Die Ökobilanz von Plastikbechern ist miserabel: Wir trinken nur ein paar Minuten daraus, aber sie brauchen Jahrhunderte, bis sie wieder von der Erde verschwunden sind. Allein in Österreich landen pro Jahr rund 600 Millionen Einwegbecher im Müll – in jedem zweiten davon war Coffee to go. Das Problem: Diese Becher, die man heute an praktisch jeder Ecke bekommt, sind so aufgebaut, dass wir uns daran nicht die Finger verbrennen und der heiße Kaffee das Material nicht auflösen kann.

Das gelingt durch mehrere Schichten – die innerste davon ist aus robustem Plastik. Daher kann der Becher nicht verrotten und muss beim Recycling mit größtem Aufwand in seine Einzelteile zerlegt werden. Nicht nur die Innenbeschichtung bleibt als Mikroplastik in der Umwelt, auch der Polystyroldeckel verrottet nicht. Kaffee muss schon verdammt gut schmecken, um sich davon nicht die Freude am herben Kick verderben zu lassen.

Lasst Becher wachsen!

Ein Team von kreativen Köpfen um den Brooklyner Designer Jun Aizaki hat sich auf die Suche nach alternativen Materialien für Kaffeebecher und Flaschen gemacht. Fündig wurden sie bei einer alten und sehr hartschaligen Kürbissorte, die Menschen weltweit schon vor tausenden Jahren verwendeten, um Flüssigkeiten aufzubewahren und zu transportieren. Dieser Flaschenkürbis gehört zu den ältesten Kulturpflanzen überhaupt und eignet sich nicht nur wegen seiner harten Schale wie kein anderes Gemüse als Gefäß – er hat auch die richtige Form, wächst schnell und trägt fast zu jeder Jahreszeit robuste Früchte. Aizaki fasste den Plan, aus der alten Frucht Neues entstehen zu lassen – und machte sich an die Arbeit.

Alte Sorte, neue Technik

Die erste Herausforderung: Wie bringt man einen Kürbis so in Form, dass man daraus Kaffee trinken und das Gefäß nach dem Trinken wieder abstellen kann? Dafür nutzten Aizaki und sein Team einen 3D-Drucker: Im ersten Schritt entwarfen sie die gewünschte Form des Bechers und stellten mithilfe des Druckers eine Hohlform dafür her. Der Kürbis konnte direkt in die Form hineinwachsen.

Foto: Chris Collie

Sobald die Frucht reif war, öffneten die Designer die Form, entfernten das Fruchtfleisch und ließen den Kürbisbecher trocknen. Die ersten Trinkproben aus dem Kürbisbecher wurden für gut befunden; man taufte das Produkt HyO – angelehnt an das japanische Wort "hyotan", was Flaschenkürbis bedeutet.

Foto: Chris Collie
Foto: Chris Collie

Der Haken: Das Verfahren ist relativ zeitintensiv. Das gibt auch sein Erfinder zu bedenken. Denn nach dem "Ernten" müssen die Kürbisbecher noch etwa drei Monate nachtrocknen. Das ist auch deshalb wichtig, weil nur völlig durchgetrocknete Becher keinen Geschmack mehr abgeben.

Gutes Gewissen to go

Dass Aizaki selbst seiner Idee großes Potenzial attestiert, mag nicht erstaunen. Doch er berichtet auch von interessierten Anfragen aus allen Teilen der Welt. Freilich: Die Herstellung der pflanzlichen Becher braucht Platz, Zeit und Wasser. Am Faktor Zeit ließe sich durch eine beschleunigte Trocknung drehen, den Bewässerungsdruck könnte man durch die Wahl des Anbaugebietes senken. Die Bilanz ist also nicht schlecht. Und immerhin fallen selbst bei der Herstellung eines Papierbechers mehr als 100 Gramm Kohlendioxid an. Noch ganz ohne Plastik. (Lisa Mayr, 22.3.2019)

Foto: Chris Collie
Foto: Chris Collie
Wie man ohne Plastik leben kann, erfahren Sie in unserem Podcast.