50 Paar Schuhe außerhalb der All Souls Church in Neuseeland sollen an die 50 ermordeten Muslime erinnern.

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Gibt es eine global vernetzte neonazistische Terrorgruppe, die im Namen der Tempelritter agiert? Trotz intensiver Ermittlungen von Polizeibehörden weltweit gibt es dazu keine stichhaltigen Hinweise. Mit dem Australier Brenton T., der vergangene Woche in Neuseeland in zwei Moscheen 50 Menschen ermordete, bezeichnete sich jedoch ein weiterer rechtsextremer Terrorist als Tempelritter.

Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern hat sich geweigert, dem Attentäter von Christchurch eine Plattform zu bieten und kritisiert soziale Medien, die das nicht verhindert haben.
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In seinem "Manifest" schrieb er, dass er sich vor seiner Tat den Segen des "großen Tempelritters" Anders Breivik abgeholt hatte. Ob Breivik und T. Kontakt hatten, wird geprüft. Offensichtlich ist, dass T. den durch Breivik verbreiteten Mythos der modernen Tempelritter neu anheizen wollte.

Rückeroberung Europas

Breivik, der 2011 in Oslo und auf der Insel Utøya 77 Menschen ermordet hatte – darunter großteils Jugendliche –, hat jedenfalls behauptet, im Jahr 2002 an einem Treffen von Tempelrittern teilgenommen zu haben. Ermittler begannen daraufhin fieberhaft nach einer derartigen Organisation zu suchen, sie wurden jedoch nicht fündig. Wahrscheinlich ist, dass Breivik die neuen Tempelritter erfunden hat, um Angst in der Bevölkerung auszulösen und potenzielle Gleichgesinnte zu inspirieren.

Die Symbolik der Tempelritter findet jedoch auch in rechtsextremen Bewegungen Resonanz. So wirbt die Identitäre Bewegung mit der "Reconquista", der "Rückeroberung Europas". Sie bezieht sich damit auf die Vertreibung der Muslime von der Iberischen Halbinsel, an der im Mittelalter auch Orden nach Vorbild der Templer beteiligt waren. "Gewiss stehen wir heute in keiner unmittelbaren militärischen Konfrontation, und dennoch dominiert der Zeitgeist der Selbstabschaffung durch die Ideologie von Multikulti", schreibt die Identitäre Bewegung Deutschland auf ihrer Webseite mit Bezug auf die Reconquista.

Ein andere Templer-Bezug führt nach Österreich: Im Jahr 1900 gründete Jörg Lanz von Liebenfels den Neutempler-Orden. Ursprünglich Ordensmann bei den Zisterziensern wandte sich der christlich-arische Eiferer immer stärker rassistischen und eugenischen Ideen zu. Zwei der von ihm vertretenen Behauptungen: die "arische Rasse" sei die höchststehende und befände sich in einem Abwehrkampf gegen andere "Rassen". Das Wappen der Neutempler enthielt bereits Hakenkreuz; im Nationalsozialismus wurden sie wie alle religiösen Sekten verboten.

Die Behauptung vom "Großen Austausch"

Identitäre distanzierten sich nach dem Anschlag rasch auf den sozialen Medien – nicht zuletzt deshalb, weil sie bestimmte Verschwörungstheorien des Terroristen nicht nur teilen, sondern selbst verbreitet hatten. Dazu gehört vor allem die Idee des "Großen Austausches", auf die der Attentäter im Titel seines "Manifests" hinwies: Die weiße Bevölkerung würde durch Migranten "ersetzt" werden.

Diese Verschwörungstheorie wurde vom französischen Autor Renaud Camus populär gemacht, einem Vordenker der französischen Rechtsextremen, der passenderweise auf einer aus dem Mittelalter stammenden Burg lebt. Renauds Buch wurde wiederum vom Österreicher Martin Lichtmesz übersetzt, einem der intellektuellen Köpfe der hiesigen Neuen Rechten.

In seinen Tweets und jenen von Martin Sellner, Kopf der Identitären in Österreich, werden die geistigen Grundlagen der Terrorattacke weiter verteidigt: "Der Täter von Christchurch will die demografische Zeitbombe, auf der wir sitzen, hochjagen. Der Mainstream will so tun, als gäbe es sie nicht. Identitäre wollen sie entschärfen", ließ etwa Sellner verlauten, der gleichzeitig die "Ermordung Unschuldiger" durch den Attentäter verurteilte.

Zweite Türkenbelagerung

Ein anderes beliebtes Motiv bei Neuen Rechten und Rechtsterroristen ist die Zweite Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1683. Breivik nannte sein Manifest "2083", der mutmaßliche Attentäter von Christchurch schrieb den Namen "Ernst Rüdiger von Starhemberg" auf seine Waffe. Dabei handelt es sich um den damaligen Stadtkommandanten von Wien. Mit diesem Namen als Absender wurde auch eine Briefbombe von Franz Fuchs versandt.

Der mutmaßliche Terrorist Brentan T. könnte auch Wien besucht haben. Das lassen archivierte Fotos seiner Facebook-Seite vermuten. Die Reisebewegungen werden Thema sein im ständigen Unterausschuss für Inneres, der nächste Woche stattfindet. Auch STANDARD-Recherchen zu rechten Netzwerken im Bundesheer sollen dort behandelt werden. (Fabian Schmid, Klaus Taschwer, 19.3.2019)