Fast könnte man den Eindruck gewinnen, Norbert Steger (rechts) und nicht Alexander Wrabetz leite den ORF.

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Autor und Regisseur David Schalko sieht vorauseilenden Gehorsam: Der ORF empfinde sich selbst als ein von der FPÖ eingeschüchtertes Medienunternehmen.

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David Schalko will die Angriffe der FPÖ auf Armin Wolf nicht gelassen hinnehmen. Warum, erklärt der Autor und Regisseur im Gastkommentar. Und er stellt die Frage: Wer hält diesen rabiat rechtsabbiegenden Zug auf?

Noch nie in der Geschichte des ORF hat sich ein Stiftungsratsvorsitzender so wichtig gemacht wie Norbert Steger. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, als leite er und nicht Alexander Wrabetz das öffentlich-rechtliche Unternehmen, das zunehmend in eine Propagandamaschinerie der blauen Rechtsextremen umfunktioniert werden soll. Dabei wird suggeriert, man handle im kollektiven Interesse des Volkes. Es handelt sich um eine gängige Taktik der Populisten, dass man diese Deckungsgleichheit simuliert.

Rechte Populisten sind nicht nur Leute, die dem Volk nach dem Mund reden, sondern auch umgekehrt, dieses in Geiselhaft nehmen. Die Angriffe auf Armin Wolf sollte man bei aller berechtigten Kritik am Küniglberg jedoch nicht gelassen hinnehmen. Und das hat mehrere Gründe.

Hass von allen Seiten

Zunächst gilt Armin Wolf als Ikone des kritischen Journalismus in Österreich. Zugespitzt formuliert könnte man behaupten, er ist einer der wenigen Gründe, die einem noch einfallen, warum man Gebühren zahlen will. Unabhängig von politischen Lagern weht dem Anchorman von allen Seiten der raue Wind des Hasses entgegen. Was daran liegt, dass er weder Rot noch Grün noch Schwarz noch Blau mit Samthandschuhen angreift. Man sieht Armin Wolf nie in der Nähe von Politikern, weder auf Veranstaltungen, noch fährt er mit ihnen privat auf Urlaub. Armin Wolf als ideologisch tendenziösen Journalisten zu bezeichnen ist absurd. Auch wenn wir ahnen, dass er nicht die FPÖ wählt bei Nationalratswahlen.

Die FPÖ hingegen lädt die Figur Armin Wolf zu einer Trutzburg des widerborstigen Journalismus auf. So als wäre Kritik an der FPÖ etwas Unlauteres. Dass sie durch eine unübersichtliche Masse von Einzelfällen, die inzwischen die Population von Braunau bei weitem übersteigen dürfte, täglich dazu Anlass gibt, erscheint dabei nebensächlich. Man bringt ihn unverhohlen mit Fake-News in Zusammenhang. Man versucht seit der Machtübernahme, stetig an seinem Ruf zu sägen. Der neue Stil zeichnet sich in erster Linie dadurch aus, dass man versucht, der freien Presse an den Kragen zu gehen. Unter dem Euphemismus Message-Control entlarvt sich eine Weltanschauung, die zu Recht in die Nähe von Orbán oder Erdogan gerückt wird.

Und so wird der gesamte Diskurs bezüglich Pressefreiheit und ORF an der Symbolfigur Armin Wolf geführt. Es sucht in der Geschichte Österreichs schon seinesgleichen, dass sich eine politische Fraktion auf eine Person einschießt. Was insofern logisch ist, weil es immer schon Teil des faschistoiden Weltbilds dieser Partei war, mit dem Finger auf eine Person oder Gruppe zu zeigen, da es sich so besser hetzen lässt. Die untergriffige Demontage gehört hier zur Starterbox jedes provinziellen FPÖ-Politikers.

"Ausrutscher"

Da unterscheidet sich Strache durch nichts von den aufpoppenden Kellernazis der letzten Tage, denen man dann halt einen "Ausrutscher" attestiert. Ausrutscher von was eigentlich, fragt sich nur. Soll das heißen, dass Leute, die auf Facebook Hakenkreuze oder andere Nazihetze posten, abseits dieses kurzen Momentums eigentlich über eine demokratiepolitisch akzeptable Anschauung verfügen?

