Einen guten Monat vor den Wahlen zum Europäischen Parlament klang am Montag eine Schlagzeile wie Musik in den Ohren der europaweit geschundenen Sozialdemokratie: "Finnische Sozialdemokraten gewinnen Parlamentswahlen". Dass das Ergebnis denkbar knapp ausfiel und mit nur 0,2 Prozentpunkten Rückstand die rechte Finnenpartei überraschend zweitstärkste Partei wurde, sorgte freilich auch für Misstöne. Auf 17,5 Prozent der Stimmen kam die europa- und immigrationsfeindliche Partei. Ihr war es im Wahlkampf gelungen, das Migrationsthema in einem Land wieder hochzukochen, in dem die Asylanträge zurückgehen und das kaum Flüchtlinge aufnimmt.

Parteifreunde aus der für die EU-Wahlen neu gegründeten Allianz der Rechtspopulisten wie Italiens Matteo Salvini oder Heinz-Christian Strache singen schon ein Loblied auf die "zukünftige Zusammenarbeit". "Am 26. Mai werden wir Europa letztendlich verändern", schrieb Salvini auf Twitter. Die Finnenpartei selbst wird das Kraut für die Allianz mit ihren prognostizierten zwei Abgeordneten nicht fett machen. Aber ja: Man muss sich als proeuropäisch veranlagte Person Sorgen machen, dass die Populisten auch auf EU-Ebene immer einflussreicher werden.

Angstmache und Aufregerthemen

Ihre destruktiven Strategien verfangen immer öfter in von Unruhe geprägten Zeiten. Hauptmotiv der finnischen Wählerinnen und Wähler, der Finnenpartei ihre Stimme zu geben, war neben der angeblich so hohen Kosten klimapolitischer Maßnahmen ein höchst emotional diskutierter Einzelfall: In der nordfinnischen Stadt Oulu laufen Ermittlungen gegen Immigranten wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen. Finnenpartei-Chef Jussi Halla-aho schlachtete den Fall maximal aus.

Mit ähnlichen Aufregerthemen werden Populisten auch in anderen EU-Ländern versuchen, dem Europawahlkampf ihren Stempel aufzudrücken. In Österreich erfolgt die Warnung von Innenminister Herbert Kickl vor einer neuerlich drohenden "Wanderbewegung von der Türkei nach Europa" – von der das Uno-Flüchtlingshochkommissariat nichts weiß – nicht zufällig sechs Wochen vor der EU-Wahl.

Der Mehrheit der Wähler graut aber eher vor Wahlkämpfen auf dem Rücken der Schwächsten. Sie wünschen sich Parteien, die realitätstaugliche politische Lösungsansätze der politischen Angstmache entgegensetzen. Nur vor dem Schreckgespenst Rechtsruck zu warnen könnte vielleicht schon dieses Mal zu wenig sein. (Manuela Honsig-Erlenburg, 15.4.2019)