600.000 Jobs sind in Deutschland direkt vom Verbrennungsmotor abhängig. Drohende US-Zölle und strengere Emissionsauflagen belasten die exportorientierte Autoindustrie.

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Der deutsche Konjunkturmotor stottert – die Geräusche sind aber leicht verwirrend: Mehrere Wirtschaftsinstitute haben ihre Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts 2019 fast halbiert. Aber die monatlich vom Ifo-Institut befragten Manager sind erstmals seit einem halben Jahr wieder optimistischer, wie am Montag bekannt wurde. Am Dienstag wiederum sank erstmals seit einem Jahr das Beschäftigungsbarometer; das heißt, deutsche Unternehmen steigen beim Personalaufbau auf die Bremse. Was ist da los? Und wie ist Österreich davon betroffen?

Das Geschäftsklima zeigt ein Muster: Der Exportweltmeister Deutschland wird von der Binnenwirtschaft aufrechterhalten. Die Deutschen bauen fleißig Häuser, gehen zum Aldi und Arzt. Das Zugpferd Industrie bleibt aber lahm. Die Industriebosse bewerteten ihre aktuelle Lage so pessimistisch wie seit 2012 nicht mehr. In den deutschen Geschäften ist das Stimmungsbild genau umgekehrt: Insbesondere der Einzelhandel freut sich weiterhin über eine sehr gute Entwicklung. Den Stimmungsumschwung brachten aber Dienstleister und Bauunternehmer, die vom laufenden Geschäft positiv überrascht waren.

"Von einer Trendwende für die Konjunktur kann man aber nicht sprechen", sagt Ifo-Chef Clemens Fuest dem STANDARD. Die Situation bleibe "fragil", aber nach mehreren Jahren des Wachstums sei eine Konjunkturschwäche nicht verwunderlich. Fuest rechnet mit einer "sanften Landung".

Sorgenkind bleibt die Exportindustrie. Auffällig, dass die Unsicherheit der Manager so hoch wie zuletzt vor der Krise 2008 ist. Das liege laut Fuest vor allem am politischen Versagen. Der chaotische Brexit und der Handelskonflikt der USA mit China und Europa wirft seine Schatten auf die Zukunft.

Die große Frage laute, ob die Welthandelsorganisation (WTO) künftig an Bedeutung verliere und von bilateralen Abkommen abgelöst werde. Auch die Verwerfungen der deutschen Autobranche sind nicht abgehakt. Weitere Nachrüstungen und Emissionsvorgaben trüben den Ausblick für die 600.000 Arbeitnehmer, die direkt am Verbrennungsmotor hängen. Außerdem habe Europas größte Volkswirtschaft zukunftsträchtige Investitionen verabsäumt. "Das Geld wäre da", sagt Fuest. Das Problem liege weniger in Berlin als am regionalen Unwillen, neue Projekte im eigenen Hinterhof zu bauen.

Dass sich die deutsche Binnenwirtschaft im Vergleich so gut geschlagen hat, liegt vor allem an den vielen neuen Jobs und steigenden Löhnen, die den Konsum ankurbeln. Ob sich die Dienstleistungsbranche dauerhaft von der Industrie entkoppeln könne, sei offen, sagt Fuest. Deutschland bleibe Exportnation.

Gepolstertes Österreich

Der nördliche Nachbar ist für ein Drittel des österreichischen Außenhandels verantwortlich. Vor allem heimische Zulieferer in der Autoindustrie hängen von deutschen Aufträgen ab. Trotzdem halten sich die Auswirkungen der Wachstumsdelle in Grenzen, schätzen Experten (siehe Grafik). Dass die hiesige Autobranche von den Tumulten in Deutschland halbwegs verschont blieb, habe viele überrascht, sagt Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien. Die vollen Auftragsbücher bei Magna und Co sprechen dafür, dass die hierzulande gefertigten Modelle weiterhin gefragt sind.

Insgesamt spiele der heimischen Wirtschaft die Alterung der Gesellschaft noch weniger übel mit. Der in Österreich gern lamentierte Fachkräftemangel schlägt sich in Deutschland längst gravierender nieder. Auch die engere Verflechtung mit den boomenden Volkswirtschaften Osteuropas stützen das heimische Wachstum. Nicht zuletzt haben Maßnahmen der türkis-blauen Regierung, vor allem der Familienbonus, vielen Konsumenten die Geldbörsel aufgepolstert.

Was die rosigeren Erwartungen betrifft: Österreich ist weniger eng mit Großbritannien verflochten als Deutschland, auch die Auswirkungen möglicher US-Autozölle würden den Nachbarn härter treffen. Doch für die kommende Konjunkturprognose am Freitag gelte: Nach oben wird nicht revidiert. (Leopold Stefan, 26.3.2019)