Volles Programm: Urinprobe, Blut abzapfen, Organscreening, Belastungs-EKG. Was ich jetzt noch weiß: Wer sich mit mir anlegen will, der legt sich mit 44 Kilo Muskelmasse an.

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Irgendwann Mitte Februar will ich es wissen: der hartnäckige Schnupfen, das Ziehen im Kreuz, der kleine Fleck am kleinen Zehn des rechten Fußes. Ich wähle die Nummer der SVA, die ich sonst nur wegen zu hoher Vorauszahlungen anrufe, und vereinbare einen Termin zwecks Vorsorgeuntersuchung: "Ab acht geht's bei Ihnen?" "Ab halb acht!"

Ich bin hochmotiviert, als mich in der Zentrale im fünften Bezirk zwei schwergewichtige Autoritäten empfangen: "Das füllen Sie bitte aus, und mit dem Harnbecher ..." Das mit dem Nüchternsein hat man sich hier längst abgewöhnt, das kleine Fenster aber, durch das man den Becher hindurchschieben sollte, ist immer noch da. Trotzdem kommt schon der Erste mit seiner Spende zurück, die nicht aussieht wie das Gelb, mit dem Van Gogh gemalt hat, sondern wie fauler Dotter. Entsprechend übel gelaunt zieht er die Stuhlprobe aus seiner Hosentasche und wirft sie in die Tupperware auf der Anrichte.

Dreißig Jahre Kanzler Kurz

Auf jedem Amt gibt es den Superchecker, und der sitzt dann verlässlich neben mir: Er trägt blaue Jogginghosen, einen roten Sweater, gelbe Sneakers und zurückgekämmte Locken. Den Kaugummi jongliert er gekonnt zwischen Unterlippe und Zunge, was nicht nur ekelhaft aussieht, sondern sich auch so anhört. In einem Sackerl von Malone London (luxuriöse Düfte!) sammelt er seine Befunde. Wenn man Selbstbewusstsein im Körper nachweisen kann, dann wird die Nadel bei ihm ausschlagen. Tröstlich, dass ihn sein Body-Mass-Index wieder auf den Teppich zurückholen wird.

Ich nehme rechts auf einem der gelben Sessel Platz, während neben mir einer telefoniert, der die Kupplung an seinem Wagen richten ließ. "Des Auto hat kaan Wert mehr, oba fia mi schon!" Außerdem, schreit er ins iPhone, versuche er heute, die Berufsunfähigkeit zu erlangen. Er ist geschätzte zehn Jahr jünger als ich, und ich ertappe mich dabei, wie ich ihm noch dreißig Jahre Kanzler Kurz an den Hals wünsche. Das wünsche ich sonst wirklich keinem!

Lungen-Shooting

Im Kammerl für Erstgespräche ziehe ich mich bis auf die Unterhose aus. Die sehr sympathische Ärztin trägt eine Bluse in der gleichen Farbe, das Eis ist gebrochen. Ich stelle mich an die Messwand, die mich um zwei Zentimeter kürzer macht als noch zu Zeiten der Stellung, wohingegen die Waage mich deutlich schwerer macht als damals. Ich schiebe es auf die schweren Knochen, und bespreche nun mit ihr den Plan: großes Blutbild mit Tumormarker? Aber sicher! Anschließend gleich zum Lungenröntgen? Ja, wann denn sonst? Wie wär's mit einem Oberbauchultraschall? Besser heute als nie!

Ich verabschiede mich nach der Blutabnahme und docke im Franziskusspital an. Dort, bei der Anmeldung, erklärt ein älterer Mann einem Arzt, dass ihm von den Knien herauf immer wieder alles einschläft. Ich will sofort wieder weg, werde aber schon "zur Lunge" gerufen, wo ich mich wieder oben frei mache. Nach dem "Shooting", wie Heidi Klum sagen würde, glaube ich beim Hinausgehen auf meinem Röntgenbild an der Wand weiße Flecken zu erkennen. Sind das etwa Löcher in meiner Lunge?

Ich ziehe mich besorgt wieder an und gleich wieder aus, bevor ich mich in den finsteren Oberbauchraum lege und nachdenke: Wie lange werde ich es noch tun? Ein Schweigsamer kommt herein und fängt wortlos an, mit seinem Ultraschallgerät in meinem Oberbauch herumzurühren. Dabei tut er, was ich gar nicht leiden kann: Er macht Fotos, während sein Gesicht "interessant, interessant!" sagt. "Was genau ist denn so interessant?", möchte ich ihn fragen. "Die Löcher in meiner Leber etwa?" Aber da ist er schon wortlos wieder verschwunden.

"Jetzt gaaaaaaaaanz tief einatmen"

Beim Empfang händigt man mir die Röntgenbilder in einem Plastiksackerl aus, die ich mir aber wegen der vielen "Löcher" in der Lunge nicht anschauen werde. Die Befunde gehen an die SVA, und "falls irgendwas nicht stimmt", rufen die mich an. Während der nächsten Tage schalte ich mein Telefon aus.

