Johannes Hahn besuchte Sarajevo.

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Im Vorfeld der Rechtsstaatskommission kam am Donnerstag EU-Kommissar Johannes Hahn nach Sarajevo. Denn eines der größten Probleme in Bosnien-Herzegowina ist die fehlende Rechtsstaatlichkeit: Parteien kontrollieren die Institutionen der Justiz – offiziell scheinen diese unabhängig zu sein, doch über Postenbesetzungen wird politischer Einfluss genommen.

Deshalb wird kommende Woche der deutsche Jurist Reinhard Priebe mit Experten nach Bosnien-Herzegowina reisen, um den Rechtsstaat unter die Lupe zu nehmen – so ähnlich wie das bereits in Mazedonien im Jahr 2015 geschah. Die völkischen Parteien, die territoriale Ansprüche stellen, wollen allerdings verhindern, dass es auf staatlicher Ebene Gerichte gibt, die sie nicht kontrollieren können.

In der Erweiterungsstrategie der EU-Kommission war vergangenes Jahr der Satz zu finden: Die Staaten des westlichen Balkans zeigen klare Elemente von Unterwanderung. Durch den Priebe-Report in Mazedonien konnten ab 2016 zumindest in Mazedonien Strukturen geschaffen werden, die wieder für mehr Rechtsstaatlichkeit sorgen. Diese Strategie in Mazedonien soll nun zum Vorbild für andere Balkanstaaten werden, die keine effizienten Rechtsstaatsreformen unternommen haben.

22 unbeantwortete Fragen

Hahn kritisierte in Sarajevo, dass Bosnien-Herzegowina innerhalb von zwei Jahren nicht in der Lage gewesen sei, einen Kontaktstelle für die Europol zu nennen. Kürzlich hat Bosnien-Herzegowina Antworten auf die 600 zusätzlichen Fragen der EU-Kommission übermittelt – wie so oft viel zu spät, fünf Monate nach der Fristsetzung. 22 Fragen blieben zudem unbeantwortet – unter anderem die Frage, weshalb der Balkanstaat 13 Entscheidungen des Verfassungsgerichts nicht umsetzt.

Der Fragebogen der EU soll dazu dienen, herauszufinden, inwieweit die Gesetze in Bosnien-Herzegowina EU-konform sind. In der Folge soll dann über den Kandidatenstatus entschieden werden. Bosnien-Herzegowina ist neben dem Kosovo der einzige Staat in Südosteuropa, der noch keinen EU-Kandidatenstatus hat. Hahn warnte in Sarajevo vor allzu großen Erwartungen.

Er forderte die Parteien aber auf, eine Regierung auf Staatsebene zu bilden. Mehr als fünf Monate nach den Wahlen in Bosnien-Herzegowina haben sich die größten Parteien zumindest auf die Prinzipien geeinigt, anhand derer sie den Ministerrat, also die Regierung bilden wollen. Neben den völkisch orientierten Parteien SNSD, HDZ und SDA, könnten auch bürgerorientierte Parteien wie die Demokratische Front dabei sein.

Problem des Wahlgesetzes

Die Wahlen haben vergangenen Oktober stattgefunden, ohne dass das Wahlgesetz den Urteilen des Verfassungsgerichtshofs angepasst worden war, was etliche rechtliche Fragen offengelassen hatte, etwa wie das Parlament im Föderation-Landesteil gebildet werden soll. Die Wahlkommission schritt daraufhin ein und löste das Problem, doch die größte bosniakische Partei, die SDA focht die Entscheidung an. Das Verfassungsgericht verweigerte sich aber, in der Angelegenheit zu urteilen. Das Grundproblem bleibt allerdings bestehen: Die kroatisch-nationalistische HDZ fordert die Änderung des Wahlgesetzes zu ihren Gunsten. Weitere rechtliche Verfahren zum Wahlgesetz sind zudem anhängig.

Umstrittenes Kohlekraftwerk

Für Kritik seitens der EU und Umweltschutzorganisationen sorgt auch ein Kredit über 600 Millionen Euro, den der Föderation-Landesteil von der chinesischen China Exim Bank nimmt, um eine neue Einheit für das umstrittene Kohlekraftwerk in Tuzla zu bauen. Das Kohlekraftwerk in Tuzla sorgt für eine enorme Luftverschmutzung und eine Feinstaubbelastung, die zu schweren Erkrankungen der Bürger, die im Umfeld leben, führt.

Die Bürger der bosnischen Städte Tuzla und Sarajevo leiden unter der europaweit höchsten Luftverschmutzung. Deshalb will nun auch das Sekretariat der EU-Energiegemeinschaft ein Streitschlichtungsverfahren eröffnen. Untersucht werden sollen die Auswirkungen auf die Umwelt, die staatlichen Hilfen und die öffentliche Ausschreibung.

EU-Kommissar Johannes Hahn sagte, dass der Kredit die Frage aufwerfe, inwieweit sich Bosnien-Herzegowina an internationale Abkommen und europäische Regeln halte. Die EU ist seit einigen Jahren besorgt über die steigenden chinesischen Infrastrukturinvestitionen in Südosteuropa. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 28.3.2019)