Wien – Rechtspopulistische Parteien zimmern mit Blick auf die Europawahl an einer großen Allianz. Kein leichtes Unterfangen, denn inhaltlich scheint sie mehr zu trennen als zu einen. Dies zeigt eine aktuelle Analyse von Wiener Europaforschern. "Aus unserer Studie gehen in erster Linie Diskrepanzen hervor", sagte Studienautorin Gerda Falkner der APA.

Die Leiterin des Centre für European Integration Research (EIF) an der Universität Wien hat mit ihrem Mitarbeiter Georg Plattner die Programme von insgesamt 16 rechtspopulistischen Parteien auf Aussagen zu konkreten EU-Politikbereichen untersucht. "Hauptergebnis unserer Studie ist, dass es sehr große inhaltliche Differenzen zwischen diesen Parteien gibt", sagte die Universitätsprofessorin.

Viele Differenzen

Zwar sei die Wahrscheinlichkeit einer Zusammenarbeit eines großen Teils der rechtspopulistischen Parteien nach der Europawahl "hoch", so Falkner. Angesichts der Differenzen "wäre es überraschend, wenn diese Koalition längerfristig stabil wäre". Plattner sieht in den inhaltlichen Differenzen auch eine Gelegenheit für andere Fraktionen, die Rechtspopulisten "auseinanderzudividieren" und einzelne Parteien aus der Allianz herauszulösen.

In der Frage des gemeinsamen Binnenmarktes gebe es sogar diametral entgegengesetzte Positionen. So seien etwa Rechtspopulisten in Polen oder den baltischen Staaten für eine Stärkung des Binnenmarktes und ein weiteres Niederreißen wirtschaftlicher Grenzen, während sich die französische Front National (heute Rassemblement National), die ungarische Jobbik oder der belgische Vlaams Belang für eine Renationalisierung aussprechen. "Da geht es in zwei völlig unterschiedliche Richtungen", kommentierte Falkner unter Verweis darauf, dass dieser Politikbereich den "Kern der europäischen Integration" ausmache.

Für und gegen Russland

"Krass" sei auch die grundlegend unterschiedliche geopolitische Orientierung in der Außenpolitik. Während die Rechtspopulisten in Österreich, Frankreich, Italien und Ungarn eher pro-russisch sind, nehmen ihre Kollegen in Polen, den Niederlanden und den baltischen Staaten eine starke Pro-Nato-Position ein. Etwas überraschend sind auch die Differenzen in der Umweltpolitik. Hier seien die westlichen Parteien eher auf der Bremse, während die östlichen Parteien der EU-Umweltpolitik positiver gegenüberstünden – im Gegensatz zu den Positionierungen der jeweiligen nationalen Regierungen.

"Eher ausgeglichen" seien die Positionen der Parteien in der Asylpolitik, sagte Plattner. Hier treten praktisch alle Parteien für eine Rückkehr zum nationalen Recht ein. Gleichzeitig werde eine Stärkung der EU-Außengrenzen gefordert. "Wenn es um die Außengrenzen geht, ist durchaus erwünscht, dass die EU aktiv wird, während sie sich in anderen Bereichen zurückhalten soll."

Gemeinsam homophob

Kleinster gemeinsamer Nenner der rechtspopulistischen Parteien ist aber – überspitzt formuliert – die Homophobie, bei der es auch Überschneidungen zu radikalen Weltsichten anderer Gruppen gibt. "Der Punkt, wo wir am ehesten Übereinstimmung gefunden haben, war im Politikbereich der Antidiskriminierung", sagte Plattner. Diejenigen Parteien, die diese Themen in ihren Programmen aufgreifen, sprächen sich nämlich mit einer Ausnahme gegen Gender Mainstreaming, Gleichberechtigung von Mann und Frau oder eine Ausweitung der Rechte von Homosexuellen aus. Ausreißer sei die niederländische PVV, die ihre Pro-LGTB-Position aber auch in einen spezifischen Kontext gestellt habe. "Wir verteidigen unsere Homosexuellen gegen den Islam", zitierte Plattner aus dem PVV-Wahlprogramm.

Ein Ergebnis der Studie ist auch, dass mit Ausnahme der britischen UKIP, die überall für eine Renationalisierung eintrete, keine rechtspopulistische Partei komplett anti-europäisch eingestellt sei. So habe sich etwa die FPÖ offen für einen Ausbau der gemeinsamen Verteidigungspolitik gezeigt, während sie bei Reisefreiheit und dem Binnenmarkt eher nationalistisch auftrete.

Fidesz nicht dabei

Man habe sich zur Untersuchung entschlossen, weil zuvor unklar gewesen sei, "wie diese Rechtspopulisten zu den Politiken der EU stehen", sagte Falkner. Konkret seien Wahl- und Parteiprogramme der Jahre 2014 bis 2016 ausgewertet worden. Insgesamt fanden Falkner und Plattner mehr als 450 Positionierungen zu neun Politikbereichen. Untersucht wurden die polnische Regierungspartei PiS, die Dänische Volkspartei (DF), die Basisfinnen (PS), die lettische "Nationale Allianz" (NA), die UK Independence Party (UKIP), die Schwedendemokraten (SD), die litauische Partei Ordnung und Gerechtigkeit (PTT), die französische Front National (heute Rassemblement National), die italienische Lega Nord (heute Lega), die FPÖ, die niederländische PVV, der polnische Kongress der neuen Rechten (KNP), die Alternative für Deutschland (AfD), der belgische Vlaams Belang (VB), die ungarische Jobbik und die polnische Ein-Mann-Partei KORWiN. Aus formalen Gründen nicht berücksichtigt wurde die ungarische Regierungspartei Fidesz, da es innerhalb der Europäischen Volkspartei (EVP) keine weitere rechtspopulistische Partei gab, mit der sie hätte verglichen werden können. (APA, 23.4.2019)