Demonstrationszug der Identitären durch die Solinger Innenstadt im Sommer 2018. "Remigration" fordern die Rechtsextremisten.

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"Wenn es dir in Österreich nicht gefällt, dann geh doch zurück nach XY!" Diese oder ähnliche Aufforderungen haben schon sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund gehört, die in der Öffentlichkeit stehen, sich politisch äußern und gar Kritik üben. Dabei ist es natürlich unerheblich, ob es überhaupt einen Ort gibt, an den sie "zurückgehen" können. Ob sie in erster oder dritter Generation hier leben. Der Spruch dient ausschließlich dazu, sie auszugrenzen, zu verletzen oder eine Diskussion zu beenden, in der einer Seite die Argumente ausgegangen sind.

Drastisch und erschreckend zugespitzt konnte man diese Strategie vergangene Woche in sozialen Medien beobachten. Unter dem Hashtag #Abschiebechallenge forderten rechtsextreme Politiker und ihre Anhänger Journalisten und Journalistinnen sowie Politiker und Politikerinnen mit Migrationshintergrund auf, Deutschland zu verlassen.

Eine öffentliche, akkordierte Aktion, in der Menschen "nominiert" werden, die man gerne des Landes verweisen würde, ist natürlich ein Alarmzeichen. Sie zeigt, wie stark sich Minderheiten mit faschistoidem Gedankengut fühlen. Diese verabscheuungswürdige "Challenge" verweist aber auch auf eine positive Entwicklung: Integration gelingt.

Einige der "Nominierten" sind Nachkommen einstiger Gastarbeiter oder Flüchtlinge. Sie haben bemerkenswerte Karrieren gemacht, der soziale Aufstieg ist gelungen, sie können öffentliche Debatten und politische Entscheidungsprozesse mitbestimmen.

Genau an diesem Punkt weht ihnen ein Wind entgegen, den die deutsche Sozialwissenschafterin Naika Foroutan auf "Zeit Online" so beschreibt: "Wenn sie nicht mehr Putzfrau bleiben, sondern Rechtsanwältin werden wollen, beginnt der eigentliche Konflikt. Ein Gemüseverkäufer stört niemanden – außer Thilo Sarrazin. Es geht um ökonomische Verteilungskämpfe, aber auch darum, dass man bestimmten Gruppen bestimmte Plätze in einer Gesellschaft zuweist."

Die konzertierte Social-Media-Aktion der Rechtsextremisten von vergangener Woche ist natürlich eine Ausnahme, eine extremistische Zuspitzung. Doch diskriminiert wird auch subtiler und auf niedrigerem Niveau. Jeder vierte Schüler oder Student mit Migrationshintergrund fühlt sich diskriminiert, besagt eine Studie der Antidiskriminierungsstelle der deutschen Bundesregierung.

Das Meinungsforschungsinstitut GfK fragt im Auftrag des Österreichischen Integrationsfonds regelmäßig: "Haben Sie das Gefühl, dass Sie in Österreich benachteiligt werden, weil Sie Zuwanderer sind?" Zuwanderer mit höherer Ausbildung, mit Matura oder einem Universitätsabschluss, beantworten diese Frage häufiger mit Ja als jene mit Pflichtschul- oder Lehrabschluss. Zuwanderer, die kürzer in Österreich leben, beantworteten die Frage ebenfalls häufiger mit Ja als jene, die 20 Jahre oder länger in Österreich zu Hause sind.

"Integrationsparadox" nennt der deutsche Politikwissenschafter Aladin El-Mafaalani diesen Umstand: Die Integration gelingt, und eben daraus – nicht aus ihrem Scheitern – entstehen Konflikte und Gegenbewegungen.

Anders als die erste Generation der Zuwanderer, etwa die Gastarbeiter, erwarten viele Menschen aus den Nachfolgegenerationen Gleichbehandlung und empfinden jegliche Ungleichbehandlung als illegitim oder verletzend. Anders als vielleicht ihre Eltern oder Großeltern, die noch Pläne für eine Rückkehr hegten und nie ankamen, fordern ihre Nachkommen gleichberechtigte Teilnahme in allen Bereichen der Gesellschaft.

"Dann gehen Sie doch zurück ...": Das können sie – und kann übrigens auch ich – nur als verletzende Provokation und Diskriminierung wahrnehmen. Unserer Forderung nach Gleichbehandlung und gleichberechtigter Teilnahme ist Zeichen gelungener Integration. Und darunter fällt auch laut und öffentlich geäußerte Kritik an der Gesellschaft, deren Teil wir sind. (Olivera Stajić, 9.4.2019)