Graz – Ein älterer, grauhaariger, Mann mit schlapper, unpassender Jeans und hellgrünem, etwas abgetragenem Sakko sitzt nach vorn gebeugt am kleinen Tisch vor dem Richter. Er redet ruhig, besonnen, wirkt beinah verschüchtert.

Es ist noch nicht lange her, da war der Angeklagte eine große Nummer im oststeirischen Bezirk, ein geachteter, bestens verdienender Landarzt mit repräsentativem Wohnsitz und Bediensteten. Er habe an Depressionen gelitten, sagt er, sei suizidgefährdet gewesen. Psychisch sozusagen ein Wrack. Aber er habe noch ein anderes Gesicht, wirft ihm die Anklage vor. Er habe seine Kinder jahrelang psychisch gequält, sich selbst verletzt, mit dem Skalpell geschnitten, Nadeln in verschiedene Körperteile gerammt, sich einen Schraubenzieher in den Bauch gerammt. Die Kinder mussten daran teilhaben.

Untiefen und Abgründe

In einem ersten Prozess wegen Quälens seiner Kinder wurde der Arzt Eduard Lopatka freigesprochen, der Richter diagnostizierte lediglich einen Rosenkrieg. Die nächste Instanz sah dies anders und ordnete eine Wiederholung an. Und nun sitzt Lopatka also wieder als Angeklagter vor einem neuen Richter.

Millimeter um Millimeter versucht Richter Oliver Graf sich in diesem Beziehungsdickicht der Lopatkas samt allen noch verborgenen Untiefen und Abgründen vorzuarbeiten. "Wie war das also mit dem Cannabis?", fragt Graf. Dahinter steht der Vorwurf, der Arzt habe seine Kinder abhängig gemacht. Ja, er habe seiner Tochter Cannabis geben, "aber kein richtiges". Es sei lediglich ein Gemisch aus Käsepappeltee und Minze gewesen. Er habe sie nur testen wollen, ob sie tatsächlich Marihuana konsumiere. Eine Tochter spräche aber von Joints im Arbeitszimmer. "Stimmt nicht", sagt der Arzt, "ich weiß nicht, warum sie das sagt."

Und er selbst? Sei er drogenabhängig gewesen – wie es später auch der Sohn in einer kontradiktorischen Vernehmung behaupten wird? Er habe nach einem Radunfall Schmerzmittel genommen. Die ihm allerdings auch sein kleiner Sohn intravenös verabreichte. Dieser war so zwischen elf und 13. "Als ich ihn das erste Mal spritzen musste, rief er mich ins Elternzimmer. Er war voll Blut, auch das Bett." Es sei schwer gewesen, die Venen seines Vaters zu treffen.

"Nur kleine Schluckerln"

Ob er seinen Kindern Alkohol gegeben habe? "Ja, aber nur kleine Schluckerln." Ein im Gerichtssaal abgespieltes Video zeigt ein anderes Bild: Die Kinder veranstalten eine Art Wettsaufen mit Bier, bis sie lallen und torkeln. Der Papa filmt. "Was denken Sie jetzt?", fragt Richter Graf. "Ja, was denke ich jetzt?", wiederholt Lopatka die Frage. "Hätte ich nicht machen sollen. Sie hatten aber keine bleibenden Schäden erlitten." Er sehe jedenfalls keine Mitschuld an den Angst- und depressiven Störungen, unter denen die Kinder heute leiden. "Auch dass ich mich suizidiere" habe letztlich keine Auswirkungen auf die psychische Verfasstheit der Kinder.

Dass er wieder hier vor Gericht sitzt, lastet Lopatka seiner Exfrau an: "Sie will mich vernichten." Aus Eifersucht. Im April sind die Töchter und die ehemalige Gattin als Zeuginnen geladen. (Walter Müller, 27.3.2019)