Dienstag stehen in Israel Parlamentswahlen an. Florian Markl vom Thinktank Mena Watch im Gastkommentar über die Abwesenheit inhaltlicher Unterschiede im Wahlkampf.

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Die Situation ist paradox: Die israelische Parlamentswahl am Dienstag wird unerwartet spannend, weil die Parteienlandschaft gehörig in Bewegung geraten ist. Gleichzeitig besteht aber über die Grundlinien israelischer Politik weitgehender Konsens.

Premier Benjamin Netanjahu ist mit dem Wahlbündnis Blau-Weiß unter der Führung von Benny Gantz, einem erst vor wenigen Monaten in die Politik eingestiegenen ehemaligen Generalstabschef der Armee, zum ersten Mal seit zehn Jahren ernsthafte Konkurrenz erwachsen. Umfragen zufolge liegen Netanjahus Likud und das Bündnis Blau-Weiß, zu dem auch die Zentrumspartei des ehemaligen Fernsehmoderators Jair Lapid gehört, fast gleichauf. Sollte ihnen die angestrebte Ablösung Netanjahus gelingen, wollen Gantz und Lapid einander nach der Hälfte der Legislaturperiode im Amt des Premiers ablösen.

Wenig Aufwind

Die einst mächtige Arbeitspartei bleibt ein Schatten ihrer selbst. Auch wenn ihr jüngste Umfragen ein wenig Aufwind bescheinigen, hat sich die von Führungswechseln gebeutelte Partei nicht davon erholen können, dass der von ihr vorangetriebene Friedensprozess der 1990er-Jahre in blutigem palästinensischem Terror versank. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums wird die von Bildungsminister Naftali Bennett und Justizministerin Ajelet Schaked gegründete Neue Rechte in die Knesset einziehen, während die auf russische Einwanderer fokussierte Partei von Exverteidigungsminister Avigdor Lieberman an der 3,25-Prozent-Hürde scheitern dürfte.

Selbst wenn Blau-Weiß die Wahl gewinnt, würde das nicht automatisch den Sturz Netanjahus bedeuten, werden dem rechten Lager doch bessere Chancen darauf eingeräumt, eine mehrheitsfähige Koalition zu zimmern. Zuletzt wurde auch über eine mögliche große Koalition diskutiert, die aber wohl nur ohne Netanjahu zustande käme.

Streit um Personen

Geprägt war der Wahlkampf von der heftigen und untergriffigen Auseinandersetzung zwischen Netanjahu und Gantz. Der Premier inszenierte sich als der Einzige, der Israel in eine sichere Zukunft führen könne, während dem Land bei einem Sieg des unter anderem als psychisch instabil diffamierten Herausforderers ein Absturz in den Abgrund drohe. Umgekehrt besteht das Programm von Blau-Weiß wesentlich aus einem Punkt: Der wegen Korruptionsvorwürfen angeschlagene Netanjahu müsse weg; ihm gehe es bloß noch um Machterhalt, wozu ihm fast jedes Mittel recht sei und er das Land spalte.

Bemerkenswert war in alledem die Abwesenheit inhaltlicher Unterschiede. Der Streit drehte sich um Personen, nicht um Politik. Gerade in den Themenbereichen, in denen Netanjahu im Ausland scharf kritisiert wurde, herrscht weitgehend Einigkeit – egal ob es um den Konflikt mit den Palästinensern oder um die Auseinandersetzung mit dem iranischen Regime geht. Wenn überhaupt, so wurde der Premier dafür kritisiert, nicht entschlossen genug gehandelt zu haben. Auch nach Netanjahu wird sich Israel nicht dem Appeasement der Europäer gegenüber dem Iran und deren Illusionen über den Friedensprozess mit den Palästinensern anschließen. (Florian Markl, 8.4.2019)