Erstmals seit der glorreichen Zeit Mitte der 1990er-Jahre steht Ajax Amsterdam wieder im Halbfinale der Champions League.

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Turin/Amsterdam – Ajax Amsterdams neue Generation lässt in der Champions League den Glanz der alten Tage wiederaufleben. Matthijs de Ligt, Frenkie de Jong und Donny van de Beek sind die Gesichter jener Elf, die nicht nur Real Madrid entzaubert hat. Am Dienstag verabschiedeten die Niederländer auch Juventus Turin mit Superstar Cristiano Ronaldo nach einem 2:1 in Turin aus dem Bewerb.

Erstmals seit der glorreichen Zeit Mitte der 1990er-Jahre steht Ajax wieder im Halbfinale. 1997 war der niederländische Rekordmeister zuletzt in der Vorschlussrunde der Königsklasse, scheiterte damals an Juventus. 22 Jahre später schlichen die Italiener verdientermaßen geschlagen vom Feld. Die vermeintliche Titelgarantie Ronaldo traf zwar wie im Viertelfinal-Hinspiel, gegen nach Seitenwechsel fulminant aufspielende Gäste machte aber auch der Portugiese keinen Stich mehr.

Plafond noch nicht erreicht

"Es ist bizarr, nicht normal. Mir fehlen die Worte", sagte de Ligt nach Schlusspfiff in Turin. Der Kopfballtreffer des erst 19-jährigen Kapitäns in der 67. Minute brachte Ajax auf Kurs. Van den Beek (34.) hatte die Juve-Führung durch Ronaldo (28.) davor ausgeglichen. Ajax-Trainer Erik ten Hag sah seine Mannschaft noch nicht am Ende des Weges. "Dieses Team wächst und wächst. Wir wissen, wie wir jedes Mal die Grenzen verschieben können. Wir freuen uns nun auf die nächste Herausforderung", erklärte er mit Blick auf das Halbfinale. Dort wartet entweder Tottenham oder Manchester City.

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Ajax etablierte sich zum Favoritenschreck.
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1995 holte Ajax mit den Jungstars Patrick Kluivert, Edgar Davids und Clarence Seedorf in Wien die Champions-League-Trophäe, 1996 unterlag man im Finale gegen Juventus. "Als wir das letzte Mal im Halbfinale waren, war ich noch nicht geboren", scherzte de Ligt. Die niederländische Presse jubelte. "Die magische Tour von Ajax durch Europa hört einfach nicht auf", schrieb das "Algemeen Dagblad". Italiens "Gazzetta dello Sport" meinte: "Ajax mit den Enkelsöhnen Cruyffs überrollt Juve."

Millionen-Transfers

Damals wie heute bedeutet der Erfolgslauf auch, dass sich die besten Kräfte im Sommer verabschieden werden. Um Innenverteidiger de Ligt buhlen angeblich der FC Bayern und der FC Barcelona. Gesichert haben sich die Katalanen bereits die Dienste von Frenkie de Jong. Der 21-jährige Taktgeber im Mittelfeld wechselt um knapp 90 Millionen Euro zum spanischen Meister. Am brasilianischen Neo-Teamstürmer David Neres (22) sollen indes Klubs aus der englischen Premier League interessiert sein.

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In Turin feierten am Ende die Gäste.
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Auch van de Beek (21) wird nach seiner Vorstellung in Turin Interesse auf sich gezogen haben. Es sind aber nicht nur junge Kräfte, die Ajax ausmachen. Die Klubführung um Generaldirektor Ex-Torhüter Edwin van der Sar und den Technischen Direktor Marc Overmars hat es geschafft, ein homogenes Team zusammenzustellen. Erfahrung bringen der im Sommer geholte Serbe Dusan Tadic (30), Daley Blind (29) oder der Däne Lasse Schöne (32) mit. Nicht zu stoppen war in Turin der für Marokko spielende Hakim Ziyech (26), der in den Niederlanden geboren und ausgebildet wurde.

Weiter Weg mit Zwischenstopp in Graz

Erstmals seit 14 Jahren, als es PSV Eindhoven schaffte, steht im Halbfinale damit wieder ein Klub, der nicht aus Europas fünf Topligen (England, Spanien, Italien, Deutschland, Frankreich) kommt. Der Weg ins Halbfinale war für Ajax ein langer. Der Startschuss erfolgte in der zweiten Runde der Qualifikation gegen Sturm Graz. Die Steirer hatten damals keine Chance (0:2, 1:3). In der Gruppenphase rang Ajax dann den Bayern zwei Remis ab. Damals bei den Niederländern noch dabei war Maximilian Wöber. Der ÖFB-Teamspieler wechselte im Jänner zum FC Sevilla.

Gewinnt Ajax nun gar den Titel, wäre das für Österreichs Champion nicht unwesentlich. Dann hätten die Amsterdamer auch einen Fixplatz für kommende Saison, während der Bundesliga-Meister um diesen umfallen würde.

"Apokalypse" für Juventus

Bei Juventus sorgte das Aus naturgemäß für Unruhe. Der Börsenkurs des Serienmeisters fiel am Mittwochmorgen um 17 Prozent. Ronaldo, der vergangenen Sommer geholt wurde, um die Champions-League-Trophäe endlich wieder nach Turin zu holen, beging in den Schlusssekunden der Partie ein Frustfoul. Der 34-Jährige war mit Real Madrid Dauergast im Halbfinale, das er erstmals seit 2010 verpasste. Ein Ronaldo "reicht nicht aus", wie Italiens Gazetten am Mittwoch feststellten.

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Cristiano Ronaldo (mit Joel Veltman) leistete seinen Beitrag, konnte das Scheitern aber nicht verhindern.
Foto: REUTERS/Massimo Pinca

"Apokalypse! Für Juventus bleibt die Champions League eine unendliche Obsession. Ajax versenkt das Phänomen Ronaldo, das Juve über 300 Millionen Euro gekostet hat. Und auch diesmal muss Juve seine Champions League-Träume auf das nächste Jahr verschieben. Die Wunde bleibt offen. Nicht einmal eine enorme Investition wie der Ronaldo-Transfer genügen, um den Titel zu erobern, der Juve seit 1996 fehlt", schrieb der "Corriere dello Sport".

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Blankes Entsetzen bei den Fans der "Alten Dame".
Foto: REUTERS/Massimo Pinca

Trainer Massimiliano Allegri, dem nachgesagt wurde, sich im Sommer Richtung England zu verabschieden, stellte nach dem Spiel klar: "Ich habe schon mit dem Präsidenten gesprochen, ich bleibe auch nächste Saison, und wir planen bereits." Ajax habe den Sieg verdient, meinte der 51-Jährige. "Ajax ist kein Außenseiter. Wie könnte das sein, wenn sie fünf Tore gegen Real Madrid geschossen haben?", betonte Allegri. Es sei nicht die bitterste Stunde für den Club. "Juventus hat immer das Ziel, alles zu gewinnen. Manchmal schaffst du es eben ins Finale, manchmal nicht." (APA, 17.4.2019)