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Die Anhänger des Wahlgewinners Ekrem İmamoğlu (CHP) protestieren gegen die Wiederholung der Bürgermeisterwahl in Istanbul.

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In der türkischen Regierungspartei AKP denkt man kurzfristig. Anders ist die Entscheidung der Obersten Wahlkommission, die Bürgermeisterwahl in Istanbul wiederholen zu lassen, nicht zu erklären. Dass die Behörde auf Druck der Regierung reagierte, ist offensichtlich. Noch am Wochenende hatte Präsident Tayyip Erdoğan von "Betrug" gesprochen.

Niemand bezweifelt, dass der Vorsprung von Wahlgewinner Ekrem İmamoğlu – er führte zuletzt mit 10.000 Stimmen – hauchdünn war. Doch Unregelmäßigkeiten gab es in den vergangenen Jahren bei nahezu jeder Wahl. Wiederholt wurde kein einziger der Urnengänge – schließlich lag die AKP dabei ja in Führung.

Die Neuwahl soll nun voraussichtlich am 23. Juni stattfinden – traditionelle Ferienzeit in der Türkei. Es verreist, wer es sich in dem wirtschaftlich gebeutelten Land noch leisten kann. Zurück bleibt die ärmere Stammwählerklientel der AKP. Gut möglich also, dass Erdoğan so und mit einigen außenpolitischen Ablenkmanövern das Ergebnis noch einmal drehen kann.

Glaube an demokratischen Machtwechsel schwindet

Kurzfristig wäre das aus seiner Sicht ein Gewinn. Die Stadt ist nicht nur ein symbolischer Ort. Sie ist für rund 40 Prozent der Wirtschaftsleistung der Türkei verantwortlich ist, es geht um Aufträge an AKP-nahe Firmen und um Stadtgelder, die an AKP-nahe Stiftungen fließen.

Langfristig aber untergräbt Erdogan damit die Legitimität seiner Herrschaft. Immer mehr Türken verlieren den letzten Glauben daran, dass ein demokratischer Machtwechsel noch möglich ist. Das könnte die AKP noch einmal teuer zu stehen kommen. (Philipp Mattheis, 7.5.2019)