Im Western Interior Seaway, einem Binnenmeer 3000 Kilometer vom Einschlagsort entfernt, sorgen bereits wenige Minuten nach dem Asteroidentreffer schwere Erdbeben für hohe Wellen.
Illustr.: Kansas University/Robert DePalma

Das Ende eines Erdzeitalters kündigte sich in einem Binnenmeer in Nordamerika mit heftigen Bodenerschütterungen an, die auch das Wasser in Bewegung versetzten. Kurz darauf begannen Glasperlen vom Himmel zu fallen. Der gläserne Regen war heftig genug, um den Großteil der Vegetation an Land in Brand zu setzen. Im Wasser dagegen rangen Fische buchstäblich nach Atem, nachdem die winzigen Kügelchen ihre Kiemen verstopft hatten. Als die Wogen auf eine Flussmündung trafen, türmten sich zehn Meter hohe Wasserwände auf, die tausende Fische auf das sandige Ufer warfen und die Fließrichtung des Stromes vorübergehend umkehrten.

Sobald sich das Wasser wieder zurückzog, strandeten noch mehr Fische, die rasch von einer dicken Lage aus Glaskügelchen und Gestein bedeckt wurden. Die Sturzflut vom Himmel setzte sich weitere zehn bis 20 Minuten fort, ehe eine zweite riesige Welle das Ufer überflutete, alles mit Kies, Sand und feinen Sedimenten zuschüttete und damit vor 66 Millionen Jahren für die Nachwelt perfekt konservierte.

Video: Seltener Fund vom Tag als die Dinosaurier ausstarben
KU News Service

Diesen einzigartigen fossilen Friedhof – übereinandergeschichtete Fische, vermischt mit verkohlten Baumstämmen, Koniferenästen, Säugetieren, Mosasauriergebeinen, Insekten, Ammoniten und sogar den Überresten eines Triceratops – hat ein Team um Robert DePalma in den vergangenen sechs Jahren in der Hell Creek Formation nahe Bowman, North Dakota, zutage gefördert.

Momentaufnahme wenige Minuten nach dem Einschlag

Die nun im Fachjournal "PNAS" vorgestellte Entdeckung bestätigt, was DePalma bereits seit seinen ersten Grabungstagen im Sommer 2013 vermutet hatte: Die umfangreiche Fundstätte namens Tanis entstand unmittelbar nach dem Einschlag des rund zehn Kilometer großen Chicxulub-Asteroiden, der am Ende der Kreidezeit den Dinosauriern mit Ausnahme der Vögel den Garaus machte und insgesamt 75 Prozent der damaligen Arten vernichtete.

Die zahllosen Fossilien von Fischen, Reptilien, Säugetieren und anderen Lebewesen zeugen vom Ausmaß der Katastrophe.
Foto: Kansas University/ Robert DePalma

"Dies ist die erste Massenansammlung von größeren Organismen, die jemals gefunden wurde und direkt mit der sogenannten Kreide-Paläogen-Grenze in Verbindung gebracht werden kann", sagt DePalma von der University of Kansas. "An keiner anderen Fundstätte der K-P-Schicht existiert eine solche Kollektion von Arten in unterschiedlichen Lebensstadien, die alle zur selben Zeit gestorben sind." Dass der Fund tatsächlich mit dem berühmten Asteroideneinschlag in Zusammenhang steht, ergaben unter anderem die zahlreichen in der Fundschicht entdeckten Glaskügelchen. Diese sogenannten Tektite entstanden aus geschmolzenem Gestein, das beim Impakt in die Atmosphäre geschleudert worden war.

Unter den Fischen fanden die Paläontologen viele Störe und Löffelstöre, deren Kiemen von Tektiten verstopft waren.
Foto: APA/AFP/Kansas University/ Robert DePalma

Rätselhafte Wellen

Weniger klar war dagegen zunächst die Natur jener Wellen, die die Fische und andere Wasserbewohner offenbar an Land gespült und mit Sedimenten bedeckt haben. Ein typischer Impakt-Tsunami dürfte es jedenfalls nicht gewesen sein, denn dieser hätte den entsprechenden Teil des damaligen Binnenmeeres frühestens erst zwölf Stunden nach dem 3.000 Kilometer entfernten Einschlag im heutigen Golf von Mexiko erreicht. Die unter anderem in den Fischkiemen gefundenen Tektite regneten jedoch schon eine Stunde nach dem Impakt herab und hinterließen kleine Trichter im Schlamm des Meeresgrunds. Das wäre nicht geschehen, wenn der Meeresboden zu diesem Zeitpunkt noch mit Wasser bedeckt gewesen wäre.

Die Tektite sind meist kugelförmige Glasobjekte, die aus der beim Asteroideneinschlag emporgeschleuderten Gesteinsschmelze entstehen.
Foto: Kansas University/ Robert DePalma

Tödlicher Glasregen

Daher vermuten die Forscher, dass seismische Erschütterungen mit einer Magnitude von zehn oder elf die Region schon kurz nach dem Treffer erreichten und im Binnenmeer eine sogenannte Seiche auslösten – eine stehende Welle, die die Fische an Land warf und den Meeresgrund freilegte. "Die seismischen Wellen traten neun bis zehn Minuten nach dem Impakt auf, sodass sie genug Zeit hatten, das Wasser in Bewegung zu versetzen, ehe die Tektite vom Himmel zu regnen begannen", sagt Co-Autor Mark Richards von der University of California, Berkeley. "Diese Kügelchen verursachten kleine Krater. Man kann die Deformationen in der Fundschicht, die einst aus Schlamm bestand, deutlich erkennen."

Die Wissenschafter gehen davon aus, dass die Tektite mit einer Geschwindigkeit von bis zu 320 Kilometern pro Stunde niedergingen – regelrechte Geschoße also, die auf viele Lebewesen eine tödliche Wirkung gehabt haben dürften. Dieser Glaskugelregen war wahrscheinlich so heftig, dass die Energie ausreichte, Flächenbrände auf dem gesamten amerikanischen Kontinent auszulösen, möglicherweise sogar auf der ganzen Erde. (Thomas Bergmayr, 1.4.2019)