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Die umstrittene Urheberrechtsreform passierte am Dienstag unverändert das EU-Parlament.

Foto: ap/badias

Die Entscheidung des EU-Parlaments, die umstrittene Urheberrechtsreform in ihrer Gesamtheit anzunehmen, hat am Dienstag für einen Schock in der netzaktivistischen Szene gesorgt. Spontan bildeten sich in mehreren deutschen Städten Demonstrationen gegen die Regelung, die Uploadfilter für urheberrechtlich geschützte Inhalte und ein Leistungsschutzrecht vorsieht.

Doch die Entscheidung der Abgeordneten hätte eigentlich anders ausfallen sollen. Denn die Entscheidung, ob Abänderungsanträge zugelassen werden sollen – also über Uploadfilter und Leistungsschutzrecht einzeln statt im Paket abgestimmt wird -, fiel hauchdünn negativ aus. Nur fünf Stimmen fehlten dafür. Nun gaben gleich zehn EU-Abgeordnete bekannt, sich bei der entscheidenden Abstimmung "verdrückt" zu haben. Das heißt, dass theoretisch eine Mehrheit dafür bestanden hätte. An der Gültigkeit des Ergebnisses ändert das nichts.

Nun wappnen sich die Gegner der Reform für einen langen Rechtsstreit. Zuerst muss die Richtlinie aber noch einmal vom EU-Rat abgenickt werden. Das ist zwar nur eine Formalität, in Deutschland wollen Gegner der Pläne aber weiteren Druck auf die dortigen Regierungen aufbauen. Die Abstimmung wird voraussichtlich am 15. April stattfinden, sagte ein Sprecher der Vertretung der EU-Staaten am Mittwoch in Brüssel. Es könne jedoch noch Änderungen geben.

Zwei Jahre Zeit

Nach der Bestätigung durch den EU-Rat bleiben den nationalen Parlamenten dann zwei Jahre, um die Richtlinie in nationales Recht umzuwandeln. Erfahrungsgemäß könnte das in einigen Mitgliedsländern auch länger dauern. Erst dann besteht die Chance, die Gesetze vor Gerichte zu bringen. Schon jetzt gilt als nahezu sicher, dass sich eines Tages der Europäische Gerichtshof mit der Thematik auseinandersetzen muss. Der entschied in einem früheren Verfahren, dass soziale Netzwerke keine automatischen Uploadfilter einsetzen müssen, um problematische Postings herauszufiltern. Die Rechtssicherheit der neuen Regeln ist also umstritten. Befürworter der Reform hoffen jedoch, dass die Plattformen auf Uploadfilter verzichten und stattdessen massenhaft Lizenzen von Rechteinhabern erwerben.

Auswirkungen unklar

Unklar ist, wie sich die Regeln auf die Internetnutzung der einzelnen User auswirken werden. Die US-NGO Electronic Frontier Foundation (EFF) sprach von einem "desaströsen Gesetz". Sie warnte, dass Konzerne wie Google in ihren Nachrichtenseiten auf Links zu europäischen Medien verzichten könnten.

Der Jurist Clemens Appl von der Donau-Uni Krems schätzt die Richtlinie positiv ein: "Sie schafft mehr Rechtssicherheit." Zudem umfasse sie mehr als die umstrittenen Bestimmungen. So würden einige Regelungen die Stellung von Kreativschaffenden verbessern, grenzüberschreitendes E-Learning ermöglichen sowie Text- und Data-Mining vereinfachen.

Warnfunktion?

Aus Sicht von Appl werde es für Nutzer "keine gravierenden Änderungen, eher Verbesserungen" geben. Aktuell seien Nutzer für Uploads persönlich haftbar. "Die Reform wird das Risiko einer Abmahnung verringern, weil Plattformen die Rechte für den Upload erwerben müssen", so Appl. Scheitern sie daran, sind sie verpflichtet, die Veröffentlichung zu verhindern. Das habe eine Warnfunktion für Nutzer, die unwissentlich unerlaubt Inhalte teilen und eine persönliche Haftung riskieren, so Appl. Zudem müssten Plattformen nun verpflichtend Beschwerdemechanismen gegen nicht erforderliche Sperren vorsehen, was bisher nicht notwendig war. Auch dürfe man nicht vergessen, dass die Kreativbranche Interesse daran habe, ihre Inhalte zu verbreiten. (Fabian Schmid, Muzayen Al-Youssef, 27.3.2019)