Lemawork Ketema könnte am österreichischen Rekord kratzen.

Foto: Heribert Corn

Wien wird nicht Berlin werden, aber ein Quintett aus Österreich schickt sich im Vienna City Marathon an, Wien Dubai bzw. Tokio werden zu lassen. Lemawork Ketema, Peter Herzog und Christian Steinhammer waren im Vorjahr bei der EM in Berlin völlig unverhofft als Team zu Bronze gelaufen. Ketema und vielleicht auch Eva Wutti könnten am Sonntag das Ticket für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio lösen. Das ginge über Limitzeiten und Platzierungen. Während Ketema unter Umständen wie nötig unter 2:11:30 Stunden bleiben könnte, träumt Wutti von einem Platz unter den besten fünf, der bei Damen und Herren für Olympia reicht, da der VCM zu den Gold Label Marathons des internationalen Leichtathletikverbandes (IAAF) zählt. Ihrer Bestzeit nach (2:37:59) ist die 30-Jährige die Nummer zehn im Feld der Wiener Marathonfrauen. Sie träumt jedenfalls von einer Zeit unter 2:35 Stunden, die angesichts der recht günstigen Wettervorhersagen – trocken, aber nicht zu warm, verhältnismäßig wenig Wind – möglich sein sollen.

Ketema ist mit seinen im Vorjahr bei der EM in Berlin gelaufenen 2:13:22 etwas weiter von der Musik der Männer weg, traut sich aber zu, bei seinem Wiendebüt als Österreicher an den von Günther Weidlinger seit 2009 gehaltenen nationalen Rekord (2:10:47) heranzulaufen. Der 33-jährige gebürtige Äthiopier, der als solcher schon 2011 den VCM schmückte, hat vom Berliner Bronze motiviert "fleißig weitergearbeitet". Sein Training sei jede Woche besser geworden. Geholfen hat sicher Marathonveranstalter Wolfgang Konrad, der im vergangenen Dezember das VCM Team Austria ins Leben rief, um für sein Event zuverlässig eine starke Gruppe heimischer Athleten zu haben.

Vaterfigur und Wahlopa

"Derzeit hat Lema seine beste und professionellste Phase", sagt Harald Fritz (52), der Ketema trainiert und auch eine Art Vaterfigur gibt. Sein Schützling, der 2013 in Österreich um Asyl ansuchte und zwei Jahre später die Staatsbürgerschaft bekam, habe ganz schnell begriffen, "dass dies seine einzige Chance ist. Diese kann ihm einen Lottosechser im übertragenen Sinne ermöglichen. Und dementsprechend hart arbeitet er auch." Wenn Fritz Ketemas Vaterfigur ist, dann ist Walter Klinger, ein Freund, "sein Wahlopa". Zusammen mit dem pensionierten Schauspieler wurde ein Budget aufgestellt, dass dem Läufer ein möglichst unbelastetes Training ermöglicht.

Seine besten Zeiten lief Ketema erst, als er bereits in Österreich lebte. Davor stand seine Marathonbestzeit noch bei 2:17:16. Danach gewann er etwa 2014 den Graz-Marathon und belegte im Jahr darauf Rang zwei in Rio de Janeiro. Die folgenden Olympischen Spiele erreichte Ketema nicht. Lediglich 23 Sekunden fehlten ihm aufs nationale Limit von 2:14:00. Eine Stressfraktur und ein Knochenmarködem kosteten ihn das Sportjahr 2017, seither geht es nur noch bergauf bzw. schneller voran. Tokio 2020 ist sein ultimatives Ziel. Nur 80 statt bisher 160 Läufer werden den olympischen Marathon laufen. Ketema hat im neuen Punktsystem der neben den Limits relevanten Weltrangliste mit dem achten EM-Rang schon angeschrieben.

Berliner Déjà-vu

In Berlin lief er lange Seite an Seite mit dem Schweizer Tadesse Abraham, der sich Silber geholt hatte und am Sonntag in Wien zum engeren Favoritenkreis zählt. Abraham, der Halbmarathon-Europameister von 2016 und zweimalige Sieger von Zürich, hat eine Bestzeit von 2:06:40 Stunden und lief in diesem Jahr schon 2:09:50 in Dubai. Ketemas Trainer Fritz bereitet das neuerliche Treffen mit dem aus Eritrea stammenden, 36-jährigen Schweizer eher Sorgen. Sein Schützling dürfe sich nicht verleiten lassen, zu früh Gas zu geben. "Er tendiert dazu, das Rennen zu früh in die Hand zu nehmen."

Im Sog des abseits der Laufstrecken sehr zurückhaltenden Marathonprimus' entwickeln sich auch andere Österreicher besser. Das nominell zweitstärkste Mitglied im VCM Team Austria ist Valentin Pfeil. Der 30-Jährige strebt wie auch Peter Herzog (31) und Christian Steinhammer (30) in Wien eine persönliche Bestzeit und darüber hinaus das Limit für den WM-Marathon in Doha an, der am 5. Oktober der Hitze wegen nachts gelaufen wird.

2:16 lautet die magische Marke für die Teilnahme in Katar, die sich Eva Wutti übrigens nicht antun will. Pfeil (2:14:50) und Herzog (2:15:29) lagen bisher schon darunter, Steinhammer (2:17:54) jedoch darüber. Sie zu unterstützen wurde jedenfalls alles getan. "Die Österreicher sind mit je zwei Tempomachern so gut versorgt wie noch nie", sagt Rennleiter Johannes Langer, der zur Elitegruppe einen Abstand lassen wird. (Sigi Lützow, 7.4.2019)