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Immer mehr Menschen kaufen online ein. Das hat Folgen für den Handel – wie sich auch in der Insolvenzstatistik zeigt.

Foto: AP/Patrick Semansky

Wien – Brexit-Unsicherheit und Handelsstreitigkeiten geschuldet, hat sich das Wirtschaftswachstum in Europa im Vorjahr merklich eingebremst. Dank weitgehend stabiler Binnenkonjunktur blieb aber vorerst der Aufschwung intakt. Auf die Unternehmensinsolvenzen haben sich die zunehmenden Risiken im Großen und Ganzen noch nicht ausgewirkt, zeigt eine Analyse des Österreichischen Verbands Creditreform (ÖVC) und des Verbands der Vereine Creditreform e.V. In Mittel- und Osteuropa rutschten 6,6 Prozent weniger Betriebe in die Pleite als im Jahr davor.

In Westeuropa (EU-15-Länder plus Norwegen und Schweiz) ist die Zahl der Insolventen hingegen erstmals seit 2013 minimal um 0,3 Prozent auf 165.798 Fälle gestiegen. Die absolute Zahl blieb aber deutlich unter dem damals historischen Höchststand von 192.769 Fällen. Zehn Jahre nach der Krise verzeichneten auch die früheren Krisenländer Griechenland, Irland, Portugal und Spanien eine deutliche Erholung. In Griechenland etwa ging die Zahl der Pleiten um 31,7 Prozent zurück, in Irland ist sie um 12,2 Prozent gesunken.

Michael Bretz vom Verband der Vereine Creditreform e.V. sieht das so: "Warum so wenige Pleiten in Griechenland oder Spanien stattfinden, ist, weil die Betriebe ganz still von der Bildfläche verschwinden und als Unternehmensruinen stehen bleiben." Eine "hohe Betroffenheit von Insolvenzen" wie in Westeuropa lasse den Rückschluss zu, dass es in diesen Ländern funktionierende Insolvenzverfahren gebe.

Mehr Pleiten im Norden

Für den Anstieg in Westeuropa sind laut Helmut Rödl, Mitglied des Aufsichtsrats der Creditreform, in der Hauptsache die skandinavischen Länder verantwortlich. In Schweden etwa meldeten knapp 7.600 Unternehmen Insolvenz an, ein deutlicher Anstieg um gut 13 Prozent. Zweistellig fällt das Plus auch in Finnland und Dänemark aus. Dass die Insolvenzzahlen ausgerechnet im Norden, gemeinhin als Hort der Stabilität geltend, so hoch sind, sei möglicherweise ein statistisches Problem, sagt Rödl. "Die statistischen Ämter hatten IT-Probleme und kämpften deswegen mit einem Rückstau." Insgesamt verzeichneten sieben der 17 beobachteten Länder in Westeuropa einen Zuwachs. Am deutlichsten fiel er mit fast 28 Prozent in Luxemburg aus. Die Zahl der betroffenen Unternehmen ist allerdings mit 1.195 überschaubar.

Für ein Drittel aller Firmenzusammenbrüche zeichnet Frankreich mit 53.887 Insolvenzen verantwortlich. Im Jahr davor gab es allerdings noch mehr Pleiten. Einen Rückgang um knapp drei Prozent verzeichnet auch das Sorgenkind Italien, einen leichten Anstieg hingegen Großbritannien.

Deutschland und Österreich stabil

Stabil bleibt die Lage in Deutschland und Österreich. Wobei das Minus in Deutschland mit 3,6 Prozent höher ausfällt als in Österreich mit 1,8 Prozent. 5.224 Firmen gingen hierzulande im Vorjahr in Konkurs. Im ersten Quartal waren es 1.317 Firmenpleiten, was einen Rückgang um 6,1 Prozent bedeutet. Wobei die Betrachtung nach Bundesländern durchaus unterschiedlich aussieht. In Tirol schnellten etwa die Pleiten um 57,4 Prozent in die Höhe, während sie im Burgenland um 34 Prozent zurückgingen. Betroffen waren vor allem Klein- und Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern.

Die meisten Insolvenzen entfielen in Westeuropa mit 39,1 Prozent auf den Dienstleistungssektor. In Österreich gab es die meisten Insolvenzen in den Bereichen Bauwesen (240) und unternehmensbezogene Dienstleistungen.

Bemerkenswert ist, dass mit 32,1 Prozent knapp ein Drittel aller Pleiten in Westeuropa auf den Handel (inklusive Gastgewerbe und Hotel) zurückzuführen ist. Im Vorjahr lag dieser Wert noch bei 30,9 Prozent. Der Handel dominiert das Insolvenzgeschehen in vielen Ländern Europas, mit steigender Tendenz. Am stärksten ist der Anteil mit 39 Prozent in Frankreich. Aber auch in Österreich entfiel mit 33,5 Prozent mehr als ein Drittel der Pleiten auf den Handel. Rödl sieht dafür den Strukturwandel und das starke Wachstum des Onlinehandels als Ursache. Vor allem das Verschwinden von Kleinhändlern setze die Branche unter Druck, ergänzt Bretz. (Regina Bruckner, 7.5.2019)