Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: REUTERS/Lisi Niesner

Bild nicht mehr verfügbar.

Unterstützt EVP-Kandidat Weber nicht: Ungars Ministerpräsident Orbán.

Foto: REUTERS/Bernadett Szabo

Die Hoffnungen vieler europäischer Christdemokraten (EVP), dass der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán zumindest vor der Europawahl auf die Suspendierung der Mitgliedschaft seiner Fidesz-Partei in der EVP zurückhaltend, möglicherweise sogar mit einem gemäßigten Kurs reagieren wird, haben sich nicht erfüllt. Im Gegenteil, die direkt oder indirekt von der Regierungspartei kontrollierten Medien haben zuerst ein offenes Kesseltreiben gegen den "schwankenden und unglaubwürdigen" Spitzenkandidaten der EVP, den CSU-Politiker Manfred Weber, eröffnet. Von vermeintlichen internationalen Erfolgen beflügelt, verkündete Orbán heute selbst seine Absage an den Spitzenkandidaten Weber.

"Internationale der Nationalisten"

Der Blitzbesuch Innenminister Matteo Salvinis, des Wortführers der italienischen Nationalpopulisten, in Budapest und beim Eisernen Vorhang gegen die Migranten an der Südgrenze wurde zu einem Fest der Bekenntnis zur Lieblingsidee Salvinis, der "Internationale der Nationalisten", hochstilisiert. Die EVP muss mit der europäischen Rechten (rechts von der EVP) zusammenarbeiten, forderte Orbán bereits vor Salvinis Besuch im Interview mit La Stampa. Stattdessen sei die konservative Parteienfamilie "zum Selbstmord bereit", weil sie sich nach der Europawahl "mit der Linken verbinden" werde.

Die kritischen Reaktionen der deutschen christdemokratischen Politiker, vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder bis zur Bundeskanzlerin Angela Merkel, auf den Schulterschluss Orbáns mit dem selbsternannten "Architekten eines neuen Europas" (mit der Le-Pen-Partei, AfD und FPÖ) wurden in den Regierungsmedien Ungarns durch die lang ersehnte Jubelmeldung aus Washington überschattet: US-Präsident Donald Trump wird Orbán endlich am 13. Mai zu politischen Gesprächen im Weißen Haus empfangen.

Faule Kompromisse gegenüber Rechtspopulisten

Im Zeichen des gelegentlichen Größenwahnsinns der Orbán-Leute fantasierte Außenminister Péter Szijjártó in einem Rundfunkinterview am Sonntag bereits von einem "globalen Bündnis" der gleichgesinnten Nationalisten, das bei dem Trump-Orbán-Treffen geschmiedet werden soll. Orbán war bekanntlich der erste EU-Regierungschef, der sich bereits im Juli 2016 für den Präsidentschaftskandidaten Trump ausgesprochen hatte. Trotzdem wurden lange vor ihm Spitzenpolitiker Rumäniens, Tschechiens und der Slowakei von Trump empfangen. Die Aussicht auf den Ankauf von Kampfflugzeugen und Rüstungen durch Ungarn, der gleichlautende Widerstand gegen die Zulassung von Migranten und die Ablehnung der Menschenrechtsaktivitäten des ungarisch-amerikanischen Philanthropen George Soros erwiesen sich stärker als die Vorbehalte wegen des prorussischen Kurses Orbáns.

Die Kehrtwendung in Washington und die von tiefverwurzelter Heuchelei geprägte EU-Politik der faulen Kompromisse gegenüber den Rechtspopulisten (wie auch Kaczynski in Polen) trägt vor den Europawahlen zur Stärkung der Politikverdrossenheit und dadurch auch zur Zementierung des autoritären Regimes in Ungarn bei. Es wäre für die Anhänger der liberalen Demokratie in Europa ein folgenschwerer Irrtum, die Gefährlichkeit des Sprengmeisters in Budapest zu unterschätzen. (Paul Lendvai, 6.5.2019)