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Die Kampagne für das Ja der Ägypter zur Verfassungsänderung war nicht zu übersehen. Vertreter der Nein-Front hatten kaum Öffentlichkeit.

Foto: Reuters / Mohamed Abd El Ghany

Die Werbekampagne für das Verfassungsreferendum, zu dem die Ägypter und Ägypterinnen beginnend mit 22. April aufgerufen sind, lief an, noch bevor die entsprechenden Verfassungsänderungen überhaupt im Parlament beschlossen waren: Eine "leuchtende Zukunft", ein "besseres Morgen" wird ihnen auf Wahlplakaten versprochen. Der Vorgriff mag ungewöhnlich erscheinen, aber die benötigte Zweidrittelmehrheit beim für Dienstag angesetzten Votum war ja tatsächlich sicher. Bei 531 Ja-Stimmen gab es nur 22 Gegenstimmen. Mit einer großen Mehrheit hatte das Abgeordnetenhaus Mitte Februar einen ersten Entwurf auf den Weg gebracht, der nun mit Modifikationen angenommen wurde.

Aber die Entscheidung liege nun allein in den Händen des Volkes, betonen Offizielle. Allerdings haben Vertreter der Nein-Front gegen die Verfassungsänderungen kaum Zugang zur Öffentlichkeit. Auch im Internet ist die ägyptische Obrigkeit zugange, Initiativen zu blockieren, die Hunderttausende – natürlich auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein – unterschrieben haben.

2030 statt 2034

Warum es bei der Novellierung der ägyptischen Verfassung geht: Schlagzeilen macht vor allem, dass dem 2014 erstmals gewählten und 2018 bestätigten Präsidenten Abdelfattah al-Sisi ein Verbleib über seinen ursprünglich vorgesehenen Abgang 2022 hinaus ermöglicht werden soll. Ein erster Entwurf sah eine mögliche zweimalige Wiederwahl ab 2022 für jeweils sechs Jahre vor, also einen Verbleib bis 2034. Artikel 241 in seiner neuen Form stipuliert hingegen, dass bereits die jetzige Amtszeit bis 2024 verlängert wird und die danach die letzte sein soll. Also 2030.

Aber die Änderungen die Amtszeit des Präsidenten betreffend sind nur ein Teil des Pakets, das Sisi noch mächtiger machen wird, als er jetzt schon ist: Bemerkenswert ist vor allem seine Ausweitung der Kontrolle über die Justiz.

Totale Kontrolle der Justiz

Es wird keinen wichtigen Posten im Justizapparat mehr geben, den der Präsident nicht selbst besetzt. Er wird auch der Chef eines neu zu schaffenden Justizrats sein, der dann wiederum das Budget für die Justiz beschließt. Es ist ein geschlossener Kreis. Zum Beispiel: Der Präsident bestellt den Generalstaatsanwalt aus einem Dreiervorschlag, den das neue Justizratsorgan vorlegt – das ja der Präsident leitet oder dessen Leiter er ernennt.

Sisi wird auch einen oder mehrere Vizepräsidenten bestellen können. Weiters sieht die Verfassungsänderung eine Wiedereinführung eines Senats vor: Fast überflüssig zu sagen, dass der Präsident ein Drittel der 180 Sitze selbst besetzen wird. Das Abgeordnetenhaus wird von 596 auf 450 Sitze verkleinert, wobei es eine Frauenquote von 25 Prozent geben wird.

Überhaupt wird damit geworben, dass das Parlament repräsentativer werden soll, neben Frauen sollen auch Jugendliche, Menschen mit Einschränkungen und Bauern eine fixe Vertretung bekommen.

Die ägyptischen Streitkräfte, aus denen der 64-jährige Sisi ja kommt, werden ebenfalls weiter gestärkt. Sie stehen ja ohnehin schon außerhalb der Verfassung, nun wird ihre Rolle betont, "die Verfassung und die Demokratie zu bewahren" und die "Säulen des Staates zu beschützen".

Es ist eine Machtkonzentration, die über jene unter dem 2011 gestürzten Präsidenten Hosni Mubarak hinausgeht. Wie es in den postkolonialen arabischen Republiken – deren Zeit man eigentlich 2011 für abgelaufen hielt – üblich war, platzierte Sisi auch seine Söhne Mahmud und Hassan an hohen Stellen im Geheimdienst.

Legitimation gesucht

Die ägyptischen Behörden versuchen unter anderem, auch die Auslandsägypter und -ägypterinnen für das Referendum zu mobilisieren, auch an den diplomatischen Vertretungen kann abgestimmt werden: Der Versuch, eine möglichst breite Legitimation zu erreichen, ist unverkennbar.

Man kann jedoch davon ausgehen, dass es auch ohne alle Manöver der Obrigkeit, allen voran der Ausschaltung der dissenten Stimmen, eine Mehrheit beim Referendum geben würde. Zwar ist der Lack Sisis etwas ab, aber das hat – wenn man nicht selbst von der Repression betroffen ist, wie etwa Journalisten und Opposition – vor allem wirtschaftliche Gründe. Sisi wird noch immer überwiegend als Garant für Stabilität nach den unruhigen Zeiten angesehen, die Ägypten nach dem Sturz Mubaraks 2011 durchlebte. Anders als bei US-Präsident Barack Obama zuvor kommt Sisi mit seiner autoritären Ader auch bei Donald Trump gut an. Ägypten erhält von den USA jährlich 1,3 Milliarden Dollar Militärhilfe.

Im August 2012 vom im Juni desselben Jahres gewählten Präsidenten Mohammed Morsi zum Armeechef ernannt, setzte Abdelfattah den erratisch agierenden Muslimbruder Morsi im Juli 2013 ab. Er wurde dabei von weiten Sektoren der Politik und der Zivilgesellschaft gestützt. Das darauffolgende harte Vorgehen der Armee gegen Muslimbruderproteste entsetzte jedoch viele. Morsi sitzt wie die übrige Führung der inzwischen verbotenen Muslimbrüder im Gefängnis. Hosni Mubarak feiert Anfang Mai seinen 91. Geburtstag in Freiheit. (17.4.2019)