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Kommende Woche stimmt das EU-Parlament ein letztes Mal über die Urheberrechtsreform ab.

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Die EU will das Urheberrecht reformieren. Voraussichtlich am Dienstag findet die finale Abstimmung im Parlament statt. Doch die Pläne werden weitreichend kritisiert – und treiben tausende, vor allem junge Internetnutzer auf die Straße. Ein Überblick mit mehreren Aspekten.

Wie die Reform entstand

Das Urheberrecht braucht eine Reform. Über diesen Umstand sind sich alle politischen Fraktionen einig: Die geltenden Gesetze stammen aus dem Jahr 2001, einer Zeit, in der das Internet noch längst keine so prävalente Rolle spielte wie heute. Entsprechend waren aktuelle Herausforderungen und die heutige Lebensrealität der Bürger – die mittlerweile fast alle ein Smartphone und soziale Medien nutzen – nicht vorherzusehen. Während wir früher Inhalte im Buchgeschäft, in der Videothek, im Videospielladen oder beim Plattenhändler kauften, streamen wir heute unsere Videos und unsere Musik, lesen auf Webseiten und laden Inhalte herunter.

Das Copyright muss erneuert werden. Doch bei der Richtung, in die es stattdessen gehen soll, scheiden sich die Geister radikal.

Strenge Vorschläge

Vor allem wer im Management großer Medienverlage oder Medienverwerter sitzt, dürfte sich über die Lage der aktuellen Urheberrechtsreform der EU freuen. In fast allen strittigen Punkten entspricht der finale Entwurf der Reform den Wünschen der Branche. Stimmt das EU-Parlament in der kommenden Woche dafür, steht Europas Internet vor einem massiven Wandel.

Der Mann, der die Reform in ihrer jetzigen Fassung durch mehrere politische Instanzen gebracht hat, war der CDU-Politiker Axel Voss. Seine Freude über den Erfolg des von ihm federführend verfassten Gesetzestextes im September gilt als Sinnbild für ihre Befürworter. Der 55-Jährige sitzt als zuständiger Berichterstatter im EU-Parlament, wo er seit 2016 an der Reform arbeitet. Zuvor hatte die EU-Kommission die geltenden Gesetze evaluieren lassen – und kam zu der Überzeugung, dass es insbesondere bei der Vergütung von Urhebern Defizite gebe. Voss' Vorschläge gelten auch innerhalb des EU-Parlaments als besonders streng.

Umstritten sind vor allem die Artikel 11 und 13, die noch vor der Abstimmung stehen. Sie sehen jeweils ein sogenanntes Leistungsschutzrecht und einen Uploadfilter vor. Ersteres würde laut Netzaktivisten die Linkfreiheit im Netz einschränken, Letzterer das freie Internet im Allgemeinen bedrohen. Laut Artikel 13 müssten Onlineplattformen im Vorfeld Lizenzen von Rechteinhabern sichern und zudem für die Verletzungen des Urheberrechts durch Nutzer haften. Sogenannte Uploadfilter, die das bereits im Voraus prüfen und die Veröffentlichung verhindern, sind zwar nicht ausdrücklich erwähnt, gelten aber als wahrscheinlichste technische Lösung. Artikel 11 sieht ein Leistungsschutzrecht vor, das die Verbreitung von Textfragmenten verbietet.


Wie die Gegner reagieren

Als in Brüssel erstmals mit der Arbeit an der Urheberrechtsreform begonnen wurde, war Bernhard Hayden und seine Grundrechts-NGO Epicenter Works noch zuversichtlich. "Am Anfang war da noch das Wahlversprechen von Kommissionspräsident Juncker, die nationalen Silos aufzubrechen", sagt er zum STANDARD. Doch im ersten Entwurf der Kommission waren diese Änderungen gar nicht mehr enthalten, etwa Ausnahmen für die Privatnutzung im Netz und die Vereinheitlichung der Ausnahmen im Urheberrechtsgesetz. "Aktuell ist es so, dass Mitgliedsstaaten aus einem Katalog mit Ausnahmen selbst auswählen, welche sie einräumen und welche nicht – in der Praxis führt das zu 28 unterschiedlichen Auffassungen", sagt Hayden.

Mit Axel Voss sei aber ein Hardliner an dem Gesetzgebungsprozess beteiligt gewesen, der vor allem zugunsten von Verlagen und Verwertungsgesellschaften agiere. "Wir sollten uns stattdessen das jetzige System ansehen und verbessern", sagt Hayden. Aktuell ist es so, dass Onlineanbieter einen sogenannten "Notice and Takedown"-Prozess verfolgen. Wenn eine Urheberrechtsverletzung besteht, melden Betroffene das bei dem Betreiber der jeweiligen Website. Dieser entfernt die jeweiligen Inhalte dann nach einer Prüfung.

