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Seit dem Treffen von Chinas Präsident Xi Jinping und den US-Unterhändlern Robert Lighthizer and Steven Mnuchin Mitte Februar in Peking ist in Handelsfragen einiges weitergegangen.

Foto: Reuters / Andy Wong

Die Chefunterhändler Washingtons, Finanzminister Steven Mnuchin und Handelsbeauftragter Robert Lightizer saßen im Flieger nach Peking, als dort Präsident Xi Jinping am Montag morgen den österreichischen Staatsgast Sebastian Kurz empfing. Aus Delegationskreisen sickerte durch, dass Xi, der noch niemals den Stand seines inzwischen einjährigen Handelsstreit mit den USA öffentlich kommentiert hatte, guter Laune war. Er hatte seinen Seidenstraßengipfel gerade erfolgreich hinter sich gebracht. Als er von Kurz über den Chancen eines Deals mit den USA gefragt wurde, antwortete er jovial: "50 zu 50". Beide Seiten hätten ihre eigenen "roten Linien".

US-Unterhändler Mnuchin hatte vor seinem Abflug in einem Interview mit dem US-Sender Fox, das Gleiche wie Xi gesagt, indes mit anderen Worten: "Wir hoffen, das wir in den nächsten beiden Runden – zuerst in China und danach in Washington an den Punkt gelangen, wo wir dem US- Präsidenten empfehlen können: Wir haben den Deal. Oder, wo wir ihm sagen müssen: Wir haben ihn nicht."

Beiden wollen einen Deal

Es wurde allen klar. Beide Seiten wollen einen Deal in der nächsten Runde. Vor seinem Rückflug zeigte sich Mnuchin überzeugt, dem Erfolg näher gekommen zu sein. Er twitterte nur ein einziges Wort über die zweitägigen Gespräche, die er und Lightizer mit Chinas Vizepremier Liu He bis in den 1. Mai hinein führten. Sie seien "produktiv" gewesen. Zur nächsten Runde werde Unterhändler Liu nach Washington kommen. In Peking war dazu zu erfahren, dass der Vizepremier am 8. Mai in die USA fährt. Und das er diesmal von vielen Experten begleitet wird.

Die Unterhändler redeten nicht viel, schrieb am Donnerstag die chinesischsprachige Regierungswebseite "Thepaper.cn". Sie rekapitulierte die bislang zehn Verhandlungsrunden. Chinas inzwischen öffentliche Zurückhaltung folge dem Prinzip, "mehr tun zu wollen als zu reden". Das sei ein gutes Zeichen für pragmatische Gespräche.

Harte Knochen

Alles, was beide Seiten an Gemeinsamkeiten erzielen konnten, hätten sie erreicht. "Jetzt bleiben ihnen nur noch die harten, schwer zu schluckenden Knochen." Aus Kreisen der US-Delegation und chinesischer Kommentatoren werden die Knackpunkte benannt. Die USA wollen sich nicht mit den vielen Ankündigungen begnügen, die ihnen Chinas Führer machen. Zuletzt hatte Staatschef Xi am Wochenende auf dem Pekinger Seidenstraßen-Gipfe einen Fünf Punkte-Reformkatalog für die beschleunigte Marktliberalisierung seines Landes vorgestellt. Washington verlangt nach konkreten Maßnahmen, um solche Reform-Versprechungen überprüfen zu können. Der US-Vorschlag, dass beide Staaten im jeweils anderen Land Vertretungen mit Kontrollrechten einrichten dürfen, stößt auf wenig Pekinger Gegenliebe. China sieht darin eine Verletzung seiner Souveränität.

Zuden verlangen die USA nach einem Deal, die Strafzölle nicht abzuschaffen, wie es China will, sondern sie nur auszusetzen, bis Peking seine Reformversprechungen verwirklicht. Ungeklärt sind auch Fragen nach dem Abbau der chinesischen Subventionierung von Staatsunternehmen, oder die von China geforderte Aufgabe seines beanspruchten Status als Entwicklungsland, der ihm Sondervorzüge verschafft.

Feinsteuerung

Doch Mnuchin signalisierte noch vor seinem Pekingbesuch, dass es den USA nicht mehr um "Alles oder Nichts" geht, sondern um die "Feinsteuerung" einiger weniger Punkte im bereits immer dicker werdenden Gesamtpaket des Deals Erstmal sieht es so aus, als ob der Handelskrieg in seine Endrunde einläuft, seit die beiden führenden Wirtschaftsmächte der Welt gegeneinander Strafzölle auf ihre jeweiligen Importgüter im Wert von zusammen 360 Milliarden US-Dollar erhoben. Die im Chinahandel hochdefizitäre USA, die mehr als dreimal soviel von China kaufen, als die Volksrepublik von ihnen, verhängten dabei den Großteil der Zölle auf Chinaeinfuhren im Wert von 250 Milliarden Dollar. Die Volksrepublik wehrte sich mit Vergeltungszöllen auf US-Einfuhren im Wert von 110 Milliarden Dollar.

