Als 1918 die Republik Österreich ausgerufen wurde, war vieles anders: Das Frauenwahlrecht wurde gerade erkämpft, die Lebenserwartung lag bei 45 Jahren, und die Landwirtschaft war der wichtigste Wirtschaftszweig. Die junge Republik kämpfte gegen Kohlenot und Hunger. Die Ressourcenknappheit trug auch zum Erfolg faschistischer Ideologien bei.

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte eine neue Dynamik ein, die mit der zunehmenden Verwendung von Erdöl einherging. Die neue Energiequelle, die leicht transportierbar und flexibel einsetzbar war, befeuerte den jahrzehntelangen Aufschwung. Im Zuge dessen wurden auch viele soziale Errungenschaften verwirklicht, etwa die Steigerung von Lebenserwartung und Bildungsniveau. Seit den Ölpreisschocks der 1970er-Jahre stieg der Energieeinsatz in Österreich etwas langsamer an, gleichzeitig mehrten sich die globalen Umweltauswirkungen des industriellen Ressourceneinsatzes.

Fundamentaler Wandel mit globalen Nachhaltigkeitszielen?

Die Uno implementierte im Jahr 2015 die globalen Nachhaltigkeitsziele, damit bis 2030 alle Staaten Schritte in Richtung nachhaltiger Entwicklung setzen. Ziele zum Schutz von Ökosystemen und Klima stehen wirtschaftlichen und sozialen Zielen gegenüber. Heute erfüllt kein Land der Welt alle Nachhaltigkeitsziele. Industrialisierte Länder haben bestimmte soziale Ziele (Gesundheit, Frieden) eher erreicht, während sie ökologischen Zielen (zum Beispiel Klimaschutz) hinterherhinken.

Bild nicht mehr verfügbar.

Bei den #FridaysForFuture-Demos wird für eine bessere Klimapolitik protestiert. Industriestaaten hinken bei der Realisierung der Klimaziele enorm hinterher.
Foto: REUTERS/Susana Vera

Als sozial-ökologische Transformation bezeichnet die soziale Ökologie den Wandel, den Industriestaaten für eine nachhaltige Entwicklung vollziehen müssen, die nicht mehr auf materiellem Wachstum und zunehmender Umweltzerstörung beruht. Diese Transformation wird insbesondere in der Mobilität, beim Wohnen, in der Ernährung und im Konsum großer Veränderungen bedürfen. Dazu müssen sich sowohl Verhaltensweisen ändern als auch Institutionen, Gesetze und Steuern, wie jüngst von Schülerinnen und Schülern auf Klimastreiks gefordert.

In einem nachhaltigen Energieregime können fossile Energieträger, ähnlich wie im Österreich vor hundert Jahren, keine große Rolle mehr spielen. Wie schwer der Ausstieg aus der Fossilenergie aber sein wird, belegen Projekte wie die dritte Flughafenpiste in Schwechat oder der Lobautunnel. Zu groß ist die Abhängigkeit von Infrastrukturen, die auf erdölbasierten Technologien beruhen. Zu tief verankert ist das Vertrauen auf Wirtschaftswachstum zur Lösung aller Probleme.

Wie lassen sich Wirtschaftswachstum und die Steigerung von Wohlstand mit dem Umweltschutz vereinbaren?
Österreichische Akademie der Wissenschaften

Die Grenzen und Potenziale der Nachhaltigkeitsziele

Die UN-Nachhaltigkeitsziele können aus guten Gründen kritisiert werden, was ihr transformatives Potenzial betrifft: Sie sind nicht verbindlich, und ihre Verfehlung zieht keinerlei Sanktionen nach sich. Außerdem sprechen sie Widersprüche zwischen ökologischen und ökonomischen Zielen nicht an. Sie erlauben es einzelnen Ländern also im Prinzip, sich darauf zu konzentrieren, was ohnehin leicht erreichbar ist, ohne die Herausforderungen einer wirklichen Transformation anzugehen. Im globalen Vergleich liegt Österreich beispielsweise auf Platz sieben bei der Erreichung der Nachhaltigkeitsziele, obwohl es mit seinen hohen Pro-Kopf-Emissionen kein Vorbild sein kann.

Dennoch ist es legitim, gewisse Hoffnungen mit den Nachhaltigkeitszielen zu verbinden. Nachdem sich alle Uno-Mitgliedstaaten auf sie geeinigt haben, könnten sie kommunikativ Hebelwirkung entfalten. Sie bieten ein wichtiges Argumentationsinstrument für NGOs, Beraterinnen und Berater oder Behörden, um nicht nachhaltige Projekte oder Politiken zu verhindern und damit Raum für Alternativen zu schaffen. So könnten die Nachhaltigkeitsziele die Entwicklung jener sozialen und technologischen Innovationen unterstützen, die eine sozial-ökologische Transformation vorantreiben. (Simone Gingrich, 3.4.2019)