Beim Volkskongress in Peking bekräftigte Xi sein Prestigeprojekt "Neue Seidenstraße".

Foto: imago/Xie Huanchi

In Italien wogt die Debatte über den am Donnerstag beginnenden viertägigen Staatsbesuch von Chinas Präsident Xi Jinping. Wie viel Entgegenkommen soll Rom zeigen? Xi stellt Milliardeninvestitionen zur Modernisierung italienischer Häfen wie Triest und Genua in Aussicht. Dahinter steckt Kalkül. "Dank ihrer strategischen Lage können Italiens Häfen zu Passagen für Chinas Güter werden, die über den Indischen Ozean oder den Suezkanal verschifft werden", sagt der Strategie-Experte, Wang Yiwei, im Gespräch mit der "Global Times".

Dazu passt, dass Peking mit Rom ein ebenfalls umstrittenes, bilaterales Absichtsabkommen (MoU) abschließen will, zur Zusammenarbeit für seine Offensive "Neue Seidenstraße". China nennt das gigantische Projekt auch "Belt and Road Initiative" (BRI), weil es über Straßen und Wirtschaftskorridore die Volksrepublik mit mehr als 80 Staaten in Zentral-, Südostasien und Afrika bis nach Europa verbinden soll.

Italien würde zum ersten G7-Land werden, das eine solche MoU mit China unterzeichnet. Für Staatschef Xi wäre es ein Prestigegewinn, wenn Rom aus der EU-Front der Skeptiker ausschert.

An jedem Eingangstor

Die öffentliche Debatte in Italien, die Xis Besuch auslöst, scheint Peking nicht zu beunruhigen. Kurz vor Beginn der bis 27. März dauernden Europareise, auf der Xi auch Monaco und Frankreich besuchen wird, sagte Vizeaußenminister Wang Chao in Peking: "Missverständnisse und Zweifel" gebe es bei allen "neugeborenen Dingen".

Wang verweigerte konkrete Auskünfte, um wie viele Häfen es geht, die Italiens Regierung sich von Peking finanzieren und modernisieren lassen will. Hongkongs "South China Morning Post" (SCMP) nannte vier Hafenprojekte: Triest, Genua, Ravenna und Palermo. Für den sizilianischen Hafen spricht, dass Xi kommendes Wochenende nach Palermo fahren will. Ein italienischer Beobachter sagte: "China möchte im Norden und Süden Italiens mit an jedem Eingangstor sitzen."

Dahinter steckt Methode. Denn jeder Hafen mit chinesischem Einfluss ist ein Erfolg für das globale Netzwerk der Volksrepublik. Laut SCMP ist Peking dabei, auch in den drei größten Häfen Europas Fuß zu fassen. Seine Großreedereien hätten sich zum Beispiel 35 Prozent Anteile an Euromax in Rotterdam erworben. Außerdem wollen sie auch in Hamburg einen Terminal bauen.

Hafen-Offensive seit 2009

Mit Piräus begann 2009 Pekings Hafen-Offensive. Die Staatsreederei COSCO leaste Teile des Containerumschlagplatzes auf 35 Jahre. Da war noch keine Rede von der Neuen Seidenstraße. Erst 2013 stellte Staatschef Xi Jinping international sein Megaprojekt vor, das er zur Chefsache machte.

Piräus ist heute Chinas führender BRI-Umschlaghafen für Europa. Er ist Teil einer Kette von Häfen, die von chinesischen Unternehmen neu gebaut oder modernisiert wurden und sich entlang der Küstenländer seiner neuen Seidenstraße ziehen. Darunter fallen strategisch besonders wichtige Häfen wie Gwadar in Pakistan, Dschibuti in Afrika – wo Peking auch seine erste ausländische Militärbasis baute – oder Sri Lanka. Dessen Hafen Hambantota wurde von China auf 99 Jahre geleast.

Er ist auch ein Paradebeispiel, wie Staaten in die Schuldenfalle durch chinesische Kredite geraten und am Ende Betrieb und Management ihres Hafens abgeben mussten. Kritiker aus den USA und der EU warnen Italien vor solchen Wirtschaftsabkommen, die zu "trojanischen Pferden" werden.

Ebenso problematisch ist auch die MoU, die Rom mit Peking unterzeichnen will. Das Berliner China-Forschungsinstitut Merics erinnert an den Februar 2018, als noch 27 europäische Botschafter in Peking, darunter der italienische Missionschef, die neue Seidenstraßen-Initiative kritisierten, weil sie "fast ausschließ- lich chinesischen Interessen" dienen würde, und sich weigerten, bilaterale Absichtserklärungen zu unterzeichnen. Nur Brüssel könne eine solche Vereinbarung mit Peking treffen und mit "einer Stimme" für die EU sprechen.

Wie wichtig für Staatschef Xi die bilaterale Unterstützung seiner BRI-Initiative ist, zeigte sich auf dem China/Afrika-Gipfel. Peking überredete dort vergangenen September einzeln die Staats- und Regierungschefs aus 53 Ländern, mit ihr Seidenstraßen-MoU zu unterzeichnen. Triumphierend meldete die Nachrichtenagentur Xinhua, dass 28 afrikanische Staaten dem nachkamen.

"Systemischer Rivale" der EU

Während Xi in Italien eintrifft, starten am Donnerstag die EU-Staats- und Regierungschefs ihren zweitägigen Gipfel in Brüssel. Er wird vom Brexit dominiert, im Hintergrund gären aber bereits die Fragen, wie Brüssel mit China künftig umgehen soll. In einem neuen Positionspapier wird die Volksrepublik ein "systemischer Rivale" und wirtschaftlicher Wettbewerber genannt.

Brüssel will China auch nicht mehr als Entwicklungsland mit Sondervorrechten anerkennen. Chinas Führung, die einen Handelsstreit mit der USA aussitzen muss, verbarg ihren Ärger. Außenminister Wang Yi sagte vergangenen Montag: China sehe die EU als wichtigen Partner an, gleich, wie sich die internationale Lage ändert.

Am 9. April findet in Brüssel der EU/China-Gipfel statt, wo es um das neue Verhältnis der EU zu Peking geht. Brüssel will dabei auch ansprechen, dass China nicht EU-Mitglieder gegeneinander ausspielt oder die Union durch seine Sonderkonstruktion "16+1" mit 16 zentral- und osteuropäischen Staaten beschädigt.

Inzwischen geht diese Art von Aufspaltung aber weiter. Experte Wang Yiwei sagte zur "Global Times", dass auch Griechenland einen Aufnahmeantrag an die 16+1 eingereicht hat. Zwei Tage nach dem EU/China-Gipfel planen die 16+1-Staaten mit China in Dubrovnik ihren eigenen Gipfel. (Johnny Erling aus Peking, 21.3.2019)