Laut Umweltministerium handelt es sich bei den 6,6 Milliarden Euro an Kosten für Emissionszertifikate um ein "Extremszenario".

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Maßnahmen in puncto Ökologisierung hinauszuschieben nennt Grünen-Chef Werner Kogler "hirnrissig".

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Wien – Dass auf Österreich aufgrund verfehlter Klimaziele voraussichtlich Milliardenzahlungen zukommen, ist schon länger bekannt. Nun hat auch Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) in einer Anfragebeantwortung zugestanden, dass die Republik mit bestehenden Maßnahmen im Zeitraum von 2021 bis 2030 Emissionszertifikate in der Höhe von bis zu 6,6 Milliarden Euro zukaufen muss, wie der STANDARD berichtete.

Das Umweltministerium bezeichnet die befürchteten Milliardenzahlungen für die verfehlten Klimaziele als "Extremszenario", das aller Voraussicht nach nicht eintreffen werde. "Wir arbeiten daran, die Klimaziele 2030 durch Maßnahmen im Inland zu erreichen", heißt es aus dem Ressort auf APA-Anfrage.

"Keine realistische Annahme"

"Die kolportierten Milliardenzahlungen sind ein Extremszenario, das voraussetzen würde, dass bis 2030 keinerlei zusätzliche Maßnahmen getroffen werden, um die THG-Emissionen zu verringern. Das ist keine realistische Annahme, weil die Bundesregierung schon jetzt Maßnahmen aus der Mission 2030 setzt, um den CO2-Ausstoß zu verringern", erklärt das Ministerium. Die Maßnahmen dieser Mission 2030 seien in den vorliegenden Berechnungen noch nicht berücksichtigt. Klima-Sektionschef Jürgen Schneider präzisierte im "Morgenjournal" des Ö1-Radio, dass Kompensationszahlungen für zu hohe CO2-Emissionen sehr wohl "eine Bedrohung für den Haushalt" darstellten. Er forderte alle Beteiligten, auch die Länder, auf, die Regierung beim Klimaschutz zu unterstützen.

Spielraum für Steuerreform reduziert

Die Details, die Köstinger in der Anfragebeantwortung nannte, zogen am Donnerstag eine hitzige Debatte nach sich. Jetzt-Klubobmann Bruno Rossmann, der die Anfrage eingebracht hatte, sieht in der Beantwortung der Ministerin die Steuerreform entzaubert: "Die nach 2020 drohenden Strafzahlungen von bis zu 6,6 Milliarden Euro für verfehlte Klimaziele sind so nicht budgetiert. Das reduziert den Spielraum für die angekündigte Steuerreform, die dann wohl doch nicht so ehrlich ausfällt wie versprochen."

Laut Rossmann hätte sich dieses Problem gar nicht erst ergeben müssen: Eine ökosoziale Steuerreform hätte sowohl den Faktor Arbeit entlastet als auch das Verfehlen der Klimaziele verhindert, "und das auch noch aufkommensneutral, also ohne Fantasieeinsparungen".

Zentrale Bestandteile der ökologischen Steuerreform sind laut Rossmann eine CO2-Steuer und die Streichung einiger umweltschädlicher Förderungen. Die bisher von Rossmann präsentierte Variante würde nach seinen Angaben ein Volumen von acht bis zehn Milliarden Euro generieren, um die privaten Haushalte durch einen Klimabonus und die Unternehmen durch eine Senkung der Lohnnebenkosten zu entlasten.

Verfehlungen kosten 1.000 Euro pro Einwohner

Ähnliche Worte kamen vom grünen Bundessprecher Werner Kogler: "Das Nichthandeln beziehungsweise die Unterlassungstäterschaft der türkis-blauen Regierung in Sachen Klimaschutz kostet Österreich bis 2030 zehn Milliarden." Dass Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) weitere Maßnahmen in puncto Ökologisierung hinauszögere, bezeichnet Kogler als "hirnrissig". Heruntergerechnet könnten die Kompensationszahlungen, die Österreich bei Verfehlen der Pariser Klimaziele leisten muss, an die 1.000 Euro pro Einwohner ausmachen, rechnet der grüne EU-Spitzenkandidat vor.

"Mit ihren Klimaschutzverfehlungen setzt die Bundesregierung nicht nur die Zukunft unserer Kinder eiskalt aufs Spiel, sondern verursacht den österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern Strafzahlungen in Milliardenhöhe", kommentiert Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) den Bericht. "Statt entlastet zu werden, brennen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für das türkis-blaue Klimaversagen."

Kritik der Bundesjugend

Weitere Kritik kam von der Bundesjugendvertretung: "Es kann nicht sein, dass die österreichische Bevölkerung für das Versagen mangelnder Klimapolitik tief in die Tasche greifen muss", sagt deren Vorsitzende Isabella Steger. In den vergangenen Wochen gingen weltweit Jugendliche auf die Straße, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. In Österreich treffen sich Teilnehmer der "Fridays For Future"-Initiative wöchentlich am Wiener Heldenplatz.

Auch der Verkehrsclub (VCÖ) meldete sich zu Wort und verweist auf den "Problemsektor" Verkehr. "Die Verkehrszunahme macht die Einsparungen anderer Sektoren wieder zunichte", sagt Ulla Rasmussen vom VCÖ. Um den Verkehr klimatauglich zu machen, brauche es die rasche Einführung einer CO2-Abgabe nach dem Vorbild Schwedens. Dazu zähle die Streichung klimaschädlicher Förderungen im Verkehr, etwa der Steuerbegünstigung der privaten Nutzung von Firmenwagen, der Mineralölsteuerbefreiung im Flugverkehr und der Diesel-Begünstigungen. (red, APA, 2.5.2019)