von Hartberg. In den 1970er-Jahren ein hartes Pflaster für einen jugendlichen Rebellen: "Als ich ein Kind war, war das ein tiefschwarzes Nest. Und erzkatholisch." Er besucht in Gleisdorf das Gymnasium, schlägt sich mit Neonazis herum und ärgert die Verzopften. Gemeinsam mit Freunden gründet er im Alter von circa 17 den "Verein zur Abschaffung des Mittelalters in der Oststeiermark". Der Vereinszweck: Provokation. "Einmal sind wir mit einer elektrischen Rundbürste mit Kabel am Hauptplatz gestanden und haben die Leute damit interviewt. Die haben alle fest in die Bürste reingeredet."

Politische Erweckung

Sein politisches Erweckungserlebnis hat Kogler bei der Matura. Es ist das Jahr 1980, in Deutschland wurden gerade die deutschen Grünen gegründet: "Das Thema bei der Deutschmatura hieß sinngemäß, ob wir eine solche Partei auch in Österreich bräuchten. Das habe ich mit Ja beantwortet."

Kaum aus der Schule zieht es ihn sofort nach Graz, er fängt ein Volkswirtschaftsstudium an, engagiert sich bei der Alternativen Liste, der Vorläuferpartei der Grünen. Die Politkarriere nimmt Fahrt auf: "Ich war der jüngste Gemeinderat einer Landeshauptstadt zu der Zeit." 1988 ist diese Phase beendet, aus einem Inskribenten wird doch noch ein Student. Kogler schließt sein Studium ab, arbeitet im elterlichen Betrieb, einem Getreidehandel. Übernehmen wollte er das Geschäft nie.

Dann, die Grünen: Madeleine Petrovic bringt ihn in die Partei, er wird Referent für Finanzen und Wirtschaftsfragen. Als sich Andreas Wabl zurückzieht, schlägt Koglers Stunde: "Das war damals alles überraschend. Aber es läuft oft so: Dass ich Bundessprecher werde, war nicht geplant, dass ich EU-Spitzenkandidat bin, ebenso wenig. Ich habe ja auch nicht geplant, dass die Grünen aus dem Nationalrat fliegen."

Bittere Nationalratswahl

Die Nationalratswahl 2017 führt zur bittersten Stunde der Grünen: nur 3,8 Prozent der Stimmen. Zeit also, die grünen Koffer zu packen. Für Kogler kommt die Niederlage nicht überraschend, wie er sagt: "Schon Wochen vorher haben ein Kollege und ich davor gewarnt. Wir blieben damit alleine." Andere hätten lieber schon über etwaige Koalitionsmöglichkeiten gesprochen. Mit den Gewinnern, den Ex-Grünen, der Liste Jetzt gibt es dennoch eine Gesprächsbasis. Angebote, bei der EU-Wahl doch gemeinsam anzutreten, hält er für unseriös. Es sei nicht einzusehen, "dass man hier versucht, die Grünen auf dem Stimmzettel nicht vorkommen zu lassen". Außerdem seien das Projekt der Liste Jetzt und Johannes Voggenhuber längst festgestanden.

Also wird alleine wahlgekämpft. Mit der Starköchin Sarah Wiener hat er eine prominente Mitstreiterin gefunden. Ein paar Hunderttausend Euro müssen als Wahlkampfbudget reichen. "Wir haben kein Geld, aber Herzblut", lautet seine Parole.

"Die Zeit tickt"

Punkten will er mit dem klassischen Grünen-Thema Umwelt. Wirtschafts- und Systemfragen würden mitgestellt und beantwortet. Der Bogen spannt sich von Verkehrs- und Energiepolitik bis zu "gescheiten Lebensmitteln": "Die Zeit tickt, es ist etwas zu tun. Diese Themen erreichen jetzt die Leute viel stärker, als es vor kurzem noch möglich gewesen ist."

Geworben wird online, ein paar Plakate werde man selbst kleben. Das erste Wahlziel ist denkbar bescheiden: drinnenbleiben. Die derzeit drei Mandate zu verteidigen scheint auch nicht in Reichweite. Aber dem Wahlkämpfer ist klar, dass es bei diesem Urnengang um viel mehr geht: "Die EU-Wahl ist auch eine Wahl über die Zukunft der Grünen." (Peter Mayr, 17.3.2019)