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Kann es nicht fassen: Pep Guardiola.

Foto: REUTERS/Phil Noble

Pep Guardiola sah das Tor von Raheem Sterling und rannte. Er sprang hoch, ballte die Fäuste, umarmte einen Co-Trainer, sprang wieder und wieder, schrie vor Freude. Das 5:3 in der 93. Minute war der Gipfel einer denkwürdigen Partie gegen Tottenham Hotspur, der Halbfinaleinzug von Manchester City im letzten Moment gesichert.

In einer Folge der legendären "Simpsons" spielt Bart Simpson seiner Schwester Lisa ein Video vor. "Du kannst genau die Sekunde sehen, in der sein Herz bricht", sagt Bart über den von Lisa bloßgestellten Ralph Wiggum, während er Bild für Bild durch das Video schaltet. "Und ... jetzt."

Matthew Gage

Zurück zu Guardiola. Vom Jubeltaumel verschwitzt, schaute er auf die Videoleinwand des Etihad Stadium. "No Goal – VAR – Offside", stand da. "Und ... jetzt", hört man Bart Simpson sagen. Guardiolas Augen weiteten sich, er atmete ruckartig ein, das ist die klassische Schockreaktion des Menschen. Der katalanische Startrainer fiel auf die Knie, blickte noch einmal ungläubig auf die Leinwand. Da standen immer noch diese kurzen, gnadenlosen Worte. Guardiola ließ seinen Kopf nach unten sacken und vergrub ihn in seinen Händen.

Der Videobeweis hatte im Vorfeld des Tores ein Abseits von Assistgeber Sergio Agüero aufgedeckt, so kam Tottenham dank der Auswärtstorregel mit dem Gesamtscore von 4:4 weiter, die Entscheidung war korrekt. "Es ist hart. Es ist grausam", sagte Guardiola. Auch das war korrekt. "Aber wir müssen es akzeptieren", sagte der 48-Jährige, der nach Abpfiff schon wieder gefasst war und seinen Spielmacher İlkay Gündoğan tröstend vom Platz begleitete.

DER STANDARD

Die zwei englischen Kontrahenten hatten eine Gala abgeliefert, an deren Ende abermals ein Königsklassenscheitern des Mannes stand, der den Fußball in den 2000er-Jahren mit dem FC Barcelona revolutionierte. Nur mit den Katalanen konnte der wohl größte Fußballdenker seiner Generation die Champions League gewinnen, das war 2009 und 2011.

"Ich bin für fairen Fußball. Ich unterstütze den VAR. Und wenn es Abseits ist, dann ist es Abseits", sagte Guardiola. Auch er wusste: Das Viertelfinale ging andernorts verloren. Sei es bei zwei individuellen Fehlern von Aymeric Laporte, die zu Toren von Heung-Min Son führten, oder bei dem Eckball, den Fernando Llorente mit Ellbogen und Hüfte zum 3:4 ins Tor bugsierte. Dieser Treffer hielt einer längeren Video-Überprüfung durch Schiedsrichter Cüneyt Cakir stand. "Ich habe mir in die Hosen gemacht, weil ich dachte, dass mein Tor aberkannt wird", sagte Llorente.

Pep Guardiola hilft İlkay Gündoğan auf die Beine.
Foto: imago images / Action Plus

So spektakulär die Partie endete, so spektakulär hatte sie begonnen – als Duell der taktischen Unbeirrbarkeiten. Spurs-Coach Mauricio Pochettino kam Guardiolas Versessenheit auf spielerische Breite mit seiner Mittelfeldraute quasi entgegen. Tottenham hatte im Zentrum permanente Überzahl, Citys Außenverteidiger und Flügelspieler dafür ihrerseits alle Freiheiten. Man lief sich gegenseitig ins offene Messer, das Resultat waren fünf Tore in den ersten 21 Minuten, ein Champions-League-Rekord. Erst als "Poch" den starken Heung-Min Son auf den Flügel abkommandierte, nahm die Partie eine normalere Gestalt an.

"Es war Wahnsinn. So etwas habe ich noch nicht erlebt", sagte der im Hinspiel gegen Ajax Amsterdam gelbgesperrte Son. "wfiuhefijvbeojefvnojegfnvepgfjevgpinbgw", twitterte die Social-Media-Abteilung von ManCity. "Tottenham reißt Guardiolas Champions-League-Wunden wieder auf – und der VAR reicht das Salz", schrieb "The Telegraph".

Guardiolas Aufmerksamkeit gilt nun der Premier League, in der City gegen Liverpool um den Titel kämpft – und am Samstag im nächsten Heimspiel gegen Tottenham einen Sieg braucht. Liverpool bleibt die Doppelbelastung erhalten, die "Reds" hatten nach dem 2:0-Sieg im Hinspiel erwartet wenig Probleme mit dem FC Porto und gewannen auswärts 4:1. Mit dem FC Barcelona wartet auf Jürgen Klopps Team nun eine Herausforderung. (Martin Schauhuber, sid, 18.4.2019)