Unterschiedliche Interessen

Gegner wie Hayden denken, dass diese Richtlinien verbessert werden sollten. "Wir sind genauso dafür, dass Künstler von ihrer Arbeit leben können." Jedoch seien die Interessen von Verlegern und Verwertern sowie Künstlern und Journalisten nicht immer dieselben. "Es gibt viele Wege zur Verbesserung. Mindestlöhne, bessere Sozial- und Steuerpolitik." Die Artikel, die eigentlich die Position von Künstlern hätten stärken sollen, seien stattdessen verwässert worden. Etwa sind sogenannte Total-Buy-out-Verträge, bei denen Urheber sämtliche Rechte gegen ein pauschales Honorar an einen Verwerter erteilen, weiterhin legal.

Epicenter Works begleitet seit Jahren den Gesetzgebungsprozess, im Dezember entschied man sich dazu, gemeinsam mit anderen Aktivisten die Plattform pledge2019.eu aufzubauen, über die Nutzer EU-Parlamentarier kontaktieren können, die sich noch nicht gegen die Reform ausgesprochen haben. Das Engagement von Haydens NGO und anderen hat europaweit Tausende mobilisiert, die auf die Straße gehen, um gegen die Reform zu protestieren. Sie fürchten, dass das Internet, wie wir es heute kennen, nicht mehr so existieren können wird. Zu sehr würde die neue Richtlinie das Teilen von Inhalten einschränken. Auch in Österreich wurde am Samstag demonstriert.


Lobbying-Vorwürfe von allen Seiten

Ich bin kein Bot": Diesen Spruch sieht man auf Demonstrationen gegen die Urheberrechtsreform häufig. Er spielt darauf an, dass manche Abgeordnete, die für die Pläne gestimmt hatten, von automatisierten Kampagnen sprachen. Die großen amerikanischen IT-Konzerne sollen "Bots" losgeschickt haben, hieß es. Außerdem wurde sogar von Morddrohungen und Telefonterror bei privaten Telefonnummern der Politiker gesprochen.

Tatsächlich haben die Firmen ihren Unmut über manche Bestandteile der Reform zum Ausdruck gebracht. Hinweise auf eine konzertierte Kampagne der Silicon-Valley-Riesen gibt es jedoch nicht. Vielmehr sind es NGOs wie Epicenter Works, die Nutzer europaweit vernetzen und zum Widerstand gegen die Urheberrechtspläne aufrufen. "Es ist ein mächtiges Narrativ, dass jede Kritik automatisch als von Google oder amerikanischen Eliten gesteuert diskreditiert wird", sagt Bernhard Hayden von Epicenter Works.

Dabei ist es keineswegs so, dass große Konzerne nicht auch für Uploadfilter und das Leistungsschutzrecht lobbyiert hätten. So berichteten Abgeordnete wie der Grüne Michel Reimon, dass hinter dem Gesetzesentwurf massive Kampagnen großer Verleger stünden. In Deutschland sollen etwa Bertelsmann und der Axel-Springer-Verlag großen Druck auf Politiker erzeugt haben.

Kritik an Berichterstattung

Die positive Einstellung zu Uploadfiltern und zum Leistungsschutzrecht soll sich dabei auch in der Medienberichterstattung niedergeschlagen haben. Vor allem gegen die französische Nachrichtenagentur AFP gab es Vorwürfe, die eigene Berichterstattung zu verzerren und für die Reform Stimmung zu machen, anstatt neutral zu berichten.

Demo gegen Uploadfilter in Wien
und in Berlin.

Für viele Abgeordnete stellt die Situation ein Dilemma dar. Sie wollen es sich nicht mit jungen Wählern verscherzen, aber ebenso wenig mit großen Verlagen, die im Besitz wichtiger Zeitungen und Magazine stehen. Dazu kommt der Druck durch Google, Facebook und Konsorten, die auch in Brüssel immer größere Lobbyingbüros aufbauen.

All das führte zum aktuellen Kompromissvorschlag, der im Grunde genommen alle Seiten verärgerte. So gingen etwa den Verlagen die Ausnahmeregelungen für Start-ups nicht weit genug. Kommende Woche werden sich die Abgeordneten jedenfalls für eine Seite entscheiden müssen. (Muzayen Al-Youssef, Fabian Schmid, 24.3.2019)