Das erklärte Ziel lautet: Wenn Armin Wolf fällt, dann fällt auch der Rest. Als ob man den Sonnenkönig des Journalismus damit aus seinem selbstgefälligen Palast zerre, um seinen Kopf der jubelnden Masse zu präsentieren. Die Masse hätte nur keinen Grund zu jubeln, wenn es den blauen Anstachlern gelänge, einen der wichtigsten Journalisten des Landes "in ein lebenslanges Sabbatical" zu deportieren. Vielmehr würde man damit nicht nur den Plänen, den freien Journalismus im ORF schlichtweg abzuschaffen, freie Fahrt gewähren – sondern man müsse davon ausgehen, dass auch dies wieder nur ein kleiner Schritt in eine Richtung wäre, deren Ausgang sich leider zunehmend verdeutlicht: nämlich das endgültige Aushebeln des Rechtsstaates (siehe Herbert Kickl) – und das Tottreten einer Republik, die sich aus den Zerstörungen eines ähnlichen Gedankenguts gegründet hat.

Ja, es ist langweilig, die ewige Nazikeule zu schwingen. Und ja, sie hat sich abgestumpft. Und ja, keiner von uns ist moralisch überlegen. Aber heißt das im Umkehrschluss, dass es keine Moral mehr geben darf? Dass man, wenn man es mit Nazis zu tun hat, diese nicht mehr so benennen darf?

Eines der letzten Beispiele zeigt die Diskussion rund um einen Maschek-Zuspieler in der Sendung "Willkommen Österreich", in dem der offensichtlich satirische Satz fiel: "Vom Neonazi zum Sportminister, eine typisch österreichische Karriere." Gemeint war damit H.-C. Strache. Nun ist es so, dass man unserem Vizekanzler ganz klar eine Neonazivergangenheit attestieren kann – sowohl journalistisch als auch satirisch.

Gehorsam gepiept

Dass hier im vorauseilenden Gehorsam gepiept wird, erzählt viel darüber, wie sich der ORF im Augenblick selbst empfindet: nämlich als ein von der FPÖ eingeschüchtertes Medienunternehmen, das in Zeiten einer wirklichen FPÖ-Machtübernahme bestimmt nicht mehr, sondern eher weniger Mut entwickeln wird – wo doch eigentlich genau das Gegenteil gefragt wäre. Insofern kann man Journalisten wie Armin Wolf gar nicht hoch genug einschätzen. Denn Armin Wolf wird auch nach der sogenannten Umfärbung Armin Wolf bleiben. Für "Willkommen Österreich" gilt im Übrigen das Gleiche.

Doch wer hält diesen rabiat rechtsabbiegenden Zug auf? Die geschickt ausgehebelte Opposition wird es nicht sein. Und das Schweigen des Kanzlers zu den Machenschaften der FPÖ hat inzwischen ein derart skandalöses Ausmaß erreicht, dass einem dazu selbst die Worte fehlen. Außer einem lapidaren "widerlich" zu den Identitären, deren faschistisches Weltbild gleichzeitig mehr als halbherzig geahndet wird, fällt dem jungen Karrieristen nichts ein. Hier zeigt sich dann doch der Nachteil eines jungen Kanzlers, dem offenbar das Gespür für die Grenzen der Erträglichkeit fehlt.

FPÖ beschleunigt den Takt

Hätte er nämlich einen moralischen und historischen Kompass innewohnen, der intakt wäre, dann hätte er hier längst die rote Linie gezogen – nicht nur rhetorisch. Stattdessen verfolgt man mit stoischer Gleichgültigkeit, wie die FPÖ im täglichen Takt den Schritt der kleinen Empörungen beschleunigt. Ja, inzwischen kann man getrost von Meilenstiefeln sprechen. Es bleibt einem nichts anderes übrig, als bei Sebastian Kurz Zustimmung zu all dem zu vermuten.

Denn nach den letzten Aussagen von Norbert Steger in Richtung Armin Wolf müsste dieser eigentlich aktiv dessen Rücktritt fordern. Norbert Steger muss weg! Weil er auf symbolistischer Ebene den Antipoden zu Armin Wolf bildet. Die Entscheidung lautet: Norbert Steger oder Armin Wolf. Also wenn man den Diskurs auf das derzeitige Niveau des österreichischen Mediendiskurses reduzieren will. Anders gesagt: Dass ein "Aufsichtsratspräsident", um im AG-Sprech der Regierung zu bleiben, auf zynischste Weise einem führenden Journalisten seinen Rückzug nahelegt, das hat es in der Geschichte dieser Republik noch nie gegeben.

Aber vermutlich hat Sebastian Kurz das gemeint, als er sagte, dass wir uns an unschöne Bilder gewöhnen müssen. (David Schalko, 28.4.2019)