Nach den Anfangsmonaten gegenseitiger Verdächtigungen ist Ruhe in die Verhandlungen eingekehrt. In den ersten der zehn Runden rangen die Kontrahenten noch um grundsätzliche Forderungen . US-Präsident Donald Trump und seine Berater wollten Peking zu fairem Handel und den dafür benötigten strukturellen Reformen zwingen, um Chinas Märkte zu öffnen, so wie es das Ausland gegenüber China tut. Trump drohte daher weitere Strafzölle im Wert von 200 Milliarden Dollar an, falls sich China solchen Forderungen verweigert und sich stur stellt. Doch Trump setzte seine Drohung bisher nicht um.

Chemie, Finanz, Versicherungen

Punkten kann China, weil es innerhalb eines Jahres nach und nach eine Reihe bisher verschlossener oder restriktiv eingeschränkter Geschäftsfelder dem Ausland öffnete, von der Chemie bis zum Finanz- und Versicherungsgewerbe. Es genehmigte Dutzende spektakuläre Pilotprojekte für ausländische Mehrheits- oder Alleininvestitionen, darunter auch für deutsche Unternehmen von BASF, BMW bis zur Allianz. China hob sukzessive den Jointventure-Zwang in der Autoindustrie auf, beschränkte seine Negativlisten, in welche Bereiche nicht investiert werden darf und verspricht, diese Liste im Juni weiter zu verkürzen. Es richtete seine erste Appellationskammer am Obersten Gericht ein, um den Diebstahl geistigen Eigentums erstmals mit Aussicht auf Erfolg anzeigen zu können. Es gab sich ein neues, zum 1. Januar 2020 in Kraft tretendes Gesetz zur Gleichstellung von ausländischen Investoren und deren Schutz vor erzwungenem Technologietransfer. Ohne den Druck der USA wäre alles nicht so schnell zu Stande gekommen.

Zwölf Reformen

Offenbar, um die Chance der elften Runde zu erhöhen, machten beide Seiten neue Konzessionen Guo Shuqing, Vorsitzender der Banken- und Versicherungskommission (CBIRC), verkündete in einem am 1. Mai erschienenen, chinesischen Interview zwölf Reformen zur erweiterten Öffnung des Banken- und Versicherungswesen für Auslandsinvestoren.

Ursprünglich mussten diese absurd hohes Eigenkapital und Jahrzehnte an Erfahrungen nachweisen, bevor sie entsprechende Institute in China gründen durften. Solche Einschränkungen werden nun abgeschafft. Bisher hatten Auslandsbanken wegen Pekings restriktiver Politik nur 1,64 Prozent Anteil an Chinas Geldinstitutuen und Auslandsversicherungen gerade 6,36 Prozent. Sie sollen ihren Anteil erhöhen dürfen. Die 12 neuen Maßnahmen ergänzen 15 Reformen, die Guo im April vergangenen Jahres bekanntgab, als der US-China Handelsstreit begann.

Auch die USA bewegten sich laut "Financial Times". Sie schwächten etwa ihre Wirtschaftsdiebstahl-Vorwürfe im Cyberstreit mit China ab, die Peking vehement zurückgewiesen hatte.

Unfaire Praktiken

Doch der Teufel sitzt noch im Detail. Zu Chinas unfairen Praktiken, deren Änderung Washington verlangt, gehört auch Pekings bisherige Weigerung, seine Regeln zu liberalisieren, die ausländischen multinationalen Gesellschaften in China den Export von digitalisierten Daten über ihre Kunden verbieten, meldete die New York Times. Chinas Maßnahmen führen zu Wettbewerbsnachteilen in den auf Daten beruhenden Zukunftstechnologien vom Autonomen Fahren bis zur Anwendung Künstlicher Intelligenz, wenn Ausland-Firmen ihre Daten nur innerhalb Chinas auf chinesischen Servern speichern dürfen. China begründe seine Restriktionen mit "nationaler Sicherheit." Doch betroffene US-Firmen sehen darin den Versuch Pekings "datenintensive Zukunftsindustrien zu dominieren." .

Anzeichen für einen Erfolg der elften Runde wäre, wenn die Unterhändler in Washington am Ende ihrer Gespräche einen Termin für ein Gipfeltreffen Trumps mit Xi nennen. Beide Präsidenten wollen sich den Triumph nicht nehmen lassen, einen Deal selbst bekannt zu geben, auf den die Weltwirtschaft seit einem Jahr wartet. (Johnny Erling, 3.5.2019)