Sechs Wochen später bin ich wieder da, und die zwei am Empfang bitten mich, "bei den grauen Sesseln Platz zu nehmen", wo man gleich meine Lungenfunktion testen werde. Dafür schmiert man mir eine Salbe aufs Ohrlapperl, "die gleich ein bisserl heiß wird". Aber wieso denn aufs Ohr? Eine Hektische neben mir, die während der letzten zehn Minuten fünf Sackerln auf Kante zusammenlegt hat, lässt mich an die Plakate mit der Psychiaterin drauf denken, die hier überall ihre Hilfe anbietet, falls man "über längere Zeit Gedanken nicht mehr los" wird.

Die Lungenfrau sticht mein Ohr, weil man aus dem Ohrenblut gewisse Bläschendaten besser ablesen könne. Keck frage ich: "Wie bei den Fußballern?", bei denen ich das im TV schon mal gesehen habe, Stichwort: Laktattest. Sie verweigert aber eine Fachdiskussion auf Augenhöhe und setzt mich stattdessen in eine Kammer, in der vor mir ein Mundstück hängt, von dem ich hoffe, dass es frisch ist. Dann leitet sie mich mit ihren Armen wie eine Dirigentin: "Jetzt gaaaaaaaaanz tief einatmen, weiter, weiter, noch ein bisssssssserl!" Und dann: "Auuuuuusatmen, weiter, weiter", und abermals "noch ein bisserl!" Fürs Erste scheint sie zufrieden, was mich erleichtert durchatmen lässt.

Weißbrot und Südländer

Ich melde mich wieder bei den Autoritäten, die mich in den ersten Stock schicken. Dort telefoniert die Empfangsdame wegen einer sehr wichtigen "Frau Sommer" herum, die gerade im Anmarsch wäre. Wegen der seien alle Termine zu "schieben", sobald sie auf der Matte stehe, und ihre Befunde wären umgehendst zu erstellen, während wir Beitragszahler-Lulus .... .

"Herr Rebhandl?", fragt die Hautärztin, und ich möchte beleidigt antworten: "Hier! Aber natürlich nicht so wichtig wie Frau Sommer!" Die Haut ist das größte Organ des Menschen, sie bedeckt auch den Kopf, die Zehenzwischenräume oder andere Teile, wo man sonst nie hinschaut, wenn man nach Muttermalen sucht, vor allem auch nicht in die Pofalte ("Darf ich kurz?" – "Aber natürlich!"). Sie erteilt mir schließlich den Segen für Südkreta, aber nur "mit Faktor 30". Ein Weißbrot ist eben kein Südländer.

Wieder zurück in der Anmeldung, tadelt mich eine Melanie Griffith der SVA, weil ich eine Birne im Mund habe: "Vor der Körpersegmentmessung?" Ich bin in solchen Einrichtungen immer aufs Äußerste devot, weil ich hoffe, mir dadurch Ärger (oder Krankheiten) zu ersparen, also stammle ich: "Tschuldigung, aber beim Ausdauer-EKG unten habe ich auch schon eine Banane gekriegt." Die gab mir so viel Energie, dass die Ärztin das EKG nach sechs Minuten wegen Langeweile abbrach, obwohl es auf 14 Minuten anberaumt war.

Allerbester Saft

Die Ernährungsberaterin hängt mich dann trotz Birne an ihre Messgeräte, und schon wird jede Zelle durchleuchtet, während wir uns über "schwere Knochen" unterhalten, die häufig vorgebrachte Entschuldigung von Leuten, die das Schwabbelige an ihrem Körper über den Knochen nicht sehen wollen. Dann erfahre ich: Wer sich in Zukunft mit mir anlegen will, der legt sich mit 44,3 Kilo Muskelmasse an, und meine Füße sind exakt gleich schwer, was sie ziemlich beeindruckt. Hat sie wegen des Fettanteils am Ende noch einen Expertinnentipp für mich? "Nicht mehr zuführen als verbrauchen!"

"Herr Rebhandl!" Eine sehr sympathische Ärztin mit Pocahontas-Zöpfen hat den Packen Befunde vor sich liegen und erklärt mir meinen Körper, zu dem ich im Laufe des Vormittags eine ähnliche Zuneigung entwickelt habe wie der Kaugummityp zu dem seinen. Die Nieren arbeiten besser als verlangt (falls also jemand eine will, ich komme mit einer aus). Die Leber zeigte beim Oberbauchfotografen noch Tendenzen zur Fettleber, was aber durch die ausgezeichneten Werte widerlegt wurde. Die Lunge? Tadellos! Das Blut? Allerbester Saft. Der Urin? So gut, dass ich ihn bei den Hipstern im siebenten Bezirk neben den Sauerkrautsaft ins Regal stellen könnte!

Auf die Augenuntersuchung verzichte ich. Die Sache mit dem Finger hinten drin hole ich später nach. Ich hüpfe in die Sonne hinaus wie ein Springball, beschleunige den Puls auf das Doppelte, als ich dem Bus hinterherlaufe. Beim nächsten Kaffee verzichte ich auf die Milch, weil die ... "Ach was! Her mit der Milch! Und eine Kardinalschnitte, bitte!" (Manfred Rebhandl, 2.4